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Raffelhüschen: Wir (!) können nicht alles für alle zahlen

05.12.2009 - von Hanne Schweitzer

Passend zu den Plänen der schwarz/gelben Regierungskoalition, die einen neuen Riesenmarkt für die privaten Versicherungen etablieren will, legte das Vorstandsmitglied der "Stiftung Marktwirtschaft", Bernd Raffelhüschen, am 10. November 2009 der geneigten Journaille seine Pläne vor, um dem Sozialstaat endgültig den Garaus zu machen. Das wackelige Solidarprinzip bei der Krankenversicherung (Arbeitnehmerbeitrag zum Zahnersatz) und bei der Pflegeversicherung (der Buß- und Bettag wurde als gesetzlicher Feiertag abgeschafft und zum Arbeitstag), soll endgültig aufgegeben werden. Laut Raffelhüschen wird es durch eine böse böse "Nachhaltigkeitslücke" bedroht. Deshalb will er die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, die bisher nach der Bruttolohnsumme bemessen werden, abschaffen. Sie seien "ungerecht", "nicht transparent", "unkalkulierbar". Raffelhüschen fordert die Privatisierung der Risiken Krankheit und Pflegebedürftigkeit, er fordert neue Märkte für die Assekuranz.

"Fair" (!), "transparent" und "kalkulierbar", um die "ausufernden Gesundheitskosten" in den Griff zu bekommen, sind laut Raffelhüschen und seinen Mannen dagegen Kopfpauschalen in der gesetzlichen Versicherung, bei der jeder, ob Ein-Euro-Jobber oder Redakteur, einen einheitlichen Beitrag zahlen soll. Für die sogenannte "Basisversorgung" rechnet die Stiftung mit ca. 230,00 Euro im Monat. Kinder sollen in dieser Kopfpauschale mitversichert sein, Ehepartner dagegen nicht. Unternehmen, die bislang weniger als die Hälfte der Beiträge für ihre MitarbeiterInnen gezahlt haben, sollen nun davon entlastet werden, und die Sozialabgaben stattdessen an die MitarbeiterInnen als zu versteuernden Lohnausteil auszahlen. Die zahnärztliche Versorgung soll komplett aus der Krankenversicherung entfallen, und die Eigenanteile für ambulante Leistungen sollen erhöht werden. (Dass diese Leute es immer noch wagen, mit fragwürdigen Ideen an die Öffentlichkeit zu treten, ist eigentlich unfassbar nachdem ihre Rolle als Lobbyisten privater Finanz- und Versicherungsgruppen bekannt und ihre angebliche „Unabhängigkeit“ als „Berater der Bundesregierung“ deutlich angezweifelt wurde. W.S.)

Bei der Pflegeversicherung plant die Stiftung eine Umstellung auf privatwirtschaftliche Kapitaldeckung. Rentner sollen höhere Beiträge bezahlen und im Rahmen der "Stärkung der individuellen Eigenvorsorge", mehr Eigenanteile berappen.

Die wachsende Altersarmut halten der Versicherungslobbyst Raffelhüschen und sein Stiftungskollege Stefan Moog für "irrelevant". Dem enspricht der Satz auf der Webseite der Stiftung: "Wenn es mit Deutschland wieder aufwärts gehen soll, muss das ökonomisch Notwendige auch umgesetzt werden."
Während in den USA eine Krankenversicherung auch für Nichtrentner geschaffen wird, geht man hierzulande genau den umgekehrten Weg. Die Amerikanisierung schreitet voran.

Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=3125
Quelle: junge Welt, 11.11.2009