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Direktversicherung: BSG B 12 KR 2/07 R v.12.12.07

12.12.2007

Das Bundessozialgericht hat am 12.12.2007 das folgende Urteil in Sachen Direktversicherung gesprochen:

Aus der nach dem 31.12.2003 erfolgten Kapitalzahlung einer Direktlebensversicherung sind Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlen. Unerheblich ist, dass die Beiträge nach Beendigung der Erwerbstätigkeit allein vom Beschäftigten als Versicherungsnehmer getragen worden sind.

Gründe:
I

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger aus der Kapitalzahlung einer Direktlebensversicherung Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlen hat.

Der Arbeitgeber des im Dezember 1943 geborenen Klägers schloss im Mai 1979 zu dessen Gunsten eine Kapitallebensversicherung ab. Die Beiträge zahlte zunächst allein der Arbeitgeber und nach dessen Insolvenz ab Januar 1988 allein der Kläger. Seit Februar 1998 bezieht der Kläger eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und ist bei der beklagten Krankenkasse pflichtversichert. Zum 1.5.2004 wurde ihm aus der Lebensversicherung eine einmalige Kapitalleistung in Höhe von 67.443,51 Euro ausgezahlt. Hierüber unterrichtete das Versicherungsunternehmen die Beklagte im Juni 2004.

Mit Bescheid vom 17.6.2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ein Betrag von 562,03 Euro monatlich, der sich bei Verteilung der Auszahlungssumme der Versicherungsleistung auf 120 Monate ergebe, der Beitragspflicht in der Krankenversicherung mit einem Beitragssatz von 13,7 % unterliege, und setzte den vom Kläger ab Mai 2004 aus der Kapitalleistung zu zahlenden monatlichen Beitrag in Höhe von 77 Euro fest. Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.2004 zurück. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 13.6.2006 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung seines Urteils vom 23.11.2006 im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe zutreffend die ausgezahlte Kapitalleistung der Beitragsbemessung zugrunde gelegt. Gegen die Einordnung der Zahlung aus der Direktlebensversicherung als Versorgungsbezug spreche weder die ab 1988 erfolgte Finanzierung allein durch den Kläger noch die Insolvenz des Arbeitgebers. Die Beitragspflicht verstoße auch nicht gegen Verfassungsrecht.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V sowie der Art 3 Abs. 1, Art 14 Abs. 1, Art 20 Abs. 2 und 3 des GG. Nach der Insolvenz seines Arbeitgebers habe der Lebensversicherungsvertrag ab Januar 1988 nicht mehr zu den Verträgen der betrieblichen Altersversorgung i.S. von § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V gehört, weil er selbst ab diesem Zeitpunkt die Stellung des Versicherungsnehmers innegehabt, die Beiträge allein getragen und damit dem Vertrag jeder betriebliche Bezug gefehlt habe. Er werde willkürlich ungleich in Bezug auf solche Personen behandelt, die den vom Arbeitgeber finanzierten Versicherungsvertrag gekündigt und anschließend einen neuen Versicherungsvertrag abgeschlossen hätten. Die Änderung des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V verstoße gegen den aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Vertrauensschutzgrundsatz. Auf den Fortbestand der ursprünglichen Regelung habe er vertraut und hierauf seine Altersvorsorge wesentlich aufgebaut. Er habe nicht mit einer Beitragsbelastung über das schon bestehende Maß hinaus und auch nicht damit rechnen müssen, dass eine Rechtsänderung die nach seiner Auffassung unvernünftige, wirtschaftlich nicht nachvollziehbare Kündigung des bestehenden und den Neuabschluss eines neuen Vertrages begünstige, sein vernünftiges, wirtschaftlich nachvollziehbares Verhalten dagegen benachteilige. Auch fehle es an einer aus Gründen der Verhältnismäßigkeit erforderlichen Übergangsregelung.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. November 2006, das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 13. Juni 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 17. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2004 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung gegen das Urteil des SG zurückgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 17.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2004 ist rechtmäßig. Die Beklagte ist berechtigt, gemäß § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 248 Satz 1 SGB V, jeweils in der seit dem 1.1.2004 geltenden Fassung, von dem in der gesetzlichen Krankenversicherung als Rentner pflichtversicherten Kläger ab 1.5.2004 Beiträge nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz aus der einmaligen Kapitalzahlung der Direktlebensversicherung zu verlangen, die eine Zahlung der betrieblichen Altersversorgung ist.

