04.07.2008 - von Hanne Schweitzer + diverse
Kaum hatte sich die Aufregung über die Äußerungen von Martina Köppen, Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, gelegt schon gibt es erheblicheren Ärger. Ein 63jähriger Bürger, der sich per Mail an die Stelle in Berlin gewandt hatte, wurde dort - intern - "schwieriger Petent" genannt und als "insgesamt recht aggressiv" bezeichnet.
AUßerdem bekam er erst auf Nachfrage eine Auskunft über die Rechtsauffassung der Antidiskriminierungsstelle zum Thema: ´Chiffreanzeigen mit verbotenen Altersvorgaben´.
Das Büro gegen Altersdiskriminierung veröffentlicht die skandalöse Korrespondenz. Der Vorgang wirft ein Schlaglicht auf den zynischen Umgang einer Pseudo-Behörde mit den BürgerInnen. Er kennzeichnet die Einstellung, mit der man dort "dem kleinen Mann" begegnet, dem man eigentlich zu seinem Recht verhelfen soll.
Bürgerfeindlich, lustlos, mangelhaft und stümperhaft wurden die europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien in deutsches Recht umgesetzt, bürgerfeindlich arbeitet die Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
Die Aufgabe der Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes lautet: "den Vollzug des AGG in ihrer Dienststelle zu fördern und zu unterstützen". Das Büro gegen Altersdiskriminierung fordert Frau Köppen auf, dieser Pflicht endlich nachzukommen. In der Antidiskriminierungsstelle des Bundes sollte die Beachtung des Gleichheitsgebots so selbstverständlich wie das Amen in der Kirche sein. Das Büro gegen Altersdiskriminierung hat EU-Kommissar Spidla über die Korrespondenz zwischen dem betroffenen Bürger und der ADB-Stelle informiert.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes "nimmt die besonderen Interessen von Personen im Rahmen einer Benachteiligung wahr", heißt es weiter im AGG. Wie die "besonderen Interessen" in Berlin von den Mitarbeitern der ADB-Stelle interpretiert werden, lesen Sie nun in der Korrespondenz zwischen dem 63jährigen Bürger F. und bezahlten, - nicht ehrenamtlichen - Mitarbeitern der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. In Nebenrollen treten auf: das AGG, das Chiffregeheimnis,
Lissy Gröner, Europaabgeordnete der Grünen und ihre Büromitarbeiterin Steffie Kliem.[/b]
1. Akt
Bürger F. schreibt an die Europaabgeordnete Gröner, diese antwortet, woraufhin sich Bürger F. per Mail an die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes wendet.
"Guten Tag Frau Dr. Gröner,
dringend brauche ich Ihren bewährten Rat als Fachfrau unter anderem zum AGG. Sie wissen sicher, dass Zeitungen - besonders die Nürnberger Nachrichten - sich mit dem Chiffregeheimnis herausreden, wenn Sie eine Anzeige veröffentlicht haben, in der Altersvorgaben enthalten sind. Jüngstes Beispiel:
Kraftfahrer FS Klasse 3 + 2, bis ca. 45 Jahre, mit Berufserfahrung im Obstgroßhandel u. Frischdienst in Teilzeit gesucht. Chiffre: 8617 863
Man interessiere sich nicht weiter für Verstöße gegen ein Bundesgesetz" so die Rechtsdame Rötterink von der Zeitung, "und man sei weder verpflichtet vor der Veröffentlichung zu prüfen, noch habe man das Personal dafür. In so einem Fall habe halt der Diskriminierte schlicht und einfach Pech und könne sich seinen Schadenersatz sonst wohin befördern, er falle halt einfach hinten runter".
Abgesehen davon, dass eine solche Einstellung zum Entzug der Zulassung eines Organes führen sollte, finde ich solches Verhalten abstoßend und unverschämt.
