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Reise in die Gegenwart der Vergangenheit

Foto: H.S.

17.10.2023 - von Hartmut Jeromin

Nun (16.09.23) ging es also los, die Reise nach Nordost-Polen: Zuganreise nach Danzig/Gdansk, machbar. Mein Neffe F., war am Bahnhof, Zug pünktlich. Hotel im Zentrum. Dann Abendbummel. Alle Kneipen voll! Am nächsten Tag „Stadtführung“. Jede Menge Fußmarsch: Zu altem Gemäuer, frisch renoviert. Zum Rathaus, zu Kirchen, alle katholisch, mir etwas fremd, weil Ostpreußen vorwiegend evangelisch war, aber auch multireligiös, s. „Altgläubige “… und jede Menge Patrizierhäuser.
Sehr alte Geschichte! Handelszentrum seit der Hanse, Reichtum ohne Ende. Aber auch jede Menge Kriege und damit Kontributionen und Plünderungen, z.B. durch Napoleon. Wirtschaftlich ein ständiges auf und ab, jeder Landesfürst wollte mitverdienen! Jetzt also Flaniermeile für jede Menge Jugend. Auf dem Land lebt die ältere Bevölkerung, vor allem von Landwirtschaft. Auch die Forstwirtschaft floriert.

Ab ins eigentliche masurische Polen: Überall die roten Backsteinbauten aus der Zeit der Ordensritter, Kirchen, Burgen, Festungen, Zehentscheunen, Stadtmauern … Sowas gehörte damals dazu.
Zunächst an der Weichsel ein Flachland wie in Holland, es hieß auch Neu-Holland. Dann, wie auch in Norddeutschland, der „Nördliche Landrücken“ mit Resten der Eiszeiten. Alleen ohne Ende, Laubwälder, Nadelforsten. Bestes Mitteleuropa.

Wir tauchten also ein in die Erzähllandschaft meiner Vorfahren. Es stimmte alles. Auch das Frische Haff war noch da mit dem Kopernikusort Frombork. Aber dann gab es da nördlich eine Grenze, Bewaffnete fragten uns nach dem Wohin, Woher. Hinter Goldap ging es noch weiter in eine sehr bewegte Moränen-Landschaft, mit alten Eisenbahnviadukten, Hügeln und Seen. Vor allem landwirtschaftlich geprägt. Mittendrin dann Heilige Linde, Steinort, Rastenburg, Allenstein, Lötzen, Arys … durch EU-Förderungen touristisch alles sehr erschlossen. Unterkünfte also vom Feinsten. Besonders aber die Küche! Meine Mutter kochte schon gut, aber die Polen … Sauregurkensuppe zum Beispiel.

Museal auch alles sehr erschlossen, leider keine Saison mehr und leider kaum deutsche Beschriftungen. Eine Ursache: s. Andrzej Stasiuk: „Grenzfahrt“. Hier vergibt sich Polen etwas von seiner Gastfreundschaft. Geschichte kann man durch Verweigerung nicht ungeschehen machen! Da es in der EU eine Freizügigkeit gibt, könnte sich das eventuell demnächst ändern?

Ich wurde aber bestens mit Informationen versorgt durch meinen “weltbefahrenen“ Neffen. Damit nun auch in die Urheimat, die „Johannisburger Heide“. Von den Kriegsereignissen nichts mehr zu sehen, weil Wald darüber gewachsen war, seit 110 und dann nochmals seit 80 Jahren … aber mit F. und seiner Ortskenntnis fanden wir sowohl das Walddorf Klein Pasken als auch den dazugehörigen Friedhof, mit Familiengräbern, einschließlich des Familiennamens und der Verwandten. Auch Sowirog war im Wald zu erahnen (s. Ernst Wiechert: „Die Jerominkinder“), in sein Museum in Kleinort konnten wir leider nicht hinein. Dann noch der Ort, in dem weitere Familienzweige lebten). Eine runde Sache.

Diese Reise mit meinem Vater? Dazu hätte er mindestens 120 Jahre leben müssen. Schade trotzdem! Ernst Wiecherts Buch: „Das einfache Leben“ ist ein später Ersatz.

Es war also auch eine Reise in die Vergangenheit, besonders dann in der Hauptstadt Warschau wurde mir deutsche Kriegführung besonders nahe gebracht. Und die Zukunft klopft auch schon wieder an in der Ukraine! Obwohl es ja lange Zeit Konsens war: Nie wieder Krieg! So denkt immer noch Hartmut Jeromin und ich meine, nicht nur er?

Quelle: Hartmut Jeromin, Oktober 2023