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Roman Herzog: Ältere PLÜNDERN Jüngere

14.04.2008 - von Hanne Schweitzer

Roman Ruck-Herzog hat sich wieder ins Gespräch gebracht. Dazu wählte er - die Bild-Zeitung, eine bessere fand er nicht. Kann sogar sein, dass er Geld für das Interview bekommen hat. Scheckheftjournalismus nannte man so etwas früher, als Schecks noch ein gängiges Zahlungsmittel waren.

Roman Ruck-Herzog, ExPräsident des Bundes, ist mittlerweile 74 Jahre alt, geboren 1934. Als Parteimitglied gehört er zu den hüteren Angehörigen der politischen Klasse Westdeutschlands. "Wer das Kreuz trägt, segnet sich", pflegt meine Tante Erna zu sagen, wenn von Herzog und Konsorten die Rede ist. Tante Erna ist 86.

Weder bei seiner Ruck-Rede, noch beim PLÜNDERN-Interview war Herzog betrunken. Der Mann, der aus dem Witwerstand heraus - passend zum Retro-Geist der Berliner Republik - eine Adlige geheiratet hat, wusste genau was er meinte, als er von PLÜNDERN sprach. "Die Älteren", gab Herzog dem Hetzblatt zu Protokoll, "die Älteren werden immer mehr, und alle Parteien nehmen überproportional Rücksicht auf sie. Das könnte am Ende in die Richtung gehen, dass die Älteren die Jüngeren ausplündern."

Sein coming out als Altersdiskriminierer beginnt Herzog mit einem Satz auf Lübke-Niveau*: "Die Älteren werden immer mehr." Schlichter kann man es nicht sagen. Doch selbst Karl Doof fragt nach der Lektüre: "Warum spricht Herzog nicht von den Jüngeren, die immer weniger werden? Oder über die mittelmäßigen Mittleren. Die Älteren werden immer mehr. Wen der alte Knabe dabei wohl im Kopf hatte? Die über 50Jährigen, alle über 30, ab 60Jährige?

Westdeutsche Politiker, das steht fest, haben die demografischen Veränderungen, wie sie seit ca. 1890 bekannt sind, stets komplett ignoriert - von 1947 bis etwa zum Jahr 2002. Zumindest offiziell. Intern, hinter den Kulissen, trafen sich seit den 80iger Jahren die industriellen Führer Europas, wie sie sich selbst nannten, am runden Tisch, um eine geschickte Plünderung der gesetzlichen Renten- und Krankenkassen einzufädeln. Ohne Tamtam, lautlos, sollte das vonstatten gehen, veranlaßt von der Politik und von einem Konto zum anderen. Die Transaktionen dienten dem Ziel, immer mehr Geld von den gesetzlichen Renten- und Gesundheitskassenkonten auf die unterschiedlichsten Unternehmenskonten umzuleiten und von da an die Börse zu bringen zwecks weltweiter Spekulation.

Die Folgen werden gerade sichtbar: Der Internationale Währungsfonds plant 400 Tonnen seiner Goldreserven zu verkaufen, die Inflation steigt, Banken schreiben ab, und britische RentnerInnen singen bereits das Lied von den Folgen der Privatisierung der Rentenversicherung in England: Bedrückende Altersarmut.

2.
"Alle Parteien nehmen überproportional Rücksicht auf die Älteren", behauptet Herzog, und man traut seinen Ohren kaum. Seit Ursula von der Leyen findet keine Seniorenpolitik mehr in diesem Land statt und vor ihrer Zeit war davon auch nicht sehr viel zu bemerken. Die Seniorenpolitik bot nie einen Grund, weshalb CDU/SPD/FDP/CSU Rücksicht auf Ältere hätten nehmen müssen. Und überproportionale schon überhaupt nicht. Keine einzige Bundesregierung hat zum Beispiel zu irgendeiner Zeit auch nur ansatzweise den Wunsch geäußert, ein Gesetz gegen Altersdiskriminierung zu erlassen. Das es zur Zeit ein solches Gesetz in Miniaturformat gibt, verdanken die Bundesbürger einem "Befehl" von oben. Brüssel sandte im Jahr 2000 ein Gebot aus, dass alle Mitgliedsstaaten ein Gesetz gegen Diskriminierung erlassen müssten. Die Parteien und ihre Mitglieder haben sich stets durch überproportionale und rücksichtslose Ignoranz gegenüber den demografischen Veränderungen und ihrer Folgen ausgezeichnet. Und so kommt es, dass Altersdiskriminierung im Gesundheitswesen hierzulande noch immer erlaubt ist; das Altersdiskriminierung bei der Rente ist noch immer gestattet ist; das Altersdiskriminierung bei der Pflege noch immer nicht strafbar ist; das Altersdiskriminierung durch Banken und Dienstleister, durch Journalisten und Politiker noch immer als Kavaliersdelikt gilt.

