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Mit 93 Jahren werde ich mit Du angesprochen

16.09.2017 - von Margret Krolow

Seit über 10 Jahren begleite ich als Nachbarschaftshelferin ältere Menschen. Teilweise war ich über mehrere Jahre an der Seite eines älteren zu begleitenden Menschen und ich habe diese Tätigkeit immer als Bereicherung empfunden. Einmal wegen der Kontakte, nicht nur zu der betreffenden Person, sondern auch zu der Familie, zu den Nachbarn und den Freunden. Allerdings muss ich auch zugeben, dass es nicht nur sonnige, sondern auch sehr schwere Momente gab.

Was mir nun aber auffiel. Als meine alte Dame in einem Seniorenheim der gehobenen Klasse wohnte, mehr oder weniger zwangsweise, weil die Betreuung zu Hause nicht mehr möglich war, wurde sie teilweise vom Pflegepersonal geduzt. „Nun werde ich mit 93 Jahren mit Du angesprochen“, sagte sie zu mir, und sie fand das nicht richtig.

Als ich im Fahrstuhl erlebte, dass das meist ausländische Pflegepersonal ebenfalls die älteren Menschen mit „Du“ anredete, sagte ich scharf, das heiße „Sie“. Daraufhin sagte eine junge ausländische Frau, das könne sie doch nicht wissen, sie sei ja Ausländerin. Daraufhin sagte ich, das müsse man lernen. Ich frage mich, warum bei der Einweisung der Pflegekräfte in den Arbeitsprozess nicht darauf hingewiesen wird, dass ihnen fremde, ältere Menschen mit „Sie“ angeredet werden sollten. Ich finde, das gehört zur Würde im Alter. Denn diese Generation hat sich auch oft mit Freunden gesiezt.

Quelle: Durchblick, September 2017