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Vergütungssystem für Krankenhäuser sorgt für Überversorgung

Leuven, 2015 Foto: H.S.

19.08.2015 - von Günter Steffen

1.980 Krankenhäuser wurden 2014 in D. betrieben. Wie das Statistische Bundesamt weiter mitteilte, wurden darin 19,1 Millionen PatientInnen behandelt, 1.9 Prozent mehr als 2013.

In den letzten drei Jahren Operationen an der Wirbelsäule um 35% und Eingriffe an der Bandscheibe um 25% angestiegen. Für Hüft- und
Knieoperationen werden Steigerungsraten von 27% angenommen.

Das DRG-Vergütungssystem (Diagnosis Related Groups) - diagnosebezogene Fallgruppen für Krankenhäuser sorgt für finanzielle Anreize und für eine Überversorgung. Diese Feststellung trifft für unser Land die internationale Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Dabei spricht sie von einem Überangebot von Krankenhausleistungen. Nicht nur aus medizinischen Gründen, so neutrale Fachleute, ergeben sich Jahr für Jahr unglaubliche Fallsteigerungen. Mittlerweile beträgt der Zuwachs zwischen 2005 und 2014 über 15%!

Nein, unsere Bevölkerungsanzahl hat nicht zugenommen, wir Bürger/-innen sind auch nicht kränker geworden. Wohl macht sich der Alterungsprozess bemerkbar, aber nur um wenige Punktzahlen.

Wenn selbst die OECD ein Überangebot feststellt, dann liegt es meines Erachtens in erster Linie an einer zu engen Zusammenarbeit in Fragen
der „notwendigen“ stationären Behandlungserfordernisse zwischen den niedergelassenen Orthopäden, Internisten u.a. und den örtlichen oder
regionalen Krankenhäusern. Natürlich sind es nur
Vermutungen der Fachleute, aber die kennen sich sicher besser aus als die Politik.

Das DRG-Fallpauschalen-System lädt darüber hinaus dazu ein, weitere Therapiemaßnahmen im Krankenhaus anzugehen, die im Laufe der Diagnostikabklärungen festgestellt wurden. In einem hohen Prozentsatz werden dann weitere Fallpauschalen zusammen mit der eigentlichen Einweisungserfordernis berechnet, nachdem die weiteren diagnostischen
Ergebnisse ebenfalls behandelt wurden.

Ist es da ein Wunder, dass die Einnahmen für Krankenhausleistungen und die für ambulante ärztliche Behandlungen aus den Beiträgen der
Gesetzlichen Krankenversicherung im Vergleichvon 2008 zum Jahr 2014 um insgesamt 23 Milliarden Euro angewachsen sind? Getrennt nach den beiden Bereichen sind in diesem Zeitraum jeweils 30% Ertragssteigerungen zu verzeichnen, die die Mitglieder der Krankenkassen gezahlt
haben.

Besonders erschreckend sind im Krankenhaus die jährlichen Komplikationsraten. In Fachkreisen geht man davon aus, dass Komplikationen im Schnitt bei 10% aller Eingriffe auftreten. Da kann man schon an den Begriff „Körperverletzung“ denken.

Leider scheint die Devise „Umsatz um jeden Preis“ im Medizinbetrieb Krankenhaus bereits weit verbreitet. Bei diesen Gegebenheiten kann man sich fragen, wie diese Entwicklung zu stoppen ist. Aus meiner Sicht sehe ich folgende Notwendigkeiten, die von der Legislative (Bund und Länder) veranlasst werden müssten:

Die Überversorgung ist nur zu beseitigen, wenn die jetzigen Strukturen der Krankenhauslandschaft wesentliche Änderungen erfahren. Solange aber die Bundesländer für eine flächendeckende Landesplanung zuständig sind, ist mit dem Abbau des Überangebotes nicht zu rechnen. Dazu würde in erster Linie die Beseitigung der Allgemeinen Krankenhäuser (Stadt- und Kreiskrankenhäuser) und die Schaffung einer flächendeckenden
stationären Schwerpunkt- und Fachversorgung gehören. Die zu schließenden Allgemeinen Krankenhäuser sollten möglichst in ambulante
Fachzentren umgewandelt werden.

Als weitere Änderung sehe ich die Notwendigkeit, die finanziellen Anreize durch eine grundlegende einheitliche Vergütungsneuregelung je Klinik zu ersetzen. Auf meiner Website (Link) habe ich diesbezüglich konkrete Vorstellungen näher beschrieben.

Die Parteien hören eigentlich derartige Vorstellungen mit Wohlwollen, sie werden aber von Ideologen, von der Kommunalpolitik und von Lobbyisten so beeinflusst, dass keine Änderungen ernsthaft diskutiert werden. Mich persönlich ärgert besonders, dass sich die von den Beitragszahlern gewählten Verwaltungsräte auch bei diesem Thema ausschweigen. Klar ist, der Beitragszahler bezahlt über seine Bruttoeinkünfte diese „Misere“, wenn sie auch gemildert wird durch tarifliche Gehaltsanhebungen und minimale Rentensteigerungen.

Link: Phantompatienten, Gesundheitsfonds, Kopfpauschale: Her mit dem Geld…
Quelle: Durchblick, 187 August 2015

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