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ADAC: Altenclub gescheitert

Berlin 09. 2010 Foto: Hanne Schweitzer

22.01.2014 - von Hanne Schweitzer

Aus aktuellem Anlass haben wir den Originalbeitrag vom 14.02.2012 nach vorne geholt:
Die vom ADAC seit langem geplante Spezial-Organisation für über 50Jährige ist gescheitert. Nicht einmal annähernd wurden die gesetzten Ziele erreicht. Trotz fetter Anschubfinanzierung durch den zweitgrößten Automobilclub der Welt sind außer ADAC-Präsident Peter Meyer und seiner Frau bisher nur 650 BürgerInnen dem Verein namens "Generationennetzwerk für Deutschland" (GND) beigetreten. Eigentlich wollte man aber bis Mitte 2012 ca. 150.000 Mitglieder rekrutiert haben.

Wie Robert Sauter, Leiter der Verbraucherschutzabteilung des ADAC`, wissen ließ, soll das GND trotz des Flops erstmal weitergeführt werden. Ob die GND-Zentrale in Bad Godesberg bleibt oder nach München umzieht, wo der Verein beim Amtsgericht registriert ist, wurde noch nicht entschieden. Von den zuletzt 21 Mitarbeiterinnen erhielten fünf bereits die Kündigung, auslaufende Verträge werden nicht verlängert. Dabei hatte alles so vielversprechend begonnen.


Der Countdown
Damit das GND richtig loslegen konnte, arbeiteten im Herbst 2010 schon 14 hauptamtliche MitarbeiterInnen in der Koblenzer Straße. Die Höhe des Jahresbeitrages war zu diesem Zeitpunkt noch nicht festgelegt. Zur Debatte stand ein Betrag zwischen 30 und 50 Euro. Man entschied sich schließlich für 48 Euro. Potentiellen Vereins-Mitgliedern wurde dafür als Gegenleistung "unabhängige und kompetente Beratung" durch Vertragsanwälte in den Bereichen "Gesundheit und Pflege, Finanzen und Versicherungen, Beruf und Rente, Lebenslanges Lernen und Freizeit sowie in Alltagsfragen" geboten. Zusätzlich wurde damit geworben, beim "Aufbau einer Gemeinschaft vor Ort und im Internet" mitwirken, sprich ehrenamtlich am Aufbau eines Freiwilligennetzwerks mitarbeiten zu können, um so das Miteinander in den Kommunen anzuregen.

Für die gut dotierten Führungspositionen im Verein wählten die ADAC-Männer, unterstützt von Unternehmensberatern, zwei Frauen aus: Claudia Rutt und Ulrike Spitz.

Diplomkauffrau die erste, Journalistin und zuvor stellvertretende Geschäftsführerin der Nationalen Anti-Doping-Agentur, die zweite. Insbesondere Frau Rutt galt als Idealbesetzung für diese "Pionieraufgabe", und wie es in der alten- und altersfeindlichen Bundesrepublik Deutschland nicht ohne Grund hieß: für "eine der spannendsten Herausforderungen in Deutschland!"

Mit unternehmerischem Engagement war es Rutt in den 90iger Jahren gelungen, aus einer Privatinitiative, die verzweifelt eine Knochenmarkspende für ein an Krebs erkranktes Familienmitglied suchte, in nur drei Jahren die deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) "wie ein Wirtschaftsunternehmen" aufzubauen.

Entsprechend prächtig gediehen auch die gemeinnützigen GmbHs DKMS LIFE, DKMS Life Science Lab und DKMS Nabelschnurblutbanken*, sowie die DKMS Stiftung Leben Spenden, seit 1997 eine 100-prozentige Mutter der DKMS. "Will man nachhaltig Gutes tun, muss man vor allem wirtschaftlich denken", diesem Credo verdankt Rutt ihren sensationellen Aufstieg in die bundesdeutsche Gemeinwirtschaftselite. Wer wenn nicht sie wäre in der Lage, jene "ideelle und zusätzlich kommerzielle Organisation" für über 50Jährige zu etablieren, von der die lustige Garde beim ADAC schon seit Jahren träumt?

Woran hat´s gelegen?
Etwas ist gründlich schiefgegangen beim Start-up von „Deutschlands größtem Netzwerk zur Wahrung und Förderung der Interessen der Menschen 50 plus“. Der Aufbau einer "Lobbyorganisation für 50 plus, die auch Service bietet", ist nicht gelungen. Zu wenige Mitglieder, dazu eine Zeitschrift, von der bislang nur eine Ausgabe erschienen ist, mit einem Aufguss altbekannter Themen und altbekannter Gesichter. Die Webseite ist auch nicht viel anregender als alkoholfreier Sekt.

Hat die Zusammenarbeit zwischen dem "Lenkungsausschuss" beim ADAC und Frau Rutt nicht funktioniert? Trug sie zu schwer an der "operativen Gesamtverantwortung"? Hatte sie andere Vorstellungen als die Führungsriege des ADAC? Ist die amerikanische Organisation „American Association for retired People„ (AARP) doch nicht das passende Vorbild für eine bundesdeutsche Organisation?

Haben die Wohlfahrts- und Sozialverbände wie VDK (1,5 Mio. Mitglieder) und SovD (520.000 Mitglieder) den lukrativen Markt der Best Ager schon abgegrast? Bietet das GND potentiellen Mitgliedern zu wenig "spürbaren Mehrwert?"

Oder ist er vielleicht gar nicht mehr so lukrativ dieser Markt, weil die meisten 50 plusser längst alle überflüssigen Versicherungen, Beiträge und Abonnements gekündigt haben, und angesichts steigender Gesundheits- und Energiekosten jede nicht dringend notwendige Ausgabe, und seien es nur 48 Euro im Jahr, scheuen wie der Teufel das Weihwasser?

Haben die über 50Jährigen keine Lust, beim "flächendeckenden Aufbau mit Freiwilligenstützpunkten bis 2015" mitzumachen? (Bislang gibt es neun davon.)

Trauen sie dem Automobilclub, der oft und stets ohne Erfolg wegen seiner altersdiskriminierenden Versicherungstarife kritisiert wird, keine aufrichtige Lobbyarbeit für 50 plusser zu?

Finden es die Leute unanständig, Beitrag zahlen zu müssen, damit sie umsonst arbeiten können? Wollen sie nicht mithelfen, bezahlte Arbeit durch unbezahlte zu ersetzen?

Wer auch immer den Schwarzen Peter hat. Frappierend am GND-Projekt ist nicht so sehr das schlaffe Sprechblasenkonzept der reichen Non-Profit-Organisation als vielmehr der Mangel an Meinung, Ideen und Innovation.

Seit Anfang 2012 gilt: neues Spiel, neues Glück, die Karten werden neu gemischt. Die Anschubfinanzierung für den GND war für fünf Jahre geplant. Knapp zwei davon sind `rum.

Link: ADAC: geplanter Altenklub in den Startlöchern
Quelle: Büro gegen Altersdiskriminierung