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Frau von Arbeitsagentur aussortiert und alleingelassen

Lissabon, 2013 Foto: H.S.

18.07.2014 - von B.O.

Ich bin 51 Jahre alt und verheiratet, bin Diplom-Ingenieurin und habe drei Kinder groß gezogen. Durch die Geburt meiner Kinder habe ich am Arbeitsleben nicht teilnehmen können. Am Anfang hieß es von den Arbeitgebern, die Kinder seien zu klein und die Belastung durch eine Arbeitsaufnahme sei zu groß. Dann kam die Phase der fünf Millionen Arbeitslosen. Hier war es noch schwieriger, eine Anstellung zu finden, denn die kinderlose Konkurrenz war einfach zu groß. Dabei habe ich mich in dieser Zeit bemüht auch in artfremden Berufsfeldern Fuß zu fassen. Dies war ein hoffnungsloses Unterfangen, denn auf eine freie Stelle z. B. als Sachbearbeiterin kamen gleich hundert Bewerber und dort wurde ich als Mutter von drei Kindern gleich aussortiert. Als die Kinder dann später alt genug waren, wurde mir mitgeteilt, dass ich zu lange aus dem Berufsleben ausgeschieden sei und daher nicht dem Anforderungsprofil entspräche. Dabei habe ich mich stets weitergebildet, war sowohl im Bereich des Computers als auch im Bereich der Sprachen immer auf dem Laufenden.

Während der ganzen Zeit habe ich mich beim Arbeitsamt als suchend gemeldet. Ich hatte die Hoffnung, dass man mir dort helfen könnte, eine geeignete Anstellung zu finden. Obwohl ich von dort keine Bezüge erhalte, habe ich an allen Einladungen teilgenommen, dort immer wieder besprochen, was zur Verbesserung der Situation beitragen könnte. Allerdings bekam ich von dort keine geeignete Hilfestellung. Auch die spärlichen Stellenangebote, die mir von dort zugesendet wurden, waren wenig zielführend, da es sich zumeist um dieselben Arbeitgeber handelte, die ich bereits selber ausfindig gemacht hatte.

Seit meinem letzten Gespräch mit der Arbeitsamtagentur im Januar möchte man mich dort nun loswerden. Es hieß, der Druck käme von oben, man wolle die offiziellen Arbeitslosenzahlen noch weiter herunterbrechen. Meine Sachbearbeiterin erklärte mir, dass mein Studium nun zu lange her sei und man mich daher jetzt auch in weniger qualifizierte Stellen vermitteln würde. Sollte ich diese nicht antreten, drohten mir dieselben Konsequenzen wie Beziehern von Arbeitslosengeld. Ich habe daraufhin Vorschläge erhalten, als Kassiererin oder Verkäuferin zu arbeiten. Da ich an der Vermittlung derartiger Stellen nicht interessiert bin und auch finanziell keine Einbußen zu erwarten habe, wird man mich daher dort wohl bald ausgliedern.

Gemeldet war ich dort immer als eine Art politisches Signal und zwar in zweierlei Hinsicht. Erstens gehöre ich genau zu der Generation von Müttern, die wegen ihrer Kinder keiner Erwerbstätigkeit nachgehen konnte und zweitens als Zeichen, dass es in Deutschland eine Menge arbeitslose Personen aus dem Textilsektor gibt. Die Regierungen haben stets nur die Exportindustrie gefördert und dafür billigend in Kauf genommen, dass die komplette Bekleidungsherstellungsbranche ausgegliedert wurde. Hunderttausende dürften ein ähnliches Schicksal wie ich erlebt haben und als Fachidioten der Bekleidungsindustrie nur schwer eine neue Anstellung gefunden haben.

Ich fühle mich vielleicht nicht im eigentlichen Sinne diskriminiert, allerdings ziemlich alleingelassen mit der geschilderten Problematik. Dass die Mütterrente nun um einen Punkt erhöht wurde, ist ein erster guter Schritt in die richtige Richtung, aber eben auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein, denn von meiner Rente allein werde ich nicht leben können.

Die öffentlichen Diskussionen hierzu waren teils von so bösen Worten begleitet, dass ich mich davon manches Mal schwer gekränkt gefühlt habe. Ich empfinde es als eine bodenlose Frechheit, dass Mütter, die ihre Kinder später als 1992 geboren haben, mehr Geld erhalten, als jene mit Kindern vor dem genannten Datum. Noch schlimmer wiegt allerdings die Tatsache, dass Studien ergeben haben, dass kinderlose Männer um die 60 Jahre sich in dieser unseren Gesellschaft derart bereichern konnten, dass sie mit Abstand zu den wohlhabensten Bevölkerungsgruppen zählen, während wir Familien mit drei und mehr Kindern kaum die Gelegenheit hatten, Geld für das Alter zur Seite zu legen. Da ist offensichtlich in den letzten 40 Jahren etwas total schief gelaufen.

Bitte setzen Sie sich auch weiterhin für eine gerechtere Zukunft ein. Ich habe Ihnen meine Geschichte erzählt, damit Sie eine gute Grundlage haben, sich z. b. für die Gleichsetzung der Mütterrente, aber eben auch in allen Bereichen des Arbeitslebens einzusetzen. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg.

Link: Bundeswehr sucht Verwundetendarsteller bis 60!
Quelle: Mail an die Redaktion

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