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Barmer behauptet: Über 70Jährige liegen zu lange im Krankenhaus rum

Laughlin. Foto: H.S.

02.08.2017 - von Hanne Schweitzer

Die Barmer Krankenkasse rechnet der desinteressierten Öffentlichkeit in ihrem aktuellen “Krankenhausreport” vor: Zwischen 2006 und 2015 sei die Zahl der über 70Jährigen PatientInnen um 80 Prozent, von 1,1 auf 2 Millionen Personen gestiegen. In Boulevardblatt-Manier versucht das Sozialstaats-Unternehmen zu skandalisieren, was ihm unter dem Begriff "demografische Veränderung" seit langem bekannt, aber deshalb noch lange kein Grund gewesen ist, vehement die ausreichende Anzahl von Fachbetten für Geriatrie in den Landkreisen zu fordern.

Um diese und andere Empörungen aus der Krankenkassen-Industrie unter die Leut´ zu bringen gibt es, neben vielem Anderem, das Internetportal gerechte-gesundheit. Das Portal beschreibt sich als eines, das seit Jahren die Debatte zu "Verteilungsgerechtigkeit" und "Ressourcenallokation" begleitet und die gesellschaftliche Diskussion" auf den Punkt" bringt.Finanziert wird es vom AOK Bundesverband und der AOK-Gesundheitskasse.

Unter der Überschrift: "Barmer sieht Fehlanreize in der Geriatrievergütung", kann man im Portal lesen: "Die Dauer der Behandlung (älterer Patienten) solle sich stärker am individuellen Bedarf des Patienten und an medizinischen Kriterien orientieren“. Vom Vorstandsvorsitzenden der Barmer, Herrn Straub, wird dieser Satz so interpretiert: "Kliniken können eine höhere Pauschale abrechnen, wenn ein Patient mindestens zwei Wochen lang stationär bleibt." Dieser "Fehlanreiz", müsse verschwinden, das koste zu viel. Straub wünscht sich, auch im Hinblick auf die Zahl der nachwachsenden Alten, mehr so etwas wie ein Rupp-Zupp-Prinzip: Rein ins Krankenhaus, unters Messer, zwei Tage Aufenthalt, dann raus.

Neue Strukturen entwickeln, um die Alten der Zukunft
"adäquat" und gewinnverträglich abzufertigen

Die Senkung der 14-Tage-Kosten-Pauschale für über 70Jährige ist nicht die einzige - gegen die Bevölkerung gerichtete - Forderung der Barmer. Für eine Art "Fehlanreiz" hält sie auch Kliniken, die nicht über mindestens fünf Fachabteilungen verfügen. Statt in kleinere Krankenhäuser zu investieren, um die ortsnahe Krankenhausversorgung merklich zu verbessern, will die Barmer sie dichtmachen. Nur noch in wenigen Kliniken soll fortan die ambulante und stationäre Behandlung erledigt werden. In der Online-Ausgabe der Süddetuschen Zeitung war am 26.10. 2016 davon die Rede, dass nur och 300 Kranknehäuser übrig bleiben sollen. Pro Jahr werden aber zur Zeit 20 Millionen PatientInnen aller Altersgruppe ambulant behandelt und 19,2 Millionen stationär aufgenommen!

Der Druck der Krankenhausschliessungs-Mischpoke ist stark, und die Gegenwehr der Noch-Gesunden so schwach, dass die künftige CDU/FDP-Regierung einer drastischen Reduktion der ortsnahen Krankenhausversorgung keine Steine in den Weg legen wird. Dann könnten, zwecks Stärkung der Binnenwirtschaft, Monsterkliniken (fehl)geplant und (fusch)gebaut werden. Mit gruseligen Bettentürmen und kajütengroßen Zimmern samt vorfabrizierten Plastiknasszellen und Normfenstern, die nicht zu öffnen sind. Drumherum oder drunter angelegt: Parkplatzbewirtschaftungszonen, Hubschrauberlandeplätze, Mikroappartements für´s Personal und viele viele Spezialgebäude mit langen langen Gängen.

Wer verdient an Krankenhauskonzentration und Leistungskürzungen?
Wer verdient :
- an der Kürzung der Verweildauer für über 70Jährige PatientInnen?
- an der Schließung kleiner und mittelgroßer Krankenhäuser?
- am Ausschlachten und Verhökern der anfallenden Krankenhausimmobilien?
- am Neubau von Großkliniken?
- am Einkauf des Klinikbedarfs?
- an der Ausbildung sämtlicher FachärztInnen und Pflegeschüler an wenigen Monsterkliniken?
- an den bakteriellen Müllhalden, die sich in den Großkliniken ein schönes Bakterienleben machen?

- Wer profitiert, wenn über 70Jährige, die nicht in einer Großstadt leben, in eine Ambulanz oder Bettenburg weit weg von zu Hause verfrachtet werden, wo niemand sie kennt und umgekehrt?
- Wer hat etwas davon, wenn die Beziehungen zwischen den PatientInnen und ihren Verwandten, Nachbarn und Freunden nichts mehr gelten?
- Wer steckt den Profit ein, wenn die "blutige Entlassung" von älteren PatientInnen zum Regelfall wird?
- Wem ist daran gelegen, die flächendeckende und wohnortnahe Erreichbarkeit von Krankenhäusern zu zerschlagen?

Nun, die Barmer hat ihre Absichten publik gemacht. Also bringen sie ihr etwas ein. Der AOK auch. Ihre Ausgaben für die Finanzierung des Portals (markt)gerechte-gesundheit zahlen sich aus.

Siehe dazu: Professoren fordern:1.600 Allgemeinkrankenhäuser schliessen! Link

Link: Phantompatienten, Gesundheitsfonds, Kopfpauschale: Her mit dem Geld
Quelle: Büro gegen Altersdiskriminierung