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14.11.2017 - von H.S.
Die "Jahresgemeinschaftsstatistik der Versicherungsunternehmen über den Schadenverlauf in der KFZ-Haftpfichtversicherung" für das Jahr 2016 ist noch nicht veröffentlicht, aber die neuen Prämien-Rechnungen für 2018 verden von der Assekuranz schon verschickt. (Die Ergebnisse der Statistik sind gemäß § 9 Abs. 3 PflVG jährlich von der BaFin zu veröffentlichen.) Und wie seit dem Jahr 2006, werden es wieder die älteren AutofahrerInnen sein, die sehr viel mehr für ihre Versicherung bezahlen müssen als Autofahrer, die noch nicht das 60iste, 70igste, 80igste oder 100. Lebensjahr erreicht haben.
In der Bafin-Statistik aus dem Jahr 2012** wurde noch das Nutzeralter der Versicherten und die damit korrelierte Schadenanzahl in den folgenden unterschiedlichen Altersgruppen zusammengefasst:
unbekannt , (!!!)
17 bis 18 Jahre,
19 Jahre,
20 Jahre,
21 bis 22 Jahre,
23 bis 24 Jahre,
25 bis 26 Jahre,
27 bis 41 Jahre,
42 bis 62 Jahre,
63 bis 67 Jahre,
68 bis 70 Jahre,
71 bis 72 Jahre,
73 bis 74 Jahre,
75 bis 76 Jahre,
77 bis 78 Jahre,
79 bis 81 Jahre,
82 Jahre und mehr,
Die Gemeinschaftsstatistik kennt seit dem Jahr 2015*** KEIN kalendarisches Alter mehr. Stattdessen gilt nun ein "diffenziertes Nutzeralter". Das wurde emittelt "aus dem Alter des jüngsten Nutzers und dem Alter des Versicherungsnehmers". Dadurch hat sich bei den PKWs aber nichts an den bislang ausgewiesenen Altersgruppen geändert. Es fällt auf, dass anders als z.B. bei Leichtkraftrollern, Leichtkrafträdern, Trikes oder Quads für alle Typen von LASTKRAFTWAGEN weder eine differenziertes noch ein normales Alter der Fahrer angegeben wird.
Die einen sagen: KFZ-Versicherungen betreiben Altersdiskriminierung
Lesen Sie dazu einen Bericht im Weser Kurier vom 29.10.2017. Zitiert wird darin der Bremer Pensionär Rainer Schäffer und der Bürgerschaftsabgeordnete und Verbraucherschützer Arno Gottschalk. Link
Ein weiterer Bericht aus der Saarbrücker Zeitung unter: Link
Die anderen behaupten: Höhere KFZ-Prämien für SeniorInnen sind gerecht
Das ist Tenor in der Mehrheit aller Veröffentlichungen. Auf der Startseite von GMX stand z.B. am 30.10.2017 um 14.30 unter der Rubrik "AUTOService" ein Text, der die Funktion hatte, die teuren Tarife für über 65Jährige Autofahrer zu rechtfertigen.*
Angekündigt wurde der Beitrag mit den schuldzuweisenden Sätzen: "Gefahr für sich und andere. Rentner am Steuer machen Ärger und verteuern die KFZ-Versicherungen". Der dazugehörende Artikel hat die Überschrift: Senioren am Steuer - eine wachsende Gefahr vor allem für sich selbst Es folgt ein Schwall abwertender, unbewiesener und auch falscher Behauptungen über Autofahrer, die alt sind. "Immer mehr alte Menschen verunglücken im Verkehr." Ob es sich dabei um Fußgänger, Traktorfahrer, Fahrerinnen oder PKW-Fahrer handelt, bleibt im Dunkeln. "Die Zahl der in Autounfälle mit Verletzten oder Toten verwickelten Menschen über 65 hat sich im Laufe von 25 Jahren mehr als verdoppelt - obwohl die Zahl der Unfälle insgesamt zurückgegangen ist. Ein Drittel aller Verkehrstoten sind Senioren, obwohl sie nur ein gutes Fünftel der Bevölkerung stellen." Ursachen dafür werden auch genannt.