1. Der Bemessung der Beiträge zur Krankenversicherung der versicherungspflichtigen Rentner ist nach § 237 SGB V neben dem Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung (Satz 1 Nr. 1) auch der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Satz 1 Nr. 2) zugrunde zu legen. Als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge), gegen deren Berücksichtigung für die Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge versicherungspflichtiger Rentner verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 6.12.1988, 2 BvL 18/84, BVerfGE 79, 223 ff = SozR 2200 § 180 Nr. 46 S 194 ff), gelten Renten der betrieblichen Altersversorgung, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden (§ 237 Satz 2, § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V).

a) Zu den Renten der betrieblichen Altersversorgung i.S. von § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V gehören auch Renten, die aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung i.S. des § 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19.12.1974 (BetrAVG - BGBl I 3610) gezahlt werden, wie der Senat bereits entschieden hat. Um eine solche Direktversicherung handelt es sich, wenn für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen wird und der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistung des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind. Sie ist dann der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen, wenn sie die Versorgung des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen im Alter, bei Invalidität oder Tod bezweckt, also der Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben dienen soll. Dieser Versorgungszweck kann sich auch aus der vereinbarten Laufzeit ergeben. Unerheblich ist, ob der Abschluss nach Auffassung der Beteiligten allein zur Ausnutzung der steuerrechtlich anerkannten und begünstigten Gestaltungsmöglichkeiten der betrieblichen Altersversorgung erfolgt. Der hinreichende Zusammenhang zwischen dem Erwerb der Leistung aus der Lebensversicherung und der Berufstätigkeit des Arbeitnehmers für die Qualifizierung als beitragspflichtige Einnahme der betrieblichen Altersversorgung ist bei einer solchen für die betriebliche Altersversorgung typischen Versicherungsart der Direktversicherung gegeben (vgl. Urteile des Senats vom 26.3.1996, 12 RK 21/95, SozR 3-2500 § 229 Nr. 13 S 66 ff, vom 13.9.2006, B 12 KR 17/06 R, ErsK 2006, 400 f, B 12 KR 1/06 R, SGb 2006, 659 f, B 12 KR 5/06 R, SozR 4-2500 § 229 Nr. 4, sowie vom 25.4.2007, B 12 KR 25/05 R, SuP 2007, 653 f, und B 12 KR 26/05 R, USK 2007-6).

b) Leistungen aus der Direktversicherung i.S. des § 1 Abs. 2 BetrAVG verlieren ihren Charakter als Versorgungsbezug nicht deshalb, weil sie zum Teil oder ganz auf Leistungen des Arbeitnehmers bzw. des Bezugsberechtigten beruhen. Sie bleiben auch dann im vollen Umfang Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, wenn nach Beendigung der Erwerbstätigkeit die Beiträge allein vom Beschäftigten als Versicherungsnehmer getragen werden. Dies hat der Senat ebenfalls bereits entschieden, ohne nach den Gründen der Beendigung zu differenzieren (vgl. Urteile des Senats vom 6.2.1992, 12 RK 37/91, BSGE 70, 105, 108 f = SozR 3-2500 § 229 Nr. 1 S 4 ff, sowie vom 26.3.1996, vom 13.9.2006 und 25.4.2007, a.a.O.).

Entgegen der Auffassung der Revision hat der Senat die gesetzliche Regelung seit jeher so verstanden, dass bei der Begründung der Beitragspflicht von Renten und den Renten vergleichbaren Bezügen auch hinsichtlich der Höhe der beitragspflichtigen Rentenleistung nicht auf den nachweisbaren Zusammenhang mit dem früheren Erwerbsleben abzustellen, sondern typisierend anzuknüpfen ist. Die gesetzliche Regelung unterwirft mit den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und den Versorgungsbezügen i.S. von § 229 Abs. 1 Satz 1 SGB V grundsätzlich Bezüge von Institutionen und aus anderen Sicherungssystemen der Beitragspflicht, bei denen in der Regel ein Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu diesem System und einer Erwerbstätigkeit besteht. An dieser sog institutionellen Abgrenzung, die sich allein daran orientiert, ob die Rente von einer Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung gezahlt wird, und Modalitäten des individuellen Rechtserwerbs unberücksichtigt lässt, hält der Senat fest (vgl. zuletzt Urteile des Senats vom 25.4.2007, a.a.O.). Sie vermeidet auch die praktische Schwierigkeit, Zahlungen in einen beitragsfreien und einen beitragspflichtigen Teil aufspalten zu müssen (vgl. Urteil des Senats vom 6.2.1992, 12 RK 37/91, SozR 3-2500 § 229 Nr. 1 S 5 f).

