11.12.2012 - von E. Scharfenberg
Zu den Ergebnissen einer gestern veröffentlichten Allensbach-Studie zu den Belastungen von insbesondere Frauen in der familiären Pflege erklärt Elisabeth Scharfenberg, Sprecherin für Pflege- und Altenpolitik der Grünen im Bundestag:
Die aktuelle Allensbach-Studie bestätigt eindrucksvoll, dass Pflege weitgehend Frauenangelegenheit ist. Etwa zwei Drittel aller pflegenden Angehörigen sind weiblich. Viele sind durch diese oft jahrelange Belastung körperlich, seelisch und nicht selten auch finanziell überfordert. Nicht wenige werden dabei selbst krank oder pflegebedürftig. Viele erwerbstätige Frauen reduzieren ihre Berufstätigkeit oder geben sie gar vollständig auf.
Diese Ergebnisse sind nicht wirklich neu, wir können es aber nicht oft genug wiederholen. Denn auf dem pflegepolitischen Ohr ist die schwarz-gelbe Koalition taub. Union und FDP haben pflegepolitisch versagt. Die Familienpflegezeit von Ministerin Kristina Schröder ist nutzlos, vor allem weil sie keinen Rechtsanspruch für Arbeitnehmerinnen und –nehmer begründet. Und das Pflege-Neuausrichtungsgesetz von Minister Daniel Bahr richtet gar nichts neu aus – auch nicht für pflegende Angehörige, um deren Belastungen es in der Studie geht.
Eine Neuausrichtung ist aber dringend notwendig. Dazu gehört neben der Einführung eines neuen Pflegebegriffs und der solidarischen Grünen Pflege-Bürgerversicherung auch ein schlüssiges Entlastungsprogramm für pflegende Angehörige.
Diese brauchen unabhängige und individuelle Pflege- und Wohnberatung. Die ambulanten Leistungen der Pflegeversicherung müssen gezielt ausgebaut werden, etwa die Tages- und Kurzzeitpflege. Zudem brauchen wir bessere Förder- und Anreizstrukturen für das bürgerschaftliche Engagement und für mehr haushaltsnahe Dienstleistungen im Pflegebereich. Durch flexiblere Arbeitszeitmodelle muss die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf langfristig ermöglicht werden. Für Berufstätige, die Pflegeaufgaben nicht dauerhaft übernehmen können oder wollen, schlagen wir eine dreimonatige Pflegezeit mit kompletter Freistellung vom Beruf vor. In dieser Zeit können sie die Pflege ihrer Angehörigen organisieren. Damit sich das alle leisten können, soll in dieser Zeit eine steuerfinanzierte Lohnersatzleistung gezahlt werden.
Ein solches Konzept ist alternativlos, um die betroffenen Frauen zu entlasten, aber auch mehr Männer für diese wichtige Aufgabe zu gewinnen. Außerdem wird die Zahl der Pflegebedürftigen und damit auch der betroffenen Familien in den kommenden Jahren zunehmen. Pflege geht uns alle an, deswegen müssen und können wir sie gemeinsam bewältigen.
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08.12.2012: Pflegetagebuch unterstützt Pflegende Angehörige
10.11.2012: Bericht von der Pflegekonferenz des DGB in Berlin
09.11.2012: LSV Bremen: Stellungnahme Gewalt in Pflegeheimen
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