25.05.2009 - von diverse
Von Juni 2009 bis 2011 (!!!) soll die Qualität sämtlicher Pflegeheime für SeniorInnen und aller ambulanten Dienste mit Hilfe eines Tests überprüft werden. Während sich die bayerische Sozialministerin ebenso wie der sogenannte Gesundheitsexperte Heiner Lauterbach (SPD) skeptisch über die tatsächliche Aussagekraft der Testergebnisse äußerten, lobte der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung GKV den Test. "Nach Jahrzehnten der Intransparenz werden die neuen Pflegenoten für Klarheit sorgen und dadurch die Pflegequalität verbessern", meinte Florian Lanz, Sprecher der GKV taatsächlich.
Bundesgesundheitsministerin Gesundheitsministerin Ulla Schmidt wollte das Bewertungssystem für Seniorenheime, auch Pflegeheimtest, Heimbenotung, Qualitätsbewertung, Heimnoten genannt, überarbeiten lassen. Die Regeln, vereinbart zwischen den Krankenkassen und Heim-Trägern, seien undurchsichtig und unzureichend, sagte die Ministerin ausgerechnet der Bild-Zeitung vom 14. März 2009.
Die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) wurde deutlicher: Das vorgelegte Konzept mache aus einer laienverständlichen Prüfung eine Laienprüfung. Im Interesse der Betroffenen müsse in Zukunft die Ergebnisqualität, die beim Bewohner ankommt, in den Mittelpunkt gestellt werden. Schon Anfang März 2009 hatte die bayerische Sozialministerin ihre deutliche Kritik an dem neuen Prüfungs- und Bewertungssystem für stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen und -dienste geäußert.
Für die Grünen im Bundestag bot dies den Anlass, der Bundesregierung im Rahmen der parlamentarischen Fragestunde am 18. März Fragen zum Bewertungssystem zu stellen.
Aus den Antworten geht u.a. hervor, dass die Bundesregierung - genau wie die Grünen - erstaunt ist ob des Angriffs der CSU, die an dem Gesetzgebungsverfahren zur Pflegereform beteiligt war. Die vielerseits geäußerte Befürchtung, Einrichtungen und Pflegedienste könnten im neuen System negative Bewertungen durch positive an anderer Stelle ausgleichen, hat die Bundesregierung aufgegriffen und die sogenannte Selbstverwaltung um eine entsprechende Klarstellung der Systematik gebeten.
Wenig befriedigend fiel die Antwort der Regierung auf die Frage hinsichtlich der Einbindung der Betroffenen-, Selbsthilfe- und VerbraucherInnen-Organisationen in das Verfahren aus. Hierzu verweist die Bundesregierung lediglich auf das gesetzlich vorgeschriebene
Stellungnahmerecht der entsprechenden Verbände (§ 115 SGB XI). Sie äußert sich jedoch nicht dazu, ob eben dieses Stellungnahmerecht nicht bereits im Gesetz unzureichend ist. Im Gegensatz zu den Grünen teilt die Bundesregierung diese Ansicht offensichtlich nicht.
Hier die Fragen der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg, Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen und die Antworten der Bundesregierung als Protokollauszug:
Frage: Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der Kritik der bayerischen Sozialministerin Christine Haderthauer, CSU, an den Vereinbarungen nach § 115 des Elften Buches Sozialgesetzbuch, SGB XI, über die Veröffentlichung und Bewertungssystematik der Qualitätsprüfungen in der ambulanten und stationären Pflege – „Schulnotensystem“ – in der Süddeutschen Zeitung vom 11. März 2009, wonach dieses Konzept seinen Zweck verfehle, durch mehr Transparenz und Vergleichbarkeit
der Leistungen Missstände abzustellen, und der Forderung Christine Haderthauers an die Bundesregierung, diese Vereinbarung der Selbstverwaltung zu ändern?
