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Flugbegleiter: Klage gegen Zwangsrentenalter

19.06.2008 - von Hanne Schweitzer

Mehr als ein halbes Dutzend FlugbegleiterInnen der Deutschen Lufthansa vertritt Rechtsanwalt Andreas Dittmann von der Kanzlei Dittmann + Kahlau in Berlin.
Allen Mandanten geht es um die
Weiterbeschäftigung über die tarifliche Altersgrenze hinaus. Nach dem geltenden Manteltarifvertrag endet das Arbeitsverhältnis zunächst mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer das 55. Lebensjahr vollendet. Danach kann das Arbeitsverhältnis bei körperlicher und beruflicher Eignung des Kabinenmitarbeiters jeweils um ein weiteres Jahr bis längstens zur Vollendung des 60. Lebensjahres verlängert werden.

Durch die von Dittmann bisher geführten Verfahren haben sowohl das Hessische Landesarbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht Berlin den Klagen der Mitarbeiterinnen stattgegeben und die Revision zugelassen. Die erste Verhandlung dazu wird am 16.10.2008 beim BAG in Erfurt stattfinden.

Nun hat der 7. Senat des Bundesarbeitsgerichts am 18.6.08 in einem anderen Fall entschieden Link,dass die Ungleichbehandlung namens "Zwangsrentenalter" durch ein legitimes Ziel aus der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik gerechtfertigt ist und zwar im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 2000/78/EG. Das dürften spannende Verfahren werden.

Artikel 6 der Europäischen Richtlinie zur Festlegung eines Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist genau der Artikel, über den sich die Arbeitgeber am meisten gefreut haben. Seine Überschrift sagt eigentlich schon alles. Sie lautet: Gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters. Weiter heißt es: Die Mitgliedstaaten [i]können vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.[/i]

Mit diesem Gummisatz lässt sich Alles und Jedes begründen und rechtfertigen. Legitime Ziele der Arbeits- und Beschäftigungspolitik sind offen für jede Interpretation, und sie lassen sich widerstandslos an jede konjunkturelle Lage oder Veränderung der Beschäftigungspolitik anpassen. Juristen können damit letztlich ALLES begründen. Artikel 6 ist so etwas wie ein Joker für Richter, den sie zücken können, wann immer ihnen schlüssige andere juristische Begründungen fehlen, um die gerade aktuellen beschäftigungspolitischen Erfordernisse von Kapital und Regierung durchzusetzen.

Das Verb können in der EU-Richtlinie weist darauf hin, dass die EU dem bundesdeutschen Gesetzgeber die Möglichkeit eingeräumt hat, anders zu entscheiden, bürgerfreundlicher. Das hat er aber nicht getan. Stattdessen wurde unter § 10 Ziffer 5 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes noch das Folgende hinzugefügt: Eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen des Alters beantragen kann, stellt eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters dar.

Die Frage ist nun: Sind Zwangsverrentungen aufgrund von Vereinbarungen, wie etwa Tarifverträgen, objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt? Ist das Unternehmensziel, ältere MitarbeiterInnen loswerden zu wollen, legitimer als das Ziel von Flugbegleiterinnen und Flugbegleitern, die sich aus sozialen oder ökonomischen Gründen gegen ihre Zwangsverrentung zur Wehr setzen? Und warum ist das Zwangsrentenalter in den USA bereits seit 1984 abgeschafft?

Am 16.10.2008 hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) erneut um eine Vorabentscheidung zur Vereinbarkeit einer deutschen Norm mit Gemeinschaftsrecht ersucht. Siehe dazu: Link

Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=2648