Marokko, Foto: H.S.
23.05.2017
Das akademische Linksmilieu, die opportunistische Sozialdemokratie und die kriegshetzerische Grünpartei wundern sich von Wahlschlappe zu Wahlschlappe darüber, dass sie bald keiner mehr wählt bzw. dass so viele gleich ganz daheim bleiben.
Ein Grund für das Alles, der zumindest im Linksdiskurs allmählich dämmert, liegt darin, dass der edle Kampf für den Flüchtlings-Familiennachzug und gegen die Wieder- Abschiebungen eben so wie die dringend benötigten gender gerechten Toiletten an Universitäten Luxusprobleme sind, die den unfrohen Alltag im Merkel-Schäuble-Deutschland im Kraft-Jäger-NRW nicht betreffen.
Ein gutes Beispiel sind die Ignoranz und das Desinteresse der „kritischen“ Politikgourmets an dem humanitären Drama, das sich seit Jahren – nein, nicht am sonnigen Mittelmeer -, sondern im finsteren Sektor Transport und Logistik abspielt. Dort werden hunderttausende von EU-Heloten und BRD-Niedriglöhnern von optimal verschachtelten deutschen Logistik-Konzernen und von final abhängigen südosteuropäischen Sub-Speditionen hemmungslos ausgebeutet: Jedes Wochenende zu besichtigen in Gestalt der stehenden Lkw-Kolonnen und zusammen gefahrenen Lkw-Burgen auf den überfüllten Autobahnraststätten und Autobahnparkstreifen.
Aber nicht einmal dafür reicht die „soziale“ Vigilanz des Linksmilieus, wenn die nette Patchwork-Familie mit dem europagesinnten Bachelornachwuchs auf dem Weg in die Toscana (Sommerurlaub) oder in die Schneealpen (Winterurlaub) ist. Lkw’s sind für diese Leute nur Stauursachen, Parkplatzkonkurrenten und Umweltgefährder. Aber wehe, der fair gehandelte Bergmaus-Wollpullover für die Kreativgattin oder das neueste Smartphone für den dreitagebärtigen Jungbesserwisser sind nicht rechtzeitig im Shop oder an der Biohaustür.
Dass die Fahrarbeit auf den europäischen Autobahnen einer der schlimmsten Dumpinglohnsektoren des „Geschäftsmodell Deutschland“ ist, bei dem längst aus GPS, Mautelektronik und Fahrerassistenzsystemen ein „Fließband von oben“ mit ordentlich Elektrosmog im Fahrercockpit entstanden ist, wäre diesen „weltoffenen“ Lebensgemeinschaften, selbst wenn sie es wüssten, so was von egal. Ihr neuestes Gesinnungsanliegen sind jetzt die Nazigeneral-Kasernennamen.
Wahlklatschen für die parteipolitischen Karikaturen dieses Milieus sind nicht nur hart erarbeitet, sondern auch wohl verdient. Trotzdem ist es eine Katastrophe, dass diese Leute ermöglicht haben, dass Merkel jetzt auch noch Ministerpräsidentin von NRW wird.
Wer zum Thema Ausbeutung in der Fahrarbeit etwas lesen möchte:
Link
Infrastrukturkrise und Fahrermorbidität: Verkehrsinfrastrukturverfall, Gesundheitsausdünnung und Fahrernachwuchsmangel
Albrecht Goeschel
Hrsg. Accademia ed Istituto per la Ricerca Sociale
Verona September 2014
Weitere Artikel, nach dem Datum ihres Erscheinens geordnet, zum Thema
Analysen:
12.05.2017: Tarifpolitik und Armutspolitik
29.03.2017: Von der wohlfahrtsstaatlichen Raumentwicklung zur finanzkapitalistischen Länderkonkurrenz
24.03.2017: Armutsberichterstattung + Regelsatzanpassung für Ballungsräume: Das Beispiel München
Alle Artikel zum Thema
Analysen