c) Zahlungen aus Direktlebensversicherungen unterliegen deshalb auch dann in vollem Umfang der Beitragspflicht, wenn das Beschäftigungsverhältnis aufgrund der Insolvenz des Arbeitgebers endet und der Lebensversicherungsvertrag durch den Beschäftigten als Versicherungsnehmer mit eigener Beitragszahlung fortgeführt wird. Die Beitragsfreiheit rechtfertigende Unterschiede im Vergleich zu sonstigen Beendigungsgründen, wie z.B. der Kündigung durch den Arbeitnehmer oder Arbeitgeber, sind nicht ersichtlich. Eher sprechen Gründe der Gleichbehandlung im Verhältnis zu anderen Gründen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, aber auch zur Beitragspflicht anderer Zahlungen, wie z.B. Rentenzahlungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach Entrichtung freiwilliger vom Arbeitnehmer getragener Beiträge, dafür, auch in diesem Fall Zahlungen aus Direktversicherungen der Beitragspflicht zu unterwerfen.

d) Der Senat hat darüber hinaus entschieden, dass gemäß § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V (i.d.F. des am 1.1.2004 in Kraft getretenen Art 1 Nr. 143 des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom 14.11.2003, BGBl I 2190, vgl. Art 37 Abs. 1 GMG) nicht regelmäßig wiederkehrende Leistungen auch aus als Direktversicherungen abgeschlossenen Lebensversicherungen selbst dann zur Beitragsbemessung heranzuziehen sind, wenn sie bisher nicht beitragspflichtig waren. Liegt der "Versicherungsfall", nämlich der vereinbarte Auszahlungstermin, nach dem 31.12.2003 und entsteht der Anspruch auf eine bereits ursprünglich oder vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbarte nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung mit diesem Zeitpunkt, unterliegt sie nach § 229 Abs. 1 Satz 3 Regelung 2 SGB V nun der Beitragspflicht (vgl. zuletzt Urteile des Senats vom 25.4.2007 m.w.N., a.a.O.).

2. a) Bei den Einnahmen des Klägers aus dem Lebensversicherungsvertrag handelt es sich um einen einmalig gezahlten Versorgungsbezug aus der betrieblichen Altersversorgung. Nach den Feststellungen des LSG war der Vertrag als Direktversicherung von dem ehemaligen Arbeitgeber zugunsten des Klägers abgeschlossen worden. Er diente im Hinblick auf den vereinbarten Zeitpunkt seiner Auszahlung in dem Jahr, in dem der Kläger das 61. Lebensjahr vollendete, seiner Altersversorgung. Diesen Charakter verlor er weder durch die Insolvenz des Arbeitgebers noch die Fortführung des Vertrages durch den Kläger als Versicherungsnehmer.

b) Zutreffend hat die Beklagte für die Errechnung des zu zahlenden Krankenversicherungsbeitrags 1/120 der Kapitalzahlung gemäß § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V zugrunde gelegt und berücksichtigt, dass der Grenzbetrag gemäß § 226 Abs. 2 SGB V überschritten wurde, der 2004 120,75 Euro betrug. Die Beklagte war auch berechtigt, von dem allein zur Tragung und in Ermangelung einer zuständigen Zahlstelle i.S. von § 256 Abs. 1 SGB V zur Zahlung entsprechender Beiträge verpflichteten Kläger (vgl. §§ 250 Abs. 1 Nr. 1, 252 Satz 1 SGB V) Krankenversicherungsbeiträge nach dem sich aus § 248 Satz 1 SGB V in der ab 1.1.2004 geltenden Fassung des Art 1 Nr. 148 Buchst a GMG ergebenden vollen Beitragssatz (vgl. insofern Urteile des Senats vom 24.8.2005, B 12 KR 29/04 R, SozR 4-2500 § 248 Nr. 1, sowie vom 10.5.2006, B 12 KR 6/05 R, SozR 4-2500 § 240 Nr. 7, und B 12 KR 5/05 R, USK 2006-25) zu erheben.

3. Der Senat hat in seinen Urteilen vom 13.9.2006 und 25.4.2007 (a.a.O.) ausgeführt, aus welchen Gründen er nicht davon überzeugt ist, dass die seit dem 1.1.2004 geltende uneingeschränkte Beitragspflicht von als einmalige Kapitalzahlung geleisteten Versorgungsbezügen gegen Verfassungsrecht verstößt. Diese Erwägungen gelten auch für die Beitragserhebung auf Kapitalzahlungen aus Direktlebensversicherungen bei einer insolvenzbedingten Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, weil ein eine abweichende verfassungsrechtliche Beurteilung rechtfertigender Unterschied zu anderen Beendigungsgründen nicht erkennbar ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Bundessozialgericht - B 12 KR 2/07 R - Urteil vom 12.12.2007

Link: Direktversicherung: Teilerfolg beim Bundesverfassungsgericht
Quelle: www.anhaltspunkte