30.09.2011 - von Hanne Schweitzer
Für "von Zeit zu Zeit auftretenden Personalbedarf" sucht die Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB) mit Sitz in Köln und bundesweit 889 Mitgliedsvereinen, auf ihrer Webseite (28.9.2011) "Bewerber" bzw. "Absolventen", "nicht älter als vierzig Jahre". Neben der Altersdiskriminierung (§ 6 AGG) enthält der Text auch eine Diskriminierung wegen des Geschlechts (§ 7 AGG). Frauen sind ausdrücklich nicht gemeint, wenn von Bewerbern oder Absolventen die Rede ist, Bewerberinnen und Absolventinnen werden nicht erwähnt. Auch bei den im Ausschreibungstext genannten konkreten Berufsbezeichnungen wird ausschließlich die männliche Form benutzt. Gesucht werden "Bauingenieure", "Mediendesigner", "Lehrer für islamischen Religionsunterricht".
Nun bestimmt § 9 AGG, dass unterschiedliche Behandlungen wegen der Religion dann zulässig sind, wenn die Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Das trifft auf Lehrer für islamischen Religionsunterricht dann zu, wenn Frauen diesen Beruf aus religiösen Gründen nicht ausüben dürfen/wollen. Bei Bauingenieuren oder Mediendesignern stellt das Mann-Sein eher keine gerechtfertigte berufliche Anforderung dar. Zahlreiche Gerichtsurteile, bei denen die katholische oder protestantische Kirche Klägerin oder Beklagte war, haben das bestätigt.
Kniffliger ist die Interpretation des ungewöhnlichen Einleitungstextes der DITIB-Stellenausschreibung. Er beginnt so: "Es erfreut uns zu sehen, dass mit der Zeit immer mehr unserer jungen Leute sich in den unterschiedlichsten Bereichen professionalisieren und in ihrem jeweiligen Arbeitsbereich erfolgreich sind. Wir, die Türkisch Islamische Union, würden dieses Potential gerne näher kennen lernen und bei der Deckung unseres von Zeit zu Zeit auftretenden Personalbedarfs bei der Erbringung von professionellen Dienstleistungen von ihnen profitieren. Dies kann sowohl in Form von fester oder befristeter Mitarbeit als auch auf Honorarbasis, Projekt bezogen oder auf ehrenamtlicher Basis sein."
Wer von "unsere jungen Leute" spricht, setzt eine Differenz voraus. Wenn es "unsere jungen Leute" gibt, existieren auch andere, die nicht "unsere" sind. Wer gehört dazu? Sind mit "unsere jungen Leute" Mitglieder der DITIB gemeint? Bezieht sich "unsere" auf türkische StaatsbürgerInnen? Gehören die sogenannten Deutschländer dazu? Meint "unsere" sämtliche Personen muslimischen Glaubens die, wie in der Ausschreibung erläutert, türkisch und deutsch sprechen und an einer bundesdeutschen Hochschule einen Abschluss gemacht haben? Kann sich also eine Person muslimischen Glaubens, welche die obigen Voraussetzungen erfüllt, aber die z.B. aus Turkmenistan, Marokko oder dem Sudan kommt, bewerben? Gilt das für religionslose Deutschtürken ebenso?
Im Kontaktformular zur Ausschreibung wird nicht nach der Religionszugehörigkeit gefragt. Abgefragt wird aber - und das zuallererst, noch vor dem Namen - die Nationalität. Ebenfalls wird auf dem Formular nach dem Namen des Vaters gefragt. Bezieht sich die Formulierung "unsere jungen Leute" also auf eine ethnische Zugehörigkeit?
Folgt man der Definition des Politikwissenschaftlers Ulrich Schneckener von Ethnie, trifft das zu. Laut Schneckener handelt es sich dabei um "eine Gruppe von Menschen, die durch verschiedene gemeinsame Eigenschaften wie Sprache, Kultur, Religion, Gebräuche etc. verbunden ist, bzw. sich verbunden fühlt, die ein bestimmtes Gemeinschaftsgefühl besitzt und sowohl in ihrer Selbst- als auch in der Fremdwahrnehmung durch andere als kulturell unterscheidbar gilt. Bei ethnischen Gruppen handelt es sich i.d.R. um Teilbevölkerungen innerhalb eines Staates, die sich in einer zahlenmäßigen Minderheitenposition befinden (z.B. Arbeitsmigranten, religiöse Gruppen, autochthone Volksgruppen, indigene Völker)".
Zur ethnischen Diskriminierung heißt es in der Richtlinie 43 der Europäischen Union in Artikel 4: Eine Ungleichbehandlung stellt KEINE Diskriminierung dar, "wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Rahmenbedingungen ihrer Ausübungen eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt."
Will sagen: Die ethnische Zugehörigkeit von Mediendesignern und Bauingenieuren ist (ebenso wenig wie Lebensalter und Geschlecht) weder eine gerechtfertigte berufliche Voraussetzung noch eine angemessene Anforderung.
In einem Offenen Brief, den der Vorsitzende der Türkisch Islamischen Union der Anstalt für Religion e.V., Professor Dr. Ali Dere, am 23.9.2011 an Papst Benedikt XVI. geschrieben hat, steht der Satz: "Religion kann in keiner Weise als Legitimation für Unterdrückung, Gewalt, Terror, Diskriminierung, religiöse und ethnische Ausgrenzung, Missachtung der Menschenrechte fungieren."
Das muss auch für Stellenausschreibungen der DITIB gelten.
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