09.11.2012 - von LSV Bremen
Die Landesseniorenvertretung Bremen verurteilt in aller Schärfe die Gewaltanwendung gegen eine demente Bewohnerin in einem Bremer Pflegezentrum. Die gewalttätige Pflegekraft hat ohne die Notwendigkeit der Selbstverteidigung in gröbster Weise gegen den Artikel 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, der die Würde des Menschen garantiert, verstoßen und sich auch einer schweren Altersdiskriminierung schuldig gemacht.
Pflegeheime und ambulante Pflegekräfte sich in der Regel äußerste Mühe geben, ihre schwierigen Aufgaben zum Wohle pflegebedürftiger Menschen zu erfüllen. Trotzdem gibt es immer wieder Versäumnisse und auch Fälle von Gewaltanwendung. Diese finden meistens im Verborgenen statt, und es ist für Betroffene und Angehörige aus verschiedenen Gründen schwierig, Nachweise dafür zu erbringen. Ebenso schwierig ist es aber auch, den Schutz und einen würdigen Umgang mit diesen meist hilflosen, völlig abhängigen Menschen rund um die Uhr durch Aufsichtsorgane zu garantieren. Der aus der Not geborene Vorschlag, Zimmer mit Kameras auszustatten, ist absurd und verstößt ebenso gegen die Menschenwürde.
Bei allem Verständnis für die Stressbelastung der Pflegekräfte durch ihre schwierige, anspruchsvolle Arbeit, durch Mangel an Fachpersonal, durch ungünstige Arbeitszeiten und durch unangemessene Löhne muss sich die Landesseniorenvertretung Bremen dafür einsetzen, dass Gewalt und Vernachlässigung sowohl bei stationärer als auch bei ambulanter Pflege keine Chancen erhalten. Deshalb fordert sie für solche Fälle strengere und konsequentere Maßnahmen:
1.
Gewaltfreiheit und sachangemessene, menschenwürdige Versorgung muss in Wohn- und Pflegeheimen und bei privater Pflege oberstes Gebot sein und bleiben.
2.
Die Heimleitungen und Trägerschaften sollten verpflichtet werden,
• den Anteil der Fachkräfte zu erhöhen,
• die Sorgfalt bei der Personalauswahl zu steigern,
• jeden Hinweis auf mögliche Gewaltanwendung oder Vernachlässigung ernst zu nehmen und ihm sofort nachzugehen, ohne die oft praktizierten Verteidigungs- und Vertuschungsstrategien einzusetzen.
3.
Den Heimbewohnern und ihren Angehörigen muss die Sicherheit vermittelt werden, Verdachtsmomente äußern zu dürfen, ohne Repressalien befürchten zu müssen. Sie sind bei der Klärung der Angelegenheit von den Heimleitungen, Heimbeiräten und sonstigen Verantwortlichen in jeder Weise zu unterstützen. Wer schweigt oder abwiegelt, macht sich im Ernstfall wegen unterlassener Hilfeleistung oder Verschleierung einer Straftat strafbar.
4.
Gemeinsame Bemühungen um größere Öffentlichkeit in den Heimen könnten ein weiterer Schritt sein, Sorgfaltsmängel zu vermeiden. Der Ausbau eines Netzwerks von Pflege, Aufsichtsorganen und Interessenvertretungen sowie eine ehrliche und offene Zusammenarbeit aller Beteiligten sind anzustreben.
5.
Über jeden Fall von Gewaltanwendung und grober Vernachlässigung sollte öffentlich informiert werden.
6.
Die Ausbildung der Pflegekräfte und ihre spätere Zusammenarbeit könnten gerade hinsichtlich der Bewältigung von Stressfaktoren im Dienst verbessert werden.
7.
Politik und Gesellschaft sind aufgerufen, sich für bessere Arbeitsbedingungen im Pflegebereich einzusetzen. Pflegekräfte, die mit Gewaltanwendung gegen die Wahrung der Menschenwürde verstoßen, sind untragbar. Ihnen sollte umgehend die Arbeitserlaubnis als Pflegekraft entzogen werden.
8.
Es muss überlegt werden, wie man die behördliche Heimaufsicht verstärken und in ihrer Arbeit unterstützen kann, damit die Verordnungen des Bremer Wohn- und Betreuungsgesetzes nachhaltig durchgesetzt werden können.
Die Landesseniorenvertretung Bremen ist überzeugt, dass mehr Öffentlichkeitsarbeit und strengere, konsequent ausgeführte Regelungen nötig sind.
Bremen, 09.11.2012
Gerd Feller
Pressesprecher
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05.11.2012: Gewalt in Bremer Pflegeheim
01.11.2012: Pflege im Ausland? Position der LSV in NRW
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