Antwort: Marion Caspers-Merk, Parl.Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Gesundheit:
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Scharfenberg, der Gesetzgeber hat entschieden, dass im Rahmen der Neuregelung der Qualitätsvorschriften des SGB XI die Transparenz als Ausdruck der gemeinsamen Verantwortung von Pflegekassen und Leistungserbringern auch dadurch hergestellt werden soll, dass die Pflegequalität im Interesse all derjenigen, die Pflegeleistungen für ihre Angehörigen oder für sich
selbst suchen, in Zukunft stärker kontrolliert wird. Wie Sie wissen, gab es im ganzen letzten Jahr vielerorts große Überschriften, die zum Thema hatten, dass Pflege nicht sachgerecht durchgeführt wird, dass es im Bereich der Pflege einzelne schwarze Schafe gibt. Unser Anliegen war, mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz endlich zu einer transparenten Struktur zu kommen. Wir haben gemeinschaftlich entschieden, dass Qualität einfach dokumentierbar und messbar sein soll. Auch die CSU im Bundestag und das Land Bayern haben dieser neuen Qualitätsmessung in Pflegeheimen grundsätzlich zugestimmt.
Die Vertragsparteien in der Pflegeselbstverwaltung haben sich auf dieser gesetzlichen Grundlage bemüht, ein inhaltlich tragfähiges Verhandlungsergebnis zu erzielen.
Die Selbstverwaltung hat nun ein Bewertungssystem vorgeschlagen, das die Kriterien der Pflegequalität dokumentiert. Erstmals sind damit Transparenz und Vergleichbarkeit von Pflegequalität auf einer bundesweit einheitlichen Grundlage möglich. Insofern halte ich das Notensystem in der Pflege für einen deutlichen Fortschritt,
vor allen Dingen für diejenigen, die mehr wissen wollen als das, was in einer Hochglanzbroschüre steht, die ihnen vorgelegt wird, die also erfahren wollen, wie die Pflegequalität in der jeweiligen Einrichtung ist.
Die Bundesregierung betrachtet die Vereinbarungen als wichtigen ersten Schritt. Wir haben die beteiligten Gruppen immer in ihrer Forderung unterstützt, dass man zu einem einfachen und transparenten System zurückfindet. Wir haben deshalb mit den an der Selbstverwaltung Beteiligten gesprochen. Wir haben darum gebeten, dass die
Bewertungssystematik verdeutlicht wird.
Durch die optische Darstellung der einzelnen Noten sollte beispielsweise klar werden, dass eine schlechte Pflegequalität in einem Heim, für die es die Note Vier bekommt, nicht durch eine gute Verpflegung, für die es die Note Eins bekommt, ausgeglichen werden kann. Die Selbstverwaltung hat unsere Hinweise aufgegriffen: Die Note Vier wird optisch deutlicher dargestellt; auch die Gewichtung ist klar.
Zum Beispiel fließt die Qualität der Pflege mit 52 Prozent in die Gesamtnote ein. Dem werden Ausstattungsmerkmale eines Heimes oder die dortige Verpflegung nachgeordnet.
Wir erhalten das, was die Selbstverwaltung vorgelegt hat, für konsensfähig. Wir haben im Prozess Anregungen gegeben. In unserem System ist zunächst einmal die Selbstverwaltung gefordert. Wir können dieses System unterstützen und begleiten. Wir sind froh, dass unsere Hinweise aufgegriffen wurden: Beurteilungen ab Note Vier werden optisch deutlicher dargestellt; man macht klar, wie die einzelnen Noten zu gewichten sind. Wir wollen, dass dieses neue System möglichst bald kommt, damit diejenigen, die eine Heimeinrichtung für sich selbst oder für ihre Angehörigen suchen, wissen, ob sie für ihr gutes Geld auch eine gute Qualität bekommen.
Ich glaube, auf eine solche Information haben die Menschen sehr lange gewartet. Deswegen kann ich die Kritik aus Bayern sowohl am Vorhaben als auch an der Art der Durchführung in keiner Weise verstehen. Meines Erachtens geht sie nach dem langen Diskussionsprozess zum jetzigen Zeitpunkt in die falsche Richtung. Eigentlich haben wir das gemeinsam beschlossen und auf den Weg gebracht. Ich halte der Kollegin Haderthauer zugute, dass sie neu in diesem Amt ist.