1. "Ein Faktor ist schlicht der demografische Wandel - die Zahl der alten Menschen wächst."
2. "Und abgesehen davon ist die ältere Generation heutzutage sehr mobil." Zur Ehrenrettung älterer Autofahrer wird ein Allianz-Mitarbeiter zitiert. Der spricht aber nicht über Auto fahrende SeniorInnen, sondern über Senioren im Straßenverkehr. Die aber "seien "keine besondere Gefährdergruppe für andere im Straßenverkehr", so Jörg Kubitzki, Unfallforscher im Allianz Zentrum für Technik . "Im Vergleich zu anderen Altersgruppen sind sie unterdurchschnittlich häufig in Unfälle mit Personenschäden verwickelt. Es ist eher so, dass Senioren sich vor allem selbst gefährden, wenn sie verunfallen." So schlimm kann es mit der Selbstgefährdung aber nicht sein, denn der nächste Satz heißt: "Die Zahl der Verkehrstoten ist in den vergangenen Jahrzehnten in allen Altersgruppen gesunken, auch bei den Senioren."
Diese Behauptung wird im nächsten Satz jedoch gleich wieder zurückgenommen. Jetzt heißt es: "Doch ihr Anteil an den tödlichen Unfällen steigt und steigt: 1991 war jeder sechste Verkehrstote über 65 Jahre alt, 2016 bereits jeder dritte." Bei den Verkehrstoten wurden wohl auch Zweiradfahrer mitgezählt, denn weiter geht es im Text mit dem Satz: "2016 starben 393 Menschen in Deutschland bei Zweiradunfällen, davon 232 Senioren - ein Anteil von fast 60 Prozent.
Nun folgen die Sachschäden, die Senioren angeblich verursachen, und wieder kommt der Mann von der Allianz zu Wort: "Da die von Senioren verursachten Unfälle steigende Kosten verursachen, hat die Versicherungsbranche in den vergangenen Jahren flächendeckend reagiert: Im Rentenalter ist die Kfz-Versicherung teurer als für Menschen mittleren Alters. Wenn es um die Masse dieser Sachschäden geht - Parkrempler und dergleichen -, sind Senioren durchaus auffällig. Auffällig wegen ´Parkremplern`? Drastische Prämienerhöhungen wegen Parkremplern??? Dem Allianz-Mann springt ein Vorstandsmitglied der HUK-Coburg mit der nebulösen Äußerung bei: "Weil Lebensalter und Schadenrisiko so eindeutig zusammenhängen, sind Zuschläge für ältere Fahrer nicht nur gerechtfertigt, sondern auch gerecht".
Fallbeispiel: Rechnung der HUK-Coburg 011/ 2017
Anmerkung: Der Versicherungsnehmer hat die Versicherung NICHT in Anspruch genommen, er hat keinen Schaden verursacht!
"KFZ-Haftplichtversicherung Classic-Tarif, ohne Rabattschutz, ohne Schutzbrief, ohne Kaskoversicherung, ohne Fahrerschutz ( Nicht versichert ist der Personenschaden des Fahrers, den er bei einem selbstverschuldeten Unfall am Steuer erleidet.), kein Auslandsschutz (Nicht versichert ist der zusätzliche Schutz bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall im Ausland, bei dem wir Ihren Schaden anstelle des ausländischen Unfallgegeners ersetzen.), kein PLUS Baustein Unfallmeldedienst. Ihr Jahresbeitrag (incl. 19% Versicherungssteuer von 71,46 €) 447,56 €. Bisheriger Beitrag: 426,06 € "
Warum ändern sich die Beiträge? Begründung der HUK
"Wir mussten für die Schadenfälle mehr leisten als absehbar war. Wesentlicher Grund sind die erneut stark gestiegenen Kosten für Ersatzteile. Auf der Grundlage unserer vertraglichen Vereinbarungen passen wir die Beiträge der aktuellen Schadenentwicklung an. Dabei werden wir die anerkannten Grundsätze der Versicherungsmathematik und der Versicherungstechnik an. Wir haben deshalb Ihren Beitrag in der KFZ-Haftpflichtversicherung erhöht."
