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Rentenpolitik: Welche Parteien sind wählbar, welche nicht?

Los Angeles, Foto H.S.

07.07.2017

"Wer aber einen Teil der Bürger begünstigt und einen anderen vernachlässigt, schleppt das Übel in das Gemeinschaftswesen ein" (Cicero, 106 - 43 v.Chr.)

Mit Delegationen aus den IG Metall Seniorenarbeitskreisen Schleswig-Holsteins, Dortmund und Bochum verteilten wir am 25. Juni den Appell an die Delegierten und Gäste des SPD Wahlparteitags vor der Westfalenhalle in Dortmund. Während der Parteitag lief, führten wir eine kleine Kundgebung durch, auf der wir stellvertretend für die Politiker aller Bundestagsparteien unsere 18.718 fache Erklärung: „Wer Rentner quält, wird nicht gewählt!“ an Vertreter des Bundesvorstand der Ausschüsse für Arbeitnehmerfragen (AfA) übergaben.

Der AfA-Bundesvorstands war mit großer Delegation aus dem Parteitag zu uns herausgekommen. Neben dem Vorsitzenden Klaus Bartel, konnten wir Udo Lutz (Baden-Württemberg), Kornelia Keune (Sachsen-Anhalt), Wolfgang Lorenz (Nordrhein-Westfalen), Irene Rudolph-Kokot (Sachsen), Lars Wendland (Brandenburg) und Michael Jung (Rheinland-Pfalz) begrüßen. Klaus Barthel erinnerte auch an die Rentenpolitische Tagung in Kiel, auf der sich Vertreter der Gewerkschaften, der LINKEN, der SPD (AfA) und des Sozialverbandes verabredet hatten, stärker gemeinsam für ihre rentenpolitischen Ziele zu kämpfen. Wolfgang Domeier übergab bei der Gelegenheit auch 42.000 Unterschriften, die er für seine Petition „Generationengerechtigkeit wieder herstellen – Die gesetzliche Rente solidarisch finanzieren!“ mit Unterstützung von CAMPACT gesammelt hatte.

Unsere Erklärungsunterschriften wurden nicht nur mit in die Westfalenhalle genommen. Michael Jung, AfA-Landesvorsitzender aus Rheinland-Pfalz nutzte den Rettungsring in einem Beitrag dazu, eine Erhöhung des Rentenniveaus in das Wahlprogramm zu fordern (leider noch ohne Erfolg).

Ansprache zur Unterschriftenübergabe (Reiner Heyse)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freunde,
wir wollen hier und heute 18.718 Unterschriften übergeben. 18.718 mal haben Menschen erklärt:
„Politiker, die nichts gegen die systematische Altersverarmung unternehmen, sind für uns nicht wählbar!“

Und wir wissen, hinter dieser Erklärung stehen sehr, sehr viel mehr Betroffene.
Diese Erklärung richtet sich an alle Parteien und Politiker, die im September zum Bundestag kandidieren.

Wenn wir alle Parteien meinen – Warum stehen wir dann ausgerechnet hier, vor dem SPD-Wahlparteitag?

Bevor ich darauf antworte, möchte ich die anderen Parteien würdigen…
Ich fange mal an mit der CSU:
Parteichef Seehofer hatte noch vor gut einem Jahr sein Vorhaben verkündet: „Höhere Altersbezüge für alle – und die Rückabwicklung der Riester-Rente.“ Und „Bei der Reform müsse der gesetzliche Anteil an der Rente im Zentrum der Überlegungen stehen.“
Diese Worte hatten keine 4 Wochen Bestand, dann kam der Landesgruppensprecher im Bundestag Straubinger und erklärte Seehofers Worte für einen Schmarren. Die CSU würde den einmal eingeschlagenen Kurs im Bundestag nicht verlassen. Das wurde auf dem CSU Parteitag im Oktober dann auch so bestätigt. Übrigens ist Herr Straubinger Generalvertreter der ALLIANZ in Niederbayern und kassierte innerhalb von zwei Jahren 350.000 bis 550.000 € für seine wertvollen Dienste.
Wir haben aus den Reihen der CSU-Kandidaten auch keine abweichende Meinung gelesen.
Also: die Partei steht geschlossen für die Fortsetzung des Kurses zur Altersverarmung.
Die CSU ist nach unseren Kriterien nicht wählbar.