(Paul Lehrieder [CDU/CSU]): Sie war Generalsekretärin! Das erklärt vielleicht, dass sie den langen Vorlauf nicht kannte.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre Zusatzfragen.
Elisabeth Scharfenberg. Vielen Dank. – Frau Staatssekretärin, Sie haben gesagt, Sie hätten Hinweise dazu gegeben, wie das System nachzubessern ist, und erklärt, das solle möglichst bald geschehen. Können Sie die Zeitangabe „möglichst bald“ genauer fassen?
Antwort: Marion Caspers-Merk, Parl.Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Gesundheit:
Ich möchte noch einmal hervorheben, dass wir bereits in diesem Abstimmungsprozess sind. Uns hat die Selbstverwaltung Anfang dieser Woche eine überarbeitete Version vorgelegt, in der die Abwertungen deutlicher werden. Bislang war es so, dass eine Durchschnittsnote am
Ende auch gegeben wurde, wenn ein Bereich mangelhaft war. Unseres Erachtens muss man aber deutlich machen:
Wenn in einem zentralen Bereich, in der Pflege beispielsweise, die Note „mangelhaft“ vergeben wird, dann
kann es nicht zu einer Gesamtnote kommen. Diese Anregungen sind aufgegriffen worden. Uns wurde, wie gesagt, schon am Dienstag eine überarbeitete Version vorgelegt.
Statt eine öffentliche Kritik zur Unzeit zu formulieren (!), hätte man besser mit konkreten und in der Sache wichtigen Beiträgen an der Verbesserung des Systems gearbeitet.
Wir sind froh darüber, dass unsere Ideen aufgegriffen
wurden. Ich darf an dieser Stelle noch einmal hervorheben: Es ist dadurch ein bundeseinheitliches System. Es ist ein klares System. Jeder weiß, was Schulnoten bedeuten, was beispielsweise eine Eins oder eine Fünf bedeutet. Wir wollten etwas entwickeln, das für die Menschen leicht nachvollziehbar ist.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Sie haben noch eine Frage.
Frage: Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Vielen Dank. – Als bayerische Abgeordnete kann ich Ihnen darin zustimmen, dass aus den Reihen der CSU oft zur Unzeit Kritik kommt. Nun würde mich Folgendes interessieren: Hat sich die CSU bei den Verhandlungen zum Pflege-Weiterentwicklungsgesetz für eine entsprechende Ausgestaltung eingesetzt, gerade bei § 115 SGB XI? Das hat Frau Haderthauer ja kritisiert. Es bestand für die CSU als Regierungspartei doch die Möglichkeit, sich aktiv einzubringen und auf eine positive Gestaltung zu drängen. Das wäre besser gewesen, als jetzt im Nachhinein zu kritisieren.
Antwort: Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Gesundheit:
Ich möchte nicht aus den internen Verhandlungen zitieren. Ich habe Ihnen vorhin das Ergebnis dargestellt. Das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz ist mit großer Mehrheit, auch mit einem einstimmigen Votum der Regierungsparteien, verabschiedet und auch von der Union in ihrer Gesamtheit mitgetragen worden. Es gab damals keinen Dissens; im Gegenteil. Man hat von uns immer gefordert – darin waren sich alle Pflegefachleute einig –, dass die Qualität in den Einrichtungen messbar und dokumentierbar ist. Beiden Anforderungen wird dieser Vorschlag gerecht.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Ich rufe die Frage 27 der Kollegin Elisabeth Scharfenberg auf:
Frage: Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung des Weiteren aus der Kritik an den Vereinbarungen nach § 115 SGB XI, beispielsweise der bayerischen Sozialministerin Christine Haderthauer (Süddeutsche Zeitung, 11. März 2009) oder auch weiterer Akteure im Rahmen eines Beitrags der ARD-Sendung Report Mainz („Wie gute Heime zu schlechten Noten kommen“, 9. Februar 2009), wonach eine schlechte Beurteilung einer Pflegeeinrichtung/eines Pflegedienstes in einem Kriterium durch die positive Bewertung in einem anderen Kriterium ausgeglichen werden könne oder dass an der Entwicklung der Kriterien nach § 115 SGB XI die maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe der pflegebedürftigen und behinderten Menschen sowie unabhängige Verbraucherorganisationen nicht in ausreichendem Maße beteiligt worden seien?