(Will sagen: Weil die Ersatzteile teurer geworden sind, steigt die Prämie!)
Einstufung:
"KFZ-Haftpfllichtversicherung: Bisher SF-Klasse 24, Beitragssatz 25%; neu SF Klasse 25, Beitragssatz 24%. Bei der Festlegung der neuen SF-Klassen konnten wir nur Schäden berücksichtigen, die uns bis Mitte Oktober gemeldet wurden. Nach diesem Zeitpunkt gemeldete Schäden führen zu einer nachträglichen Änderung der ausgewiesenen SF-Klasse."
b]Tarifierungsmerkmale[/b]
"Jährliche Fahrleistung: 20.000 km
Fahrer: Versicherungspartner und/oder Ehepartner bzw. Lebenspartner im gemeinsamen Haushalt, deren Kind(er) und weitere Personen
Fahreralter: Mindestens 25 Jahre
Wohneigentum: Kein selbst bewohntes Wodhneigentum vorhanden
Regelmäßiger Stellplatz: Kein eigener Stellplatz
Nutzung: Ausschließlich privat
Erstzulassung: 06/2007
Zulassung: Seit 10.2013 auf Versicherungsnehmer
Fahrzeugtyp: Gemäß Hersteller- und Typ-Schlüssel-Nr.
Versicherungsnehmer: Geburtsdatum 18.6. 1947
Berufliche Tätigkeit: Angaben berücksichtigt
Kfz-Haftplichtvers. und Kasko: Kfz-Haftplichtversicherung besteht, Kasko nicht
Hinweis: Bitte denken Sie daran, uns Änderungen zu Tarifierungsmerkmalen mitzuteilen."
Weitere Berechnungsgrundlagen
"Zahlung: jährlich
Kfz-Haftplichtversicherung: Tarifgruppe B, Region: Wohnsitz des Halters"
Altersdiskriminierung, KFZ-Versicherungen und das Gesetz
Als 2006 das Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz im Parlament der schwarz/roten Bundesregierung mit Mehrheit verabschiedet wurde, hatten es die Lobbyisten der Versicherungen erreicht, dass vom ursprünglich vorgesehen Verbot der Altersdiskriminierung bei Versicherungsverträgen so gut wie nichts mehr übrig geblieben ist.
Maßgebend dafür sind:
§ 19 Zivilrechtliches Benachteiligungsverbot (AGG (1) 2.
(1) Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die
2. eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben, ist unzulässig.
und
§ 20 (2) Zulässige unterschiedliche Behandlung
(1) Eine Verletzung des Benachteiligungsverbots ist nicht gegeben, wenn für eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion, einer Behinderung, des Alters, der sexuellen Identität oder des Geschlechts ein sachlicher Grund vorliegt.
(2) .... Eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität ist im Falle des § 19 Abs. 1 Nr. 2 nur zulässig, wenn diese auf anerkannten Prinzipien risikoadäquater Kalkulation beruht, insbesondere auf einer versicherungsmathematisch ermittelten Risikobewertung unter Heranziehung statistischer Erhebungen.
* Der Artikel wurde am gleichen Tag in den Stuttgarter Nachrichten und der Stuttgarter Zeitung veröffentlicht unter: Link
Mehr über die Jahresgemeinschaftsstatistiken erfahren:
**Jahresgemeinschaftsstatistik 2012 Link
Jahresgemeinschaftsstatistik 2015***: Link
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