Ich komme zur CDU:
Über unser Internet-Portal rentenpolitikwatch.de haben wir auf unsere fünf Fragen 30 Antworten von CDU Politikern erhalten. Allesamt erklärten sie den rentenpolitischen Kurs der letzten 15 bis 20 Jahre nicht korrigieren zu wollen. Es gab keine abweichenden Meinungen.
Und dass das so bleibt hat zuletzt Frau Merkel letzte Woche auf der Konferenz des BDI, des Bundes Deutscher Industrieller, bekräftigt:
«An der gesetzlichen Rente haben wir bis 2030 die Reformschritte eigentlich gemacht, die ich für notwendig erachte» und
«Es gibt aus unserer Sicht bis 2030 keine Notwendigkeit, das Rentensystem jetzt wieder zu verändern.» Also auch hier ein „weiter so“ bei der Politik zur Altersverarmung. Wir haben von keiner abweichenden Stimme in der CDU gehört.
Die CDUi und die Kandidaten sind nach unseren Kriterien nicht wählbar.

Auch bei der FDP sind die Aussagen ziemlich klar:
Es wird an der Rentenpolitik der vorherigen Regierungen festgehalten und zugleich eine noch stärkere Förderung der privaten Vorsorge gefordert. Konzepte gegen Altersarmut – Fehlanzeige. Stattdessen soll die Rente, Achtung neues Witzwort, „enkelfit“ gemacht werden. Und die Enkel werden fit gemacht, indem sie Unsummen in finanzmarktabhängige Versicherungsprodukte stecken – ihr ganzes langes Arbeitsleben lang. Auch bei der FDP haben wir keine abweichenden Aussagen wahrgehnommen.
Die FDP und ihre Kandidaten sind nach unseren Kriterien nicht wählbar.

Die GRÜNEN sind da differenzierter.
Auf rentenpolitikwatch.de haben wir von über 40% der Grünen Abgeordneten Antworten erhalten. Es gibt dabei unterschiedliche Stellungnahmen. Allen gemeinsam ist aber, dass sie die Erwerbstätigenversicherung einführen wollen.
Eine pauschale Antwort bzw. Wahlempfehlung zu den Grünen können wir nicht geben. Schaut auf rentenpolitkwatch.de nach, um euch ein Bild zu den einzelnen Kandidaten zu machen und entscheidet dann selbst.

Die LINKE ist wiederum einfach zu bewerten:
Über 2/3 der Abgeordneten haben uns geantwortet. Die Antworten waren aussagekräftig und haben einen hohen Deckungsgrad mit den Konzepten der IG Metall und ver.di und mit unseren Vorstellungen.
Sämtliche Antworten führen zu einer eindeutigen Aussage.
Die LINKE und ihre Kandidaten sind mit ihren rentenpolitischen Zielen wählbar.