Antwort: Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Gesundheit:
Frau Kollegin Scharfenberg, ich antworte Ihnen gern darauf. Die Verbände der pflegebedürftigen und behinderten Menschen wurden im Rahmen eines schriftlichen Anhörungsverfahrens beteiligt. Ansonsten haben die einzelnen Parteien der Selbstverwaltung gemeinschaftlich an dem neuen Notensystem gearbeitet. Es ist also im Konsens entwickelt worden.
Zu der Frage, was zur Abwertung führt und wie Transparenz hergestellt wird, habe ich Ihnen gerade schon erläutert, dass es gegenüber dem ersten Vorschlag Veränderungen gibt. Sie sind uns am Dienstag dieser Woche vorgestellt worden. Wir sind sehr froh darüber, dass die Selbstverwaltung auf die Vorschläge, die das Bundesgesundheitsministerium unterbreitet hat, eingegangen ist.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Ihre Zusatzfragen.
Frage: Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. – Für wie zielführend hält es die Bundesregierung unter dem Gesichtspunkt von Transparenz und Übersichtlichkeit, dass es parallel zu dem Verfahren nach § 115 SGB XI noch andere Ansätze gibt, zum Beispiel das sogenannte Heimverzeichnis, das vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz finanziell gefördert wird? Ist an eine Zusammenführung in irgendeiner Form gedacht?
Antwort: Marion Caspers-Merk, Parl.Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Gesundheit:
Ich glaube, es handelt sich hier um unterschiedliche Ansätze. Bund und Länder waren sich eigentlich einig, dass das Schulnotensystem für die Heime das einzige System bleiben soll, das bundesweit die Qualität der Einrichtungen misst. Es ist natürlich auch wichtig, dass man Grunddaten erhebt, um einen Überblick über die Zahl der Einrichtungen in einer Region zu erhalten. Aber die Pflegequalität sollte – das haben wir im Pflege-Weiterentwicklungsgesetz so geregelt – nur durch ein bundesweites System ermittelt werden.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Frage: Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, meine letzte Frage. – Hält es die Bundesregierung unter dem Gesichtspunkt der Transparenz und Übersichtlichkeit für förderlich, dass die Ergebnisse der Qualitätsprüfung nach § 115 SGB XI nicht bundesweit auf einem Internetportal, sondern auf 16 Internetportalen – das heißt, es gibt pro Bundesland jeweils eins – veröffentlicht werden? Wenn ja, warum?
Antwort: Marion Caspers-Merk, Parl.Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Gesundheit:
Liebe Frau Kollegin Scharfenberg, wir haben ein föderales System, gerade im Bereich der Heimstrukturen. Sie wissen, dass das Heimrecht im Zuge der Föderalismusreform in die Verantwortung der Länder übergegangen ist. Insofern glauben wir, dass es Sinn macht, wenn jedes Bundesland separat informiert. Entscheidend ist aber, dass die Qualität überall in Deutschland künftig in jedem Heim und in jeder anderen Betreuungseinrichtung, die Altenpflege betreibt und Pflegebedürftige hat, nach einheitlichen Kriterien gemessen wird und damit von Flensburg bis Bayern dasselbe Notensystem herrscht, damit einer, der innerhalb Deutschlands umzieht, eine nach denselben Kriterien erstellte Beurteilung der Einrichtungen vorfindet. Das ist ein deutlicher Fortschritt.
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