3.
"Die überproportionale Rücksicht der Parteien auf die Älteren, das könnte am Ende in die Richtung gehen, dass die Älteren die Jüngeren ausplündern", sagt Herzog. Er koppelt die Rücksichtnahme an das PLÜNDERN. Aus dem einen folgt für ihn zwingend das andere. Nur wenn die Älteren von den Parteien streng an die Kandare genommen werden, wenn keine überproportionale Rücksicht mehr auf sie genommen wird, meint Herzog, nur dann könne man vermeiden, dass die Älteren übergriffig werden.

PLÜNDERN, gibt das Wörterbuch Auskunft, PLÜNDERN lassen sich Geschäfte, Kirchen, Städte. Den Kühlschrank kann man plündern, sein Sparbuch, des Dichters Werk oder auch den Weihnachtsbaum. Vom PLÜNDERN Jüngerer steht nichts im Buch. PLÜNDERN, wird außerdem erklärt, bedeutet, wenn sich jemand (unter Ausnutzung einer Notsituation) fremdes Eigentum aneignet. Tante Erna hat sich kein fremdes Eigentum angeeignet. Sie hat seit Beginn ihrer Lehre im zarten Alter von 14 Jahren unentwegt gearbeitet, sie hat Kind und Mann versorgt und für`s Alter gespart. Herzogs Lebenslauf verlief ein bißchen anders. In die Rentenkasse hat er nicht eingezahlt. Seine Bezüge kommen aus dem Steuertopf, der von Alten wie Jungen gespeist wird. Bislang ist noch niemand auf die Idee gekommen, diesen Vorgang PLÜNDERN zu nennen.

4.
Durch eine bundesweite PLÜNDERUNGSINSZENIERUNG á la Schlingensief, ließe sich testen, was die Älteren generell vom PLÜNDERN halten. 1. Akt, 1. Bild: Zu sehen sind ältere Frauen und ältere Männer, ausgestattet mit Einkaufswagen, Rollkoffern, Plastiktüten, Handkarren und Fahrrädern, die sich - angetan wie weiland die Wegelagerer, als plündernde Horden aus allen Himmelsrichtungen dorthin bewegen, wo es Plundergebäck gibt, wo Herzöge wohnen, oder Jüngere geballt zu finden sind.

5.
Leid tun können einem im Moment die Damen und Herren von der Seniorenunion. Langsam aber stetig haben sie sich in den letzten Jahren an den Tatbestand Altersdiskriminierung herangedacht. Nun hat Herzog ihnen mit seinem Pissoirspruch einen Bärendienst erwiesen. Auch das Präsidium der CDU ist nicht erfreut, aber aus anderem Grund. Unter dem Deckmäntelchen des Kampfs gegen die Altersdiskriminierung sollte eine eigens installierte Runde aus erfahrenen und jungen Funktionären der CDU den freiwilligen Zwang zur ehrenamtlichen Arbeit stratgisch und intern vorbereiten. Das wird jetzt nicht mehr funktionieren. Abgesehen von den Neoliberalen bei Spiegel online und Welt wird kein Älterer mehr verdrängen, wer die Rentenkassen gePLÜNDERT hat. Von der Aufrüstung der Bundeswehr bis zur sogenannten Wiedervereinigung: Der Griff in die Rentenkasse war und ist für sämtliche PolitikerInnen so selbstverständlich wie die Ebbe nach der Flut. Auf Kosten der heutigen und der bereits verstorbenen RentnerInnen wurde schon Altersdiskriminierung betrieben, als dieses Wort im politischen Vokabular noch nicht vorhanden war.

Aber es gibt auch aktuelle Beispiele.

  • Die ALTEN übernehmen die MACHT" Bild-Zeitung, 10.4.08, Titelseite.

  • Der demografische Wandel kann den deutschen Staatshaushalt in Zukunft gehörig belasten. Thomas Lutter, 31.1.2007 Zeit online

  • "Wir im Ersten, wir sagen nicht Gammelfleisch, wir sagen 50 plus",
    Harald Schmidt, 6.9.2006

  • "Wir müssen darüber nachdenken, wann man die Menschen lieber sterben lässt, weil sie die Wirtschaft belasten", Claus Hipp, 2.4.2006.

  • "Bisher hat es für Rentner bestimmte Privilegien gegeben. Das schaffen wir jetzt ab, und ich halte das für gerecht", Franz Müntefering, 6.3.2004


  • Die Inflation steigt, der Teuro büßt immer mehr an Kaufkraft ein. Im März 2008 stiegen nach Angaben des Statistischen Bundesamts die Großhandelspreise um 7,1 Prozent; die höchste Teuerung seit 26 Jahren! RomanRuck-Herzog ist bestimmt der Ansicht, dass daran die Älteren schuld sind.
    Schuldig, schuldig so schrecklich schuldig. NEIN. NEIN. NEIN.


    Nachtrag 12.2015: Roman Herzog bezieht seit 16 Jahren eine Pension aus Steuergeldern von über 20.000 Euro pro Monat – die durchschnittliche Rente liegt bei ca. 850 Euro pro Monat.

    Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=1534
    Quelle: diverse