Sowohl als Mensch (Hartz IV), wie auch als freier Publizist und Gründer der Initiative Menschenwürde Europa - IME habe ich vor, mit massivsten Mitteln zum Thema AGG vorzugehen und alle nur möglichen Varianten des Rechtes einzusetzen inklusive der entsprechenden Veröffentlichungen im deutlichsten, schärfsten, fränkischen Ton.
Können Sie mir einen Tip geben, wie man gegen dieses Chiffre-Geheimnis in solchen Fällen vorgehen kann, das AGG ist ja leider noch nicht strafbewehrt.
Vielen Dank und die besten Grüße aus Nürnberg Betriebswirt Walter Falk
Einen Tag später lässt Frau Dr. Gröner antworten:
"Sehr geehrter Herr Falk,
Sie können sich mit diesem Problem an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden:
http://www.antidiskriminierungsstelle.de/
Allerdings hat die Bundesregierung noch nicht alle Bestimmungen zur Gleichbehandlung gemäß der EU Richtline umgesetzt, so dass bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet worden ist. Mit freundlichen Grüßen bSteffi Kliem"
Am 1.6.08, einen Tag später, wendet sich Bürger F. an die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Martina Köppen:
"Sehr geehrte Frau Dr. Köppen!
Anbei meinen kurzen email-Austausch mit dem Büro von Lissy Gröner, MdEP. Vielleicht können Sie mir kurzfristig jemanden benennen, der weiterhelfen kann und vor allem - der eine Ahnung von der Sache hat.
Die erwähnte Offerte (in den Nürnberger Nachrichten) ist nämlich kein Einzelfall, sondern tägliche Praxis und der liebe Rabenvater Staat fühlt sich kaum genötigt, irgendetwas zu unternehmen. Nur dumme Sprüche hat er übrig wie "Fördern und fordern", "man muss sich halt bewerben, wenn man Arbeit will"
"niemand soll sich im sozialen Netz einrichten" und hunderte mehr - und natürlich die vielen Überlegungen zum Einkommen der Politiker, das hält schon auf, da bleibt nicht viel Zeit übrig für das Prekariat und den Hartz-IV-Pöbel, an dem scheinbar die größte Arbeitsmarktreform wirkungslos vorbeigegangen ist.
Danke für Ihre Mühe und freundliche Grüße Walter Falk"
2. Akt
Antidiskriminierungsstelle reagiert auf Bürger F.
"ADS-alt@ADS.BUND.DE schrieb:
Sehr geehrter Herr Falk, die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Frau Dr. Köppen dankt Ihnen für Ihre E- Mail. Sie hat mich gebeten, Ihnen zu antworten. Sie fragen nach, ob Chiffreanzeigen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) aushebeln können. Dies ist nicht der Fall.
Es ist zutreffend, dass Dritte von der Zeitung nicht die Offenlegung der Person verlangen können, die die Anzeige aufgeben hat, da der Verlag durch den Abschluss eines Anzeigenvertrages für eine Chiffre-Anzeige die vertragliche Nebenpflicht übernimmt, die Identität des Inserenten nicht ohne rechtfertigenden Grund bekannt zu geben (OLG Koblenz AfP 1980, 40; OLG Oldenburg AfP 1988, 544). Verletzt der Verlag diese Verschwiegenheitspflicht, macht er sich dem Anzeigenkunden gegenüber nach § 280 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig.
Dies hebelt jedoch die Rechtsdurchsetzung nach dem AGG nicht aus. Auch auf diskriminierende Chiffreanzeigen können sich Personen, die sich ernsthaft für die ausgeschriebenen Stellen interessieren, aber nicht den diskriminierenden Merkmalen in der Ausschreibung entsprechen, bewerben. Sofern darauf eine Absage durch den Arbeitgeber erfolgt und diese im Zusammenhang mit der diskriminierenden Stellenausschreibung als nicht widerlegbares Indiz für eine Benachteiligung im Sinne des § 7 AGG heranzuziehen ist, kann der / die ausgeschlossene Bewerber /-in gemäß § 15 AGG Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche geltend machen.
