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Österreich: Intersektionale Diskriminierung in Österreich: Schutzlücken und Reformbedarf

Foto: H.S.

Österreich - 15.12.2025

Im Rahmen der 16 Tage gegen Gewalt an Frauen, wurde in Wien am 10. Dezember 2025 auf gravierende Schutzlücken im österreichischen Antidiskriminierungsrecht aufmerksam gemacht. Diese betreffen insbesondere Frauen mit Behinderungen, die oft intersektionaler Diskriminierung ausgesetzt sind. Die Anwältin für Gleichbehandlungsfragen, Mag.a Christine Steger, und der Verein FmB – Interessensvertretung Frauen* mit Behinderungen fordern entschlossene Maßnahmen gegen diese Missstände.

Die Herausforderung der intersektionalen Diskriminierung

Intersektionale Diskriminierung bezeichnet die Benachteiligung, die aus der Überschneidung mehrerer Diskriminierungsmerkmale resultiert, wie Geschlecht und Behinderung. In Österreich ist das Antidiskriminierungsrecht nicht ausreichend darauf ausgelegt, solche komplexen Diskriminierungsformen zu erkennen und zu ahnden. Besonders betroffen sind Frauen mit Behinderungen, die unter einem strukturellen Machtungleichgewicht leiden.

Historische Entwicklung und rechtlicher Kontext

Das österreichische Antidiskriminierungsrecht hat sich über die Jahre entwickelt, um verschiedene Diskriminierungsgründe abzudecken. Dennoch bleibt die Intersektionalität weitgehend unberücksichtigt. Das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz trennt strikt zwischen Diskriminierung aufgrund von Behinderung und anderen Gründen wie Geschlecht. Diese Trennung ignoriert die komplexen Lebensrealitäten vieler Betroffener.
Vergleich mit anderen Ländern

Im Vergleich zu Deutschland und der Schweiz zeigt sich, dass diese Länder ähnliche Herausforderungen im Umgang mit intersektionaler Diskriminierung haben. In Deutschland gibt es Bestrebungen, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu reformieren, um intersektionale Diskriminierung besser zu erfassen. Die Schweiz hingegen hat kürzlich eine nationale Strategie zur Förderung der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen verabschiedet, die auch intersektionale Aspekte berücksichtigt.

Der Bürger-Impact: Konkrete Auswirkungen

Für betroffene Frauen in Österreich bedeutet die aktuelle Gesetzeslage oft, dass sie ihre Rechte nicht effektiv durchsetzen können. Ein Beispiel ist das verpflichtende Schlichtungsverfahren, das Frauen mit Behinderungen durchlaufen müssen, bevor sie ihre Rechte vor Gericht geltend machen können. Diese Verfahren sind für die diskriminierten Personen verpflichtend, nicht aber für die Diskriminierer:innen, was ein erhebliches Machtungleichgewicht schafft.

In der Praxis führt dies dazu, dass viele Frauen, aus Angst vor Retraumatisierung oder aufgrund der Aussichtslosigkeit des Verfahrens, von einer rechtlichen Verfolgung Abstand nehmen. Dies führt dazu, dass Belästiger oft ohne Konsequenzen davonkommen.

Zahlen und Fakten

Laut einer Studie des Sozialministeriumservice sind Frauen mit Behinderungen in Österreich überdurchschnittlich häufig von Gewalt betroffen. Die Zahlen zeigen, dass etwa 60% der Frauen mit Behinderungen mindestens einmal in ihrem Leben Gewalt erfahren haben, wobei intersektionale Diskriminierung eine erhebliche Rolle spielt.

Expertenstimmen und Forderungen

Mag.a Christine Steger fordert eine Reform des Antidiskriminierungsrechts, die intersektionale Diskriminierung besser abbildet. Sandra Konstatzky von der Gleichbehandlungsanwaltschaft betont die Notwