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Ursache Unterfinanzierung: 5,5 Prozent weniger Krankenhausbetten in Kinderfachabteilungen NRWs

Foto: H.S.

09.12.2022 - von ITW-NRW, Hanne Schweitzer

Die Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen haben im Jahr 2021 4.532 Betten für die Behandlung von Kindern aufgestellt. Dabei handelte es sich um Betten in den Hauptfachabteilungen Pädiatrie, Kinderkardiologie, Neonatologie und Kinderchirurgie.

Wie Information und Technik Nordrhein-Westfalen als Statistisches Landesamt mitteilt, war die Bettenzahl in diesen Fachabteilungen um 5,5 Prozent niedriger als im Jahr 2018 (damals: 4.797).

Seit 2018 ging die Zahl der Krankenhausbetten in Kinderfachabteilungen in Nordrhein-Westfalen kontinuierlich zurück. Im Jahr 2019 fiel der Rückgang gegenüber dem Vorjahr mit 2,1 Prozent höher aus als in den Folgejahren (2020: 1,8 Prozent, 2021: 1,7 Prozent). Die Zahl der Kinder und Jugendlichen im Alter von unter 15 Jahren war dagegen in NRW im Jahr 2021 um 2,6 Prozent höher als 2018.

Die höchste Bettenzahl für Kinder hielten die Krankenhäuser in den kreisfreien Städten Köln (343 Betten), Münster (255 Betten) und Düsseldorf (224 Betten) vor. Damit befanden sich 18,1 Prozent der Kinderkrankenhausbetten des Landes in diesen drei Städten.
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Der Notstand in den Kinderkliniken ist weder in NRW noch bundesweit etwas Neues
"German Gleichgültigkeit - Kann es Düstereres geben als ein Land, in dem das Wohl von Kindern eine so erbärmliche Rolle spielt? Zum Notstand in Kitas und Kliniken", headline in der Süddeutschen Zeitung vom 13.12.2022.

Die rapide Verschlechterung der Qualität von Krankenhausbehandlungen und den dortigen Arbeitsbedingungen und der massive Abbau von Krankenhausbetten hat mit der Einführung von Fallpauschalen in der Regierungszeit von Schröder/Fischer im Jahr 2003 an Fahrt aufgenommen.
Ende 2003, dem Beginn der never ending sogenannten Gesundheitsreform existierten 2.197 Krankenhäuser in der Republik, 157 weniger als 1993. Es gab 542.000 Krankenhausbetten und 657 Betten standen zur stationären Versorgung von je 100.000 Einwohnern zur Verfügung.
Gesundheitsministerin war damals Ulla Schmid. Wegen des von ihrem Haus vorgelegten Gesundheitsmodernisierungsgesetzes schwellen bei der Erwähnung ihres Namens nicht nur Direktversicherten bis heute die Stirnadern.( Link ) Schmidt führte auch das ursprünglich aus Australien stammende Fallpauschalensystem ein. Und pries es. Es könne die Krankenkassenbeiträge stabilisieren und die Krankenhäuser in einen Wettbewerb gegeneinander zwingen. Dann würde alles besser und billiger. So begann die Unterfinanzierung der Krankenhäuser.

Die Krankenkassenbeiträge lagen 2003 bei 14,3 Prozent des Bruttolohns. Aber anders als vorhergesagt, sanken sie durch die "Gesundheitsreform" nicht. Sie stiegen bis 2009 auf 15,5 Prozent, bevor sie 2022 wieder 14,6 Prozent erreichten. Im nächsten Jahr sollen sie auf durchschnittlich 16,2 Prozent des Bruttolohns steigen. Dazu kommt aber noch die Erhöhung des Zusatzbeitrags, der seit 2005 kassiert wird. Der kann, je nach Finanzlage der Kassen, unterschiedlich ausfallen. Lag er zuletzt im Schnitt bei 0,9 Prozent, wird für das nächste Jahr eine Erhöhung von 0,3 Prozent erwartet. Billiger ist also nichts geworden und besser schon gar nicht.

Das Prinzip der Fallpauschale funktioniert so: Das Krankenhaus wird nur für Fälle bezahlt, also für reale Behandlungen oder Operationen. Für die Bereitstellung des Hauses mitsamt seiner Infrastruktur und des Personals wird aber nichts bezahlt. Das ist so, als würde die Feuerwehr nur dann Geld bekommen, wenn sie einen Brand gelöscht hat.

Viele Kinderabteilungen sind geschlossen worden. In einem profitorientierten Krankenhaussystem waren sie nicht lukrativ genug. Und die Elten müssen mit ihren kranken Kindern von Klinik zu Klinik fahren, damit die irgendwo noch aufgenommen und behandelt werden. Auch die ambulante medizinische Versorgung der Kinder lässt zu wünschen übrig. Kinderarztpraxen sind restlos überfüllt, und Kinderärzte gehören schon seit Jahrzehnten zu den Medizinern, die am wenigsten verdienen.
Dem Betten- und Personalmangel für die stationäre Behandlung und Unterbringung kranker Kinder ging vor drei-vier Jahren die Verknappung von Entbindungsstationen voraus. Kreißsäle wurden geschlossen, Hebammen fehlten, und Frauen wurden zur Entbindung mit Krankenwagen in eine andere Stadt gefahren, weil es in den Kliniken vor Ort einen Aufnahmestopp für gebären wollende Frauen gab.

Das Gesundheitsmodernisierungsgesetz von 2003 hat auch die hygienischen Zustände in den Kliniken nicht verbessert, Krankenhauskeime fühlen sich dort noch immer gut aufgehoben. Patienten liegen im Flur, viele Gebäude sind veraltet, blutige Entlassungen, auch bei älteren und allein lebenden Menschen sind die Regel, Schließungen von Abteilungen, unterbesetzte Notaufnahmen, in denen PatientInnen vier oder auch acht Stunden warten müssen, Ärzte- und PflegerInnenmangel, drastische Unterfinanzierung der Kliniken - und das, obwohl die Zahl der Kinder und der älteren Menschen steigt - was seit Jahren bekannt ist!

Eine Ursache dieser krankenfeindlichen aber Investoren und private Krankenhausunternehmer bis heute beglückenden Zustände ist die Fallpauschale. Sie wurde vom Siegburger Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) auf bundesdeutsche Verhältnisse zugeschneidert. Die Aufgabe der GmbH, deren Gründungsmitglieder die Spitzenverbände der Krankenkassen, der Verband der privaten Krankenversicherungen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft sind, besteht darin, die stationären ärztlichen Leistungen mit den Krankenhäuser abzurechnen. Im Jahr 2010 erhielt InEK dafür 0,99 Cent pro "Fall". Ein Drittel davon bleibt bei der InEK GmbH, 2/3 gehen an die Kliniken zurück.

Die Politik muss sofort handeln. Die Krankenhäuser müssen endlich bedarfsgerecht finanziert werden. Ausgaben für eine funktionierende medizinische Versorgung kranker BürgerInnen sind wichtiger, als 100 Milliarden für die Rüstung!