Ansprüche nach dem AGG - etwa auf Schadensersatz- setzen voraus, dass ein solcher Anspruch innerhalb einer Frist von zwei Monaten gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht wird (§ 15 Abs. 4 AGG). Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Eine Klage vor dem Arbeitsgericht wäre innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung zu erheben.
Die für einen Schadensersatzanspruch erforderliche Benachteiligung eines Bewerbers/einer Bewerberin liegt aber nur dann vor, wenn dieser/ diese sich subjektiv ernsthaft beworben hat und objektiv für die zu besetzende Stelle in Betracht kommt. Bei Bewerbungen, die nicht als ernsthaft zu bewerten sind, scheidet ein Schadensersatzanspruch von vornherein aus (vgl. BAG Urteil vom 12. November 1998 – 8 AZR 365/97).Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen geholfen zu haben. Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag C.B."
Was C.B., Mitarbeiterin der Antidiskriminierungsstelle, nicht weiß: Sie verschickt mit ihrer Antwort auch den elektronischen Wurmfortsatz, der sich gebildet hatte, weil die Poststellen-Mitarbeiterin der Antidiskriminierungsstelle die Mail von Bürger F. kommentiert an Abteilungsleiter B.F. weiterleitete, und dieser die kommentierte Mail unverändert zur endgültigen Bearbeitung an Sachbearbeiterin B. geschickt hatte.
"Von: H.A. Im Auftrag von Poststelle-Antidiskriminierungsstelle
Gesendet: Montag, 2. Juni 2008 10:35 An: F.B. Betreff: 9051-F-086 - Falk, Walter - Eilige Anfrage [Fwd: AW: AGG] Wichtigkeit: Hoch Vorgang für Frau B. Achtung: Die Mail wirkt auf mich so, als wenn es ein "schwieriger Petent" werden könnte, insgesamt recht aggressiv. Gruß H.A."
Bürger F. fällt aus allen Wolken. So hatte er sich steuerfinanzierte Beratung nicht vorgestellt. Er antwortet:
"Guten Tag und danke, leider haben Sie eine sehr wesentliche Sache übersehen: Das Arbeitsgericht fühlt sich nicht betroffen, zu ermitteln, wer hinter der Chiffre steht. Also ist keine Klage möglich, da die ladungsfähige Adresse nicht ermittelt werden kann. Das sollten Sie doch eigentlich selbst wissen.
Mit Ihrer Antwort musste ich nun auch von Ihrer Behörde eine Diskriminierung erleiden, da mich Ihre Kollegin A.H. als schwierigen, aggressiven Petenten beleidigte und im Kommentar der Weiterleitung meiner email an Sie verleumdete.
Grundsätzlich:
Wenn ich schon einen derartigen Kommentar unter Kollegen weitergebe, wäre ich nicht so dämlich, diesen dem Verfasser der email zugänglich zu machen - oder sind Sie tatsächlich so dreist in Ihrer Behörde und scheren sich einen Dreck über die Art und Weise des Umgangs mit den Bürgern?
Dieser Umgang mit mir hat Folgen, die sich gewaschen haben, das dürfen Sie mir glauben und nicht nur durch Veröffentlichung, damit die Bürger in diesem Lande mal erfahren, in welcher Art und Weise die Antidiskriminiertungsstelle des Bundes ihre Arbeit versteht. Ich bin doch nicht der Idiot für Sie.
Im übrigen sollte sich die Weiterleiterin der email einmal überlegen, was daran so lustig sein soll, wenn man täglich wegen seines Alters als Hartz-IV-Empfänger zusätzlich noch wie Dreck behandelt wird. Wie soll man da werden? Freundlich und umgänglich? Wenn ich wie Sie auf einem sicheren und gut bezahlten Arbeitsplatz sitzen würde, dann könnte ich auch so blöd daherreden. gez. Falk"
Der Mailaustausch beschleunigt sich, die Antidiskriminierungsstelle antwortet umgehend, Tempo und Druck führen zu einer prägnanten Sachauskunft, die nicht jedem Petenten zuteil wird:
"Sehr geehrter Herr Falk, aufgrund eines Büroversehens ist in meiner E-Mail leider eine Notiz enthalten, die eigentlich darauf verweisen sollte, dass der Sachverhalt an sich recht schwierig zu beurteilen ist. Dieses kam vielleicht sprachlich etwas missglückt zum Ausdruck. In keinster Weise hatten wir die Absicht, Sie herabzuwürdigen und bitten Sie hiermit in aller Form um Entschuldigung, wenn dieser Eindruck bei Ihnen entstanden ist.
