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Kann man Wohlstand und Notstand messen?

Foto: GEW-Senioren Sachsen

17.05.2017 - von Hartmut Jeromin

Mit "sozialen Indikatoren" soll etwas gemessen werden. Manchmal scheint das nötig zu sein. Aber wer stellt die Frage, wer entscheidet über die Indikatoren, wer misst und wer interpretiert und verkündet das Ergebnis? Früher gaben die Säuglings-, die Kinder- und die Müttersterblichkeit Auskunft über die Lebensqualität an einem Ort.
Und heute? Materieller Wohlstand oder Notstand kann gemessen werden am Geld. Zum Beispiel am Bruttonationaleinkommen oder am Pro-Kopfeinkommen, beides sind Durchschnittswerte. Man kann den Notstand auch messen an der Armut im Land, so man sich das zutraut!

Was macht man mit der Aussage, dass 2015 immerhin 16% der „Alten“ arm waren, was ja bedeutet, dass sie weniger als 60% des Durchschnittseinkommens haben? Gleichzeitig steigen aber die Mietkosten und die für Energie, und die private Verschuldung nimmt zu. Viele kennen das, wenn der Überziehungskredit immer öfter in Anspruch genommen werden muß!

Die Zahl der Millionäre hat ein einem Jahr um 5% zugenommen. Da wird die Frage nach der Verteilungsgerechtigkeit zwingend, wenn man sich traut. Als Gegenstrategie läuft schon seit einiger Zeit eine Neiddebatte, dazu Vertuschung von Misswirtschaft, Verschleierung von und Zensur sowie Streichung entscheidender Aussagen des Berichtes!

Der soziale „Wohlstand“ kann auch gemessen werden daran, dass es vielen Leuten an Teilhaben können fehlt. Wenn Teilhabe fehlt fangen die Leute an, öffentlich und laut nachzudenken.

Der ökologische Wohlstand. Der hat für Vieles Bedeutung, die Grünen haben das erkannt und lebten politisch davon, von der Nachhaltigkeit, dem Pro-Kopf-Energieverbrauch.
Da gilt jeweils das Gesetz vom Minimum, gut erforscht beim Pflanzenwachstum:
Der Ertrag richtet sich nach dem Faktor, der im geringsten Maße zur Verfügung steht, dem Minimumfaktor, der alles begrenzt. Es gibt auch den Maximumfaktor: Der Ertrag lässt sich bei Optimierung dieses Faktors nur bis an eine bestimmte Grenze steigern, darüber hinaus wird alles weitere Verschwendung.

Also Frühableben durch Überversorgung, z.B. mit Medikamenten oder IGEL- Leistungen? Die Zahl der Patienten je zugelassenem Arzt sagt viel, aber nicht alles. Die Ergebnisse der Behandlungen, gemessen an der Gesundheit/ Sterblichkeit, sagen mehr, wenn man sie denn feststellen will und kann. Und ins Verhältnis setzt zu den Kosten! Ich brauchte kürzlich in der Grippewelle ärztlichen Beistand, aber das wurde schwierig.

Kann man diese Aussagen auf die Gesellschaft übertragen? Wohl nur zum Teil.

Die Lebenserwartung ist abhängig von biologischen Faktoren, wie Ernährung, Gesundheit (Kondition), auch von den Genen (Konstitution), aber natürlich auch von gesellschaftlichen Faktoren wie Beschäftigung, Arbeitsvermögen, Schulbildung, Wohnen, Zufriedenheit. Auf der Welt ist die Lebenserwartung zudem noch höchst verschieden verteilt, das wissen wir. Wer möchte schon in einem Land leben mit sehr geringer Lebenserwartung? Und ist die womöglich importierbar, „ansteckend“ gar? Mit Armuts-Flüchtlingen will nicht jeder gerne zu tun haben. Aber nun gibt es ja die Rettung aus der Misere mit der Lebenserwartung: Dresdener Forscher verhelfen dem Langlebigkeits-gen dank Insekten, Würmern und Mäusen zu besserer Wirkung. Also keine Probleme mehr im Alter? Na ja, noch gibt es diese vielen von Menschen gemachten Lebensverkürzer: Asbest, Tschernobyl, Strassenverkehr, Antibiotika im Fleisch. Auch die Natur kann mit einem Ruck viele Leben beenden… in Pompeji noch immer zu besichtigen.

Es muß also unterschieden werden in: vorhersagbar, vermeidbar, wesentlich, erkennbar…u.s.f.

Die Regierung lässt alle vier Jahre einen Armuts- und Reichtumsbericht erstellen, zuletzt, weil sie sich verpflichtet hatte, die Armut im Lande bis 2030 zu halbieren. Und zu zeigen, dass sie durch ihre Arbeit Sinnvolles für alle bewirkte. Das wäre in einem Wahljahr sehr hilfreich. Und wenn der Bericht nun aber anderes sagt? Z.B., dass Reichtum eine Voraussetzung ist für politischen Einfluss im Lande ist! Ja, dann muß natürlich zensiert werden, so geht’s einfach nicht gut.

Man streicht einfach Passagen aus dem Bericht*. Die Daten über den Reichtum fehlen. Die zukünftigen Ansprüche an die Rentenversorgung werden schon jetzt zum Haben dazugerechnet. Raffiniert! (s. 5. Armuts- u. Reichtumsbericht vom April 2017, ü. 500 Seiten!)

Und die "Wirtschaft": Sie ist die Grundlage jeden monetären Reichtums, den kann man verteilen, irgendwie. Denn Spielregeln gibt es nicht! Jeder, wie er kann und hat! Und wenn alle Propaganda nicht mehr hilft, wird die demografische Keule ausgepackt oder die Globalisierung vors Loch geschoben, dann sind wenigstens andere schuld, das die Verteilung so einseitig verläuft!

In einer wirklichen Volksherrschaft fängt es an mit der Erziehung der Kinder zum Teilen an, es geht mit Gerechtigkeit durch die Gesetzlichkeit weiter und hört noch nicht einmal mit der Gerechtigkeit im Todesfalle auf, denn der ist auch nicht gerade umsonst, wie schon mein Vater wusste!

Also: Her mit der Marie, jetzt oder nie, meint Hartmut Jeromin zu Ostern 2017

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* Unter dem link dokumentiert der Paritätische die ursprünglichen Ausführungen aus dem Entwurf des Berichts und macht Streichungen, die im Rahmen der Ressortabstimmung vorgenommen wurden, kenntlich. Das Kapitel bezieht sich wesentlich auf eine Studie von Lea Elsässer, Svenja Hense und Armin Schäfer, alle Uni Osnabrück, aus dem Jahr 2016. Link

Link: Alterssurvey: 80 Indikatoren kann man messen
Quelle: Mail an die Redaktion