Bleibt die SPD, zu der wir uns die Mühe gemacht haben sie heute hier zu besuchen…
Das hat leichte Unruhe ausgelöst bei so manchen Vorstandsmitgliedern – sowohl der SPD als auch den Gewerkschaften. Wollen die etwa die SPD in die Pfanne hauen und die politische Konkurrenz schonen? Das wollen wir nicht. Wir schonen keinen – auch nicht die SPD.
Wir sind auch nicht hier um gegen den Auftritt des Agenda 2010-Kanzlers Schröder zu protestieren. Obwohl das eigentlich Anlass genug wäre, denn er hat uns ja den ganzen Schlamassel eingebrockt. Aber wenn der SPD-Vorstand sich diesen Bärendienst leistet, ist das seine Sache.
- Wir sind hier, weil wir die Verhältnisse in diesem Land geändert sehen wollen.
- Wir wollen ganz besonders, dass die Rentenpolitik wieder geändert wird.
- Wir wollen, dass die gesetzliche Rente wieder die allein tragende Säule für auskömmliche Renten wird. Dazu gehört eine kräftige Erhöhung des Rentenniveaus, die mindestens die Kürzungen der letzten 20 Jahre ausgleicht.
- Wir wollen, dass die Unzahl von Gesetzen die zu Lasten der Versicherten und der Rentner beschlossen wurden korrigiert werden – zu einem großen Teil wieder in den alten Stand gesetzt werden.
- Wir wollen, dass die teure staatliche Förderung der privaten Vorsorge, die nur den Versicherungen sichere Profite bringt, eingestellt wird.
- Wir wollen, dass die Renten endlich armutsfest gemacht werden und eine Mindestrente gezahlt wird, die mindestens in Höhe der Armutsschwelle liegt.
- Wir wollen, dass die Drei-Klassen-Altersversorgung endlich durch eine Erwerbstätigenversicherung ersetzt wird, in die alle einzahlen und die gleichen Versorgungsansprüche erhalten.
- Und wir wollen, dass die unterschiedlichen Renten in Ost und West angeglichen werden, ohne dass es zu Benachteiligungen kommt. Weder für die jetzigen noch für die zukünftigen Rentnerinnen und Rentner in den neuen Bundesländern. Meine Güte: nach fast 30 Jahren Einheit reden wir immer noch von „neu“.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freunde;
Wir wissen, dass wir mit dem was wir wollen in der SPD viele Mitstreiter haben. Diese Kräfte wollen wir stärken und sie ermutigen Mehrheiten in ihrer Partei zu erstreiten.
Es gibt sehr gute Beschlüsse von Parteigliederungen zum Beispiel den Landesverbänden NRW, Bayern, Bremen und Schleswig-Holstein.
Es gibt sehr gute Beschlüsse bzw. Positionspapiere der Ausschüsse für Arbeitnehmerfragen, der sozialdemokratischen Frauen, der 60+ Ausschüsse, der Jungsozialisten.
- Wir hoffen, dass diese Positionen Mehrheiten finden in der SPD und damit Bündnisse ermöglicht werden mit Sozialverbänden, Gewerkschaften und anderen Organisationen und Parteien.
- Wir hoffen, dass damit die entscheidenden parlamentarischen Mehrheiten geschaffen werden können. Dass damit eine Regierung ermöglicht wird, die soziale Gerechtigkeit und Solidarität in der Gesellschaft wieder durchsetzt.

Aber wir wissen auch: Eine auf Generationengerechtigkeit und Generationensolidarität basierende umlagefinanzierte Rente hat mächtige Gegner. Gegner, die Gelder aus der gesetzlichen Rentenversicherung abzweigen wollen, um damit profitable Geschäfte für den eigenen Konzern zu generieren.
Die Summen, um die es dabei geht , sind unvorstellbar hoch. Aktuell sind es wohl angepeilte 50 bis 60 Milliarden im Jahr. Über Jahre angesammelt kommen da Kapitaltöpfe zusammen, die in der Summe an 1 Billion € herankommen.
Die Gegner einer solidarischen Rentenversicherung sind mächtig. Sie haben enorme Möglichkeiten zur Beeinflussung von Meinungen, Institutionen und Regierungshandlungen und damit auch Parteien.

Es ist gut, wenn wir das nicht vergessen. Wir brauchen einen langen Atem und wir sollten auf der Hut sein, uns nicht spalten zu lassen, sondern unter uns nach Gemeinsamkeiten suchen.

In diesem Sinne: Packen wir es an – Glück Auf!

Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=8091
Quelle: Reiner Heyse 28. Juni 2017