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Österreich: Alle Fraktionen einig: Führerscheinrichtlinie ist Altersdiskriminierung von 70+

Foto: H.S.

Österreich - 11.05.2023 - von Parlamentskorrespondenz

Der Vorschlag der EU-Kommission zur Einführung eines unionsweit gültigen digitalen Führerscheins stand heute auf der Tagesordnung des EU-Ausschusses des Bundesrats. Geht es nach der Kommission, soll es unter anderem zu einer 15-jährigen Befristung der Lenkerberechtigung kommen. Für Senior:innen über 70 Jahre wird eine Verringerung der Gültigkeit auf fünf Jahre angedacht. Die Fraktionen waren sich darüber einig, dass es sich bei einer solchen Lösung um Altersdiskriminierung handle. Kritisch äußerte sich im Ausschuss auch der Vertreter des Verkehrsministeriums, der von einer komplexen Materie mit umfassenden Änderungen sprach. Viele Details dazu seien noch offen. Das betrifft etwa die Art und Weise der Fahrtauglichkeitsüberprüfungen.


Vorschlag zur Einführung eines unionsweit gültigen digitalen Führerscheins

In ihrem umfangreichen Vorschlag über eine unionsweite Führerscheinreform plant die EU-Kommission die Einführung eines EU-weit gültigen digitalen Führerscheins mit einer Gültigkeitsbegrenzung von 15 Jahren. Anstatt eines Arztgutachtens soll es zu einer medizinischen Selbsteinschätzung kommen. Für Senior:innen ab dem vollendeten 70. Lebensjahr ist eine Verringerung der Gültigkeit auf fünf Jahre angedacht. Die Frist für den verpflichtenden Umtausch von vor 2013 ausgestellten Führerscheinen soll laut den Plänen der Kommission um drei Jahre verkürzt werden, nämlich auf den 19. Jänner 2030. Weitere Vorhaben sind etwa Regelungen zur gegenseitigen Anerkennung des Entzugs der Lenkberechtigung, ein erleichterter Umtausch des Führerscheins aus einem Drittland sowie die Einführung einer Ausbildungsform des begleitenden Fahrens ab dem 17.Lebensjahr für die Klassen B und C.

Die Einführung eines unionsweiten digitalen Führerscheins wird seitens des Verkehrsministeriums kritisch gesehen. Es handle sich um eine komplexe Materie mit umfassenden Änderungen, viele Details dazu seien noch offen, betonte ein Experte des Verkehrsressorts im Ausschuss. So müsse etwa sichergestellt werden, dass niemand mit einem physischen Führerschein weiterfährt, obwohl der digitale Führerschein bereits abgenommen wurde. Weiters soll keine fixe Frist für ein Inkrafttreten gesetzt, sondern eine zeitlich flexible Lösung angestrebt werden, so die österreichische Position. Abgelehnt wird auch die Verkürzung der Umschreibeverpflichtung alter Führerscheine bis zum Jahr 2030. Der Umtausch von "Millionen von Lenkerberechtigungen" werde eine große Herausforderung für die Behörden, so der Experte.

Zur Art und Weise der Überprüfung der Fahrtauglichkeit seien noch wesentliche Fragen unbeantwortet, heißt es aus dem Verkehrsministerium. Der Richtlinienentwurf spreche nicht von einem ärztlichen Gutachten, obwohl dies die einfachste Variante wäre. Man könne etwa auch Fahrsicherheitstrainings andenken. Was die fünfjährige Gültigkeitsdauer des Führerscheins ab 70 Jahren betrifft, sei unklar, ob ab diesem Zeitpunkt eine ärztliche Untersuchung oder eine andere Maßnahme zwingend vorgesehen werde. Zudem gelte es zu prüfen, ob dadurch die Mobilität der Landbevölkerung auf problematische Art und Weise eingeschränkt werde. Da es laut dem Vertreter des Ressorts hier viel Kritik gegeben habe, sei gerade ein Kompromissvorschlag in Diskussion, der eine Einschränkung der Gültigkeitsdauer ab 75 Jahren andenke.

Für den Experten der Wirtschaftskammer (WKO) handelt es sich um ein umfangreiches und komplexes Vorhaben, das große Auswirkungen auf das nationale Recht habe. Es sei aus Sicht der österreichischen Wirtschaft zu begrüßen, dass das begleitete Fahren auch für die Führerscheinklassen C (LKW) eingeführt werden soll, die WKO plädiere für die selbe Regelung für die Klasse D (Autobusse). Auch die Anerkennung von ausländischen Lenkerberechtigungen sowie die Erhöhung der Gewichtsbeschränkung auf 4.250 kg (nur für alternative Antriebe) für die Klasse B bewertete der WKO-Vertreter positiv.

"Die Befristung für Senioren:innen ist eine absolute Altersdiskriminierung", betonte Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S). Dem schlossen sich Stefan Schennach (SPÖ/W) und Michael Bernard (FPÖ/N) an. Es sei nicht erwiesen, dass die Unfallhäufigkeit unter Senior:innen höher ist, zudem seien diese in ländlichen Bereichen auf ihr Fahrzeug angewiesen, so Gitschthaler. Für Schennach hat der Vorschlag zwar "viel Licht", neben der angesprochenen Altersdiskriminierung dürfe es jedoch nicht zu einem erleichterten Führerscheinzugang für die sozial stark benachteiligte Gruppe der Berufskraftfahrer:innen kommen. FPÖ-Mandatar Bernard befürchtete eine Ausweitung der ärztlichen Untersuchungen, ähnlich der Regelung für LKW-Lenker:innen, für alle PKW-Fahrer:innen.

Laut Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W) ist es sinnvoll, wenn es zur Beibehaltung der Lenkerberechtigung regelmäßige Überprüfungen gibt. Um eine Altersdiskriminierung zu verhindern, könnten medizinische Untersuchungen schon ab einem jüngeren Alter beginnen. Diese seien jedoch mit hohen Kosten verbunden, so der NEOS-Bundesrat.

Quelle: Parlamentskorrespondenz Nr. 513 vom 10.05.2023