Diskriminierung melden
Suchen:

Remscheid: Ratsmehrheit schafft Seniorenbeirat ab

12.07.2010 - von Hanne Schweitzer + diverse

Eine Ratsmehrheit aus SPD, Grünen und FDP hat am 8. Juli 2010 im Remscheider Rathaus 138 Einzelmaßnahmen zum Schuldenabbau der Stadt Remscheid beschlossen und sie als "ausgewogen und notwendig" bezeichnet. Darunter auch: Die Abschaffung des Seniorenbeirats. Im Jahr 2014 werden dadurch 1.000,- Euro gespart, 2015 sind es 4.000,- Euro.

Der Fünfjahresplan (!) zum Schuldenabbau der Stadt Remscheid von 2010 bis 2015 umfasst insgesamt 305 Seiten. Der Seniorenbeirat findet sich unter der Produktgruppe (!) "Politische Gremien".

Einen neuen Seniorenbeirat wird es in Remscheid nicht mehr geben. Die Ratsmehrheit aus SPD, Grünen und FDP hat in der Hauptsatzung der Stadt die Regeln für die Bildung eines Seniorenbeirates aufgehoben.
Sozusagen ein Federstrich, mehr nicht.

Aber es hatte sich angekündigt.

So besaß der Remscheider Seniorenbeirat in den Fachausschüssen seit Beginn der neuen Ratsperiode 10/2009 kein Rederecht mehr. Wollte er sich zu senioren-relevanten Themen äußern, war er auf den guten Willen der Ausschuss-Vorsitzenden angewiesen.

Seit Ende 2009 waren zudem 12 Anträge von Seniorenbeiratsmitgliedern wegen deutlicher Defizite im Sozialbereich für ältere Menschen eingebracht worden. So zum Beispiel die "unverschämte" Forderung nach Offenlegung der Heimaufsicht-Prüfprotokolle. Oder die "ungeheure" Forderung auf Aktualisieren des Altenplans, bei dem seit September 1993 (!) keinerlei Anpassung an die dramatische Entwicklung des demografischen Wandels vorgenommen wurde. Oder Anträge auf Klärung, warum im Remscheid zwölf Mal mehr Menschen in die Psychiatrie zwangseingewiesen werden als im 50 Kilometer entfernten Bochum. Oder Anträge die Überprüfung alleinlebender alter Menschen auf Gesundheitszustand und sicheren Lebensumstände, mit Hinweis auf traurige, aktuelle Vorgänge, zu verbessern. Ausserdem der Antrag, der Seniorenbeirat möge durch Worterteilung angemessene Mitwirkungsrechte in Ratsausschüssen und Bezirksvertretungen erhalten.

Diese und weitere Anträge haben Verwaltung und Politik aufgeschreckt, die zunächst versuchten, weitere Anträge mit Maulkorb-Mobbing zu verhindern. Als das ohne Ergebnis blieb, wurden die Anträge schlicht ignoriert und danach, siehe oben, der von 16.600 Bürgerinnen und Bürgern gewählte Seniorenbeirat - abgeschafft. So ist das mit der "Altenpolitik" sein, wenn Mitbestimmen und Mitentscheiden lästig werden.

Der Remscheider Stadtdirektor und Sozialdezernent Burkhard Mast-Weisz hatte bei einem Telefongespräch mit einem Seniorenvertreter am 5.7., also drei Tage vor der beschlossenen Abschaffung des Seniorenbeirats erklärt: "Im Rat der Stadt Remscheid sitzen überwiegend Ältere, die die Interessen und Belange von Seniorinnen und Senioren besser als ein Seniorenbeirat wahrnehmen können, da unmittelbare Vollmacht zum Bestimmen besteht."

Geht es bei der Abschaffung des Remscheider Seniorenbeirat also überhaupt nicht ums Sparen, sondern um das rigorose Kappen vom Anspruch auf Mitbestimmen und Mitentscheiden älterer Menschen?

Dazu muss man wissen: Die Mitwirkungsrechte von Seniorinnen und Senioren sind NICHT in der Gemeindeordnung von NRW verankert. Seniorenvertretungen sind - als Interessenvertretung - lediglich geduldet. Deshalb ist es so leicht, sie abzuschaffen bzw. gar nicht erst einzurichten.

Bisher (21.7.2010) liegen uns keine Stellungnahmen der Landesseniorenvertretung NRW und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesseniorenvertretungen (BAG LSV) zum "Fall Remscheid" vor.

Am 6.8.2010 schreibt die Landesseniorenvertretung einen Brief an die Oberbürgermeisterin von Remscheid, Beate Wilding. "... Die Landesseniorenvertetung, deren Mitglied der Seniorenbeirat Remscheid ist, ist von diesem Beschluss unterricht worden und ist davon sehr betroffen. Dieser Beschluss bedeutet ja nicht nur, dass ein städtisches Gremium aufgelöst wird, sondern auch, dass die Stadt Remscheid eine unabhängige, überparteiliche, aktive und engagierte Vertretung der Interesssen der älteren Bürger von Remscheid und seinen Ortsteilen nicht mehr haben will. Die Stadt verzichtet damit auf das sehr erfolgreiche ehrenamtliche Engagement ihres Seniorenbeirats und bedeutet gleichzeitig den Mitgliedern des Seniorenbeirats, dass sie seine bisherige Arbeit nicht schätzt und eine weitere Unterstützung nicht braucht.

Von außen ist dies nicht nachvollziehbar.

... Der Seniorenbeirat der Stadt Remscheid war überdurchschnittlich aktiv und erfolgreich. Er hat dazu beigetragen, dass sich viele ältere Bürgerinnen und Bürger am Leben in den Stadtteilen beteiligen und sich ehrenamtlich für die Stadt und ihre Bürger einsetzen. ...

Die Landesseniorenvertretung NRW bittet Sie deshalb eindringlich, diesen Ratsbeschluss nochmals zur Diskussion zu stellen und schließlich aufheben zu lassen. ...

Gaby Schnell Vorsitzende
Dr. Martin Theisohn Stellvertretender Vorsitzender"

Link: Remscheid: Seniorenvertretung bleibt bestehen
Quelle: Büro gegen Altersdiskriminierung