Ergänzend zu meinen Ausführungen möchte ich folgendes mitteilen:
Nach den Vorgaben des § 11 AGG müssen Stellenausschreibungen in Bezug auf die Merkmale des AGG neutral gefasst sein, z. B. ohne Festlegung einer Altersgrenze. Der Gesetzgeber hat aber bei einem Verstoß gegen diese Vorschrift keine Rechtsfolgen vorgesehen. Insofern besteht auch keine Möglichkeit, abstrakt gegen die von Ihnen beanstandete Anzeige gerichtlich vorzugehen. Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag C. B.
Das "Büroversehen" kommentiert Bürger F.:
Guten Tag, es ist nur bezeichnend für den Umgang mit Betroffenen in Ihrer "Behörde", dass Sie mir jetzt auch noch unterstellen, ich wäre der deutschen Sprache nicht mächtig und könne klar geschriebene Worte nicht lesen und sie nach ihrem Sinn auch nicht richtig beurteilen.
Logischerweise ist Ihnen das peinlich, aber Ihre faule Ausrede von einer sprachlichen Missglückung ist für mich nur eine weitere Unverschämtheit hinsichtlich der Einschätzung meiner Intelligenz als Mensch, die ich ebenso als Beleidigung empfinde. Es wäre ein Fehler, zu glauben, dass Sie mir gegenüber mit solchen Billig-Nummern davonkommen. Eine Herabwürdigung, wie Sie das bezeichnen, bleibt eine solche, wegerklären lässt sie sich nicht.
Was Ihre Ausführungen in der Sache anlangt, so sind diese schlicht falsch. Vielleicht sollten Sie sich doch einmal näher mit der Materie befassen, anstatt schwierige, aggressive Petenten mit inkompetenten Äußerungen abzuspeisen.
Bitte benennen Sie mir unverzüglich - binnen 3 Tagen - an welche Stelle die Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Leiterin Ihrer Behörde einzureichen wäre. So wie es aussieht, scheint sie es nicht für nötig zu erachten, dass Anschreiben, die an sie gerichtet sind, qualifiziert bearbeitet werden, sondern stattdessen lustlos mit unverschämten Kommentaren intern bewegt um möglichst schnell abgewimmelt zu werden. gez. Falk
Pause
Im imaginären Theaterfoyer wird folgender Spruch an die Wand gebeamt:
"Die obersten Sprossen einer Leiter sprachen einst hochmütig zu den untersten: "Glaubt nicht, dass ihr uns gleich seid, ihr steckt unten im Kote, während wir oben frei emporragen, die Hierarchie der Sprossen ist von der Natur eingeführt, sie ist von der Zeit geheiligt, sie ist legitim." (H.Heine)
Klingeln zum zweiten Teil der Vorstellung. Sie beginnt mit einem Anruf des Abteilungsleiters B.F. Dieser schiebt die Schuld an der schlechten Behandlung von Bürger F. auf die Mitarbeiterin in der Poststelle. Hernach belehrt er Bürger F. juristisch korrekt und noch coller darüber, dass die Leiterin der Diskriminierungsstelle keinen Vorgesetzten hat. Sie ist unabhängig. Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle ist in der Ausübung ihres Amtes unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen ist. So steht es im AGG. Keine Dienstaufsichtsbeschwerde möglich.
Bürger F. rauft sich die Haare.
Ende der Vorstellung.
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03.07.2008: CDU: Bloß kein besserer Antidiskriminierungsschutz
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