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Altersdiskriminierung eines Bewerbers im Rentenalter zulässig

25.06.2024 - von Bundesarbeitsgericht

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 9. März 2023 – 11 Sa 948/22 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Leitsatz

Die Wiedereinstellung eines Bewerbers, dessen Arbeitsverhältnis aufgrund einer tarifvertraglichen Altersgrenze beendet wurde, kann wegen seines Alters abgelehnt werden, falls ein jüngerer qualifizierter Bewerber zur Verfügung steht. Dies entspricht dem mit der Altersgrenze verfolgten Ziel der ausgewogenen Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens.

2
Der 1952 geborene Kläger hat die Erste Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe I in den Fächern Deutsch und Musik sowie für das Lehramt für die Sekundarstufe II in den Fächern Musik und Philosophie absolviert. Zur Ersten Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe I hat er sich erfolgreich einer Erweiterungsprüfung im Fach Praktische Philosophie unterzogen. Zudem hat er die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe II in den Fächern Philosophie und Musik abgelegt. Nach langjähriger Tätigkeit als Lehrer bei dem beklagten Land ist er wegen Erreichens der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (im Folgenden Regelaltersgrenze) seit Anfang des Jahres 2018 im Altersruhestand. Seitdem war er wiederholt im Rahmen befristeter Arbeitsverhältnisse als Lehrer für das beklagte Land tätig.

3
Am 20. Dezember 2021 bewarb er sich bei einem Gymnasium des beklagten Landes auf eine Vertretungsstelle, die von der Schulleitung für den Zeitraum vom 1. Februar 2022 bis zum 9. August 2022 in einem Umfang von 18 Wochenstunden mit der Fächerkombination Deutsch und Philosophie/Praktische Philosophie ausgeschrieben war. Ein weiterer Bewerber für diese Stelle ist 1981 geboren und hat die Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen in den Fächern Geschichte und Philosophie/Praktische Philosophie abgelegt. Nach dem Abschluss des durch die Schule durchgeführten Auswahlverfahrens wurde der Kläger am 4. Januar 2022 von der Schulleitung zur Einstellung vorgeschlagen.

4
Das beklagte Land ist an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) gebunden. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:


„§ 33 Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung


(1)
Das Arbeitsverhältnis endet ohne Kündigung
a) mit Ablauf des Monats, in dem die/der Beschäftigte das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen der Regelaltersrente vollendet hat



(5)

1
Soll die/der Beschäftigte, deren/dessen Arbeitsverhältnis nach Absatz 1 Buchstabe a geendet hat, weiterbeschäftigt werden, ist ein neuer schriftlicher Arbeitsvertrag abzuschließen. 2Das Arbeitsverhältnis kann jederzeit mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende gekündigt werden, wenn im Arbeitsvertrag nichts anderes vereinbart ist.“

5
Die zuständige Bezirksregierung wies die Schulleitung mit E-Mail vom 6. Januar 2022 darauf hin, dass bei einer beabsichtigten Einstellung eines Bewerbers, der die Regelaltersgrenze überschritten hat, zu bestätigen sei, „dass sich sonst niemand mit einer Lehramtsbefähigung beworben habe oder … sehr detailliert und nachvollziehbar dargelegt und begründet [werden müsse], warum ggfls. vorhandene Mitbewerber/-innen trotz einer vorhandenen Lehramtsbefähigung für die Übernahme der Vertretungsstelle weniger bzw. nicht ausreichend qualifiziert sind“. Dies entsprach einem Erlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung Nordrhein-Westfalen vom 26. September 2012. Die Schulleitung teilte der Bezirksregierung per E-Mail vom 7. Januar 2022 daraufhin mit, dass sie den Kläger zwar für besser qualifiziert halte, gleichwohl aber die Besetzung der Vertretungsstelle mit dem Mitbewerber beantrage. Die Stelle wurde schließlich mit dem Mitbewerber besetzt.

6
Mit seiner Klage vom 19. Januar 2022 hat der Kläger eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung iHv. 30.000,00 Euro verlangt. Er sei allein wegen seines Alters nicht eingestellt worden. Dies sei nicht zu rechtfertigen. Die Altersgrenze des § 33 Abs. 1 Buchst. a TV-L beziehe sich nur auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dessen ungeachtet sei es angesichts des Lehrermangels nicht zu begründen, ältere Bewerber sogar bei befristeten Stellen grundsätzlich auszuschließen. Zudem verstoße das Vorgehen des beklagten Landes gegen das Prinzip der Bestenauslese aus Art. 33 Abs. 2 GG. Er sei jedenfalls bezogen auf das Fach Deutsch besser qualifiziert als der Mitbewerber.

7
Der Kläger hat zuletzt beantragt, das beklagte Land zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz iHv. 30.000,00 Euro zu zahlen.

8
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

9
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen zuletzt gestellten Klageantrag weiter. Das beklagte Land begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe
...

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Aktenzeichen
8 AZR 140/23

ECLI:DE:BAG:2024:250424.U.8AZR140.23.0

Art
Urteil

Datum
25.04.2024

Quelle: Bundesarbeitsgericht