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Dialyse: Fixierung nur nach Sicherheitsaufklärung

Köln, 2015 Foto: H.S.

07.04.2016 - von Christian Nubbemeyer, Pressedezernent

Oberlandesgericht Hamm konkretisiert die Anforderungen fbei Dialyse bei Patienten mit Einschränkungen. Bei der Dialyse von Patienten mit Einschränkungen können besondere Maßnahmen wie z.B. die Fixierung des mit der Dialysenadel versehenen Arms geboten sein, um eine lebensgefährdende Dislokation (Lageveränderung)
der Dialysenadel während der Behandlung von vornherein zu verhindern. Das hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts
Hamm am 16.02.2016 entschieden und damit das erstinstanzliche
Urteil des Landgerichts Arnsberg abgeändert.

Die beklagten Ärzte betreiben im Sauerland eine nephrologische Praxis. In der Praxis ließ ein 67 Jahre alter Patient aus Arnsberg dreimal wöchentlich eine Dialysebehandlung durchführen. Der Patient war aufgrund einer Diabeteserkrankung erblindet. Bei einer im Juni 2014 durchgeführten Dialysebehandlung löste sich eine der im linken Oberarm befestigten Dialysenadeln. Es kam zu einer Blutung des Patienten.

Nach dem Entdecken der Blutung wurde der Patient in der Praxis reanimiert und in ein Krankenhaus verbracht, in dem er am Folgetag verstarb. Er wurde von seiner Ehefrau, der Klägerin, und den gemeinsamen drei Kindern beerbt. Die Klägerin hat gemeint, der Patient sei von den Beklagten nicht ordnungsgemäß überwacht und zu spät notfallmäßig behandelt worden. Für die Erben hat sie Schadensersatz begehrt, u.a. ein Schmerzensgeld von 5.000 Euro.
Die Klage war überwiegend erfolgreich.

Der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat den Erben des Patienten 5.000 Euro Schmerzensgeld und ca. 2.700 Euro Beerdigungskosten zugesprochen. Die Dialysebehandlung der Beklagten sei, so der Senat nach medizinisch-sachverständiger Beratung, fehlerhaft gewesen. Die Beklagten hätten es versäumt, die in der besonderen Situation des blinden Patienten gebotenen Maßnahmen zu treffen, mit denen eine Dislokation der Dialysenadel von vornherein zu verhindern gewesen sei. Bewegungen eines Patienten könnten auch eine ordnungsgemäß befestigte
Dialysenadel abrutschen lassen. Eine derartige Dislokation der
Nadel sei zwar eine seltene Komplikation. Sie könne aber in kürzester Zeit zum Tod eines Patienten führen. Ein Patient könne in wenigen Minuten ausbluten. So habe der bei dem Verstorbenen für die Dialyse eingestellte Blutfluss zu einem Blutverlust von einem Liter in drei Minuten führen können. Da der Patient blind gewesen sei, sei es geboten gewesen, seinen linken Arm während der Dialysebehandlung zu fixieren.

Hiermit habe das Risiko einer Dislokation der Dialysenadel mit
sehr hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können. Aufgrund der Erblindung habe man sich beim Patienten nicht darauf verlassen können, dass er bei einem Blutverlust rechtzeitig Alarm auslöse.

Demgegenüber sei von einer Dialysepraxis eine dauerhafte Überwachung eingeschränkter Patienten aufgrund des damit verbundenen personellen und finanziellen Aufwandes nicht zu fordern. Nach den Ausführungen des Sachverständigen genüge auch bei Patienten, die nicht selbst Alarm auslösen könnten, in der Regel eine stündliche Kontrolle. Nur bei kreislaufinstabilen Patienten finde eine häufigere Kontrolle statt.

Dass eine Fixierung nicht gegen den Willen eines Patienten erfolgen könne, schließe die Schadensersatzpflicht der Beklagten im vorliegenden Fall nicht aus. Der Patient habe vor Behandlungsbeginn darüber aufgeklärt werden müssen, dass es im seltenen Fall einer Dislokation der Dialysenadel zu einem tödlichen Blutverlust kommen könne und dieses Risiko durch eine Fixierung des Arms nahezu ausgeschlossen werde (Sicherheitsaufklärung), so dass im Rahmen seines Selbstbestimmungsrechts über seine Einwilligung in die Fixierung habe entscheiden können. Eine derartige Sicherheitsaufklärung sei bei eingeschränkten, insbesondere blinden Patienten zwingend erforderlich, weil sie eine Dislokation voraussichtlich nicht bemerkten und selbst keinen Alarm auslösen würden.

Urteil des 26. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom
16.02.2016 (26 U 18/15)

Quelle: Oberlandesgericht Hamm