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Österreich - 10.04.2025 - von Susanne Haslinger
Mit dem Ruf nach Lohnzurückhaltung fordern Wirtschaftsforscher:innen Krisenbewältigung auf dem Rücken der Arbeitnehmer:innen Diese leiden schon lange unter der Untätigkeit der Politik in der Teuerungskrise. Jetzt wollen die Chefs der großen Wirtschaftsinstitute WIFO und IHS, dass sie auf Lohn verzichten. Doch was steckt hinter dieser Forderung?
Angesichts der nach wie vor stockenden Konjunktur, vor allem in der Industrie, lassen uns die Chefs der großen Wirtschaftsinstitute WIFO und IHS ausrichten: Bei den anstehenden Kollektivvertragsverhandlungen sei Lohnzurückhaltung geboten. Damit meinen sie den Abschluss unterhalb der Inflationsrate. Oder anders gesagt: den Verzicht auf Lohn und Gehalt. Nachdem Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im großen Stil für die Budgetsanierung herhalten müssen, sollen sie nun auch noch auf ihr Einkommen verzichten und für die politische Untätigkeit in der Teuerungsbekämpfung in den vergangenen Jahren noch einmal zahlen.
Angeblich haben wir alle über unseren Verhältnissen gelebt. Das sagt zumindest Gabriel Felbermayr, Chef des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung. Er spielt damit auf die gestiegenen Lohnkosten in der Industrie an – die sich mittlerweile moderat eingependelt haben, nachdem sie bis zum Beginn der Teuerungskrise kontinuierlich gesunken sind. Und wieso sollen das die Arbeitnehmer:innen ausbaden?
Was Felbermayr ausspart, sind die 42 Millionen Überstunden, die 2024 unbezahlt blieben, wie aktuelle Zahlen der Statistik Austria zeigen. Auch darüber sollten wir reden. Da zahlen die Arbeitnehmer:innen und der Staatshaushalt drauf.
An Lohnraub grenzt die Forderung des steirischen Präsidenten der Industriellenvereinigung, Kurt Maier, jetzt drei Jahren Nulllohnrunden zu machen
Die Produktionsgewerkschaft hat berechnet, was das die Beschäftigten kosten würde: Bei drei Nulllohnrunden würden die Arbeitnehmer:innen auf ein gesamtes Urlaubsgeld UND Weihnachtsgeld verzichten! Ob auch die heimische Wirtschaft auf die Kaufkraft verzichten will? Arbeitnehmer:innen nur noch als Kostenfaktor zu sehen, verkennt, dass sie es sind, die am Ende die produzierten Waren kaufen und die Dienstleistungen beziehen.
Lohnkürzungen werden die Industrie nicht aus der Misere holen. Im Gegenteil: Jetzt den zögerlich wieder anlaufenden Konsum abzuwürgen, hätte fatale Folgen. Und tatsächlich geht es hier nicht um einen vermeintlichen Wettbewerbsvorteil durch Lohnkürzungen. Die Forderung hat einen anderen Hintergrund: Man will die Arbeitnehmer:innen in Zeiten steigenden wirtschaftlichen Drucks auf ihren Platz verweisen.
Mehr noch: Man will in den Betrieben Panik verbreiten, den Arbeitnehmer:innen einreden, sie wären schuld an der Krise, die eigentlich durch Managementfehler, verabsäumte Zukunftsplanung und -investitionen und die Energiekrise ausgelöst wurde, sowie überhaupt an allen Verwerfungen in der Exportwirtschaft. Die Wirtschaft sieht nach wie vor ein Fenster für den endgültigen Bruch mit der viel zitierten Benya-Formel, die als Untergrenze stets die Inflationsanpassung vorsieht. Anton Benya war von 1963 bis 1987 Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes. Die nach ihm benannte Formel sieht vor, dass die Höhe der Lohnsteigerung der Inflation plus dem mittelfristigen gesamtwirtschaftlichen Produktivitätszuwachs entsprechen muss.
Was der Industrie helfen würde
Eine nachhaltige Industriestrategie, eine ordentliche Zukunftsstrategie, ein Ausbau der Infrastruktur, Qualifizierungsoffensiven und der Mut, endlich Maßnahmen zu treffen, die auch in die Preise, wie beispielsweise in den Energiesektor, eingreifen.
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