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Getrag verjüngt Belegschaft mit Hilfe von Kurzarbeit

09.02.2011 - von Gekündigte Mitarbeiter der Firma GETRAG

In einem offenen Brief machen Mitarbeiter des Getriebeherstellers Getrag öffentlich, wie das Unternehmen Gesetze umgeht, Gesetzeslücken nutzt, Gerichtsurteile ignoriert, Mitarbeiter wegen ihres Lebensalters trotz AGG diskriminiert und auf Kosten der Steuerzahler Arbeitsplätze abbaut.

Der Getriebehersteller GETRAG Getriebe und Zahnradfabrik GmbH & Cie KG mit Sitz in Untergruppenbach hat am 7. Dezember 2010 insgesamt 248 Mitarbeiter an verschiedenen Standorten ohne Sozialauswahl gekündigt. Das Durchschnittsalter der gekündigten Mitarbeiter liegt bei 55 Jahren. Diese Mitarbeiter waren zuvor 17 Monate in Kurzarbeit-Null.

Die GETRAG Getriebe und Zahnradfabrik GmbH & Cie KG beschäftigt ca. 2.700 Mitarbeiter an verschiedenen deutschen Standorten und gehört zum GETRAG Gesamtkonzern mit ca. 12.700 Mitarbeitern weltweit (Jahresumsatz 2,59 Milliarden Euro).

Bei der Auswahl der gekündigten Mitarbeiter (§1 Kündigungsschutzgesetz) wurde keine Rücksicht genommen auf:

* Lebensalter
* Betriebszugehörigkeit
* Unterhaltspflichten
* Schwerbehinderung

Eine Sozialauswahl fand nicht statt. Strategie der GETRAG war und ist es, Personalabbau und eine Verjüngung der Belegschaft mit Hilfe von konjunktureller und struktureller Kurzarbeit herbeizuführen. Deutlich erkennbar ist diese Strategie vor allem an der Altersstruktur der gekündigten Mitarbeiter.

Standort Ludwigsburg
Anzahl der gekündigten Mitarbeiter: 90
Durchschnittsalter der gekündigten Mitarbeiter: 56,0 Jahre

Standort Neuenstein
Anzahl der gekündigten Mitarbeiter: 77
Durchschnittsalter der gekündigten Mitarbeiter: 60,3 Jahre

Standort Untergruppenbach
Anzahl der gekündigten Mitarbeiter: 81
Durchschnittsalter der gekündigten Mitarbeiter: 47,5 Jahre
Durchschnittsalter der 248 gekündigten Mitarbeiter: 55,0 Jahre

Geplant wurde diese Art des Arbeitsplatzabbaus bereits Anfang 2009. Dies geht aus einer internen Präsentation der Firma hervor. (modell-18+12+24.pdf auf Anfrage einsehbar!)

Obwohl das ArbG Stuttgart bereits in einem Urteil 20 Ca 2326/09 vom 12.05.2010 eine unzulässige Altersdiskriminierung durch Einbeziehung aller Mitarbeiter "rentennaher" Jahrgänge in die Kurzarbeit Null festgestellt hatte, wurde diesen Mitarbeitern jetzt gekündigt.

Ursachen der Krise
Bedingt durch strukturelle und konjunkturelle Einflüsse kam es im Jahre 2008/2009 bei GETRAG zu Umsatzeinbrüchen und zu einem Personalüberhang an den Standorten.

Durch Produktionsverlagerungen von GETRAG Ludwigsburg nach GETRAG Rosenberg und anderen Standorten wurde am Standort Ludwigsburg ein zusätzlicher Personalüberhang gezielt herbeigeführt.

Mit dem Konjunkturpaket 2 wurde dem Arbeitgeber die Möglichkeit gegeben, unter anderem Kurzarbeit Null für 18 Monate durchzuführen. Die ausgewählten Mitarbeiter konnten sich gegen die Anordnung der Kurzarbeit nicht wehren. Vom Gesetzgeber sind keine Vorgaben hinsichtlich der Auswahl und Anordnung der Mitarbeiter zur Kurzarbeit-Null vorgesehen.

Was kostet der Jobabbau bei GETRAG den Sozialkassen?
Beispiel: (Monatliches Bruttogehalt von 3.500 Euro, Lohsteuerklasse III, ein Kind):
- 17 Monate Kurzarbeit Null (Kurzarbeitergeld: 26.907 Euro
- 12 Monate Transfergesellschaft (Transferkurzarbeitergeld: 18.993 Euro
- 18 Monate Arbeitslosigkeit (Arbeitslosengeld): 28.490 Euro
Macht nach 48 Monaten: 74.390 Euro plus Sozialversicherungsbeiträge für die 48 Monate: 34.065 Euro
Gesamtkosten pro Mitarbeiter: 108.457 Euro

Und dann ???
- Hartz IV auf Kosten des Steuerzahlers
- Leiharbeit + Hartz IV oder
- Vorruhestand mit Rentenabschlägen

Fragen an den Gesetzgeber:
Welchen Schutz bietet das Kündigungsschutzgesetz für Arbeitnehmer, wenn die soziale Auswahl - so wie bei GETRAG geschehen - umgangen wird?
Warum wird ein Arbeitsplatzabbau nach dem GETRAG-Modell 18+12+24 vom Gesetzgeber unterstützt und mit 29 Monaten Kurzarbeitergeld finanziert?
Wer stellt 248 gekündigte Mitarbeiter mit einem Durchschnittsalter von 55 Jahren wieder ein?
Was passiert, wenn sich alle Betriebe dieses GETRAG-Modell zu Nutze machen und sich so ihrer älteren Mitarbeitern auf Kosten der Sozialkassen entledigen?

Unsere Kontaktadresse lautet: >getrag_mitarbeiter@gmx.de

Link: Getrag lässt 59-Plus-Mitarbeiter verzweifeln…
Quelle: Mail an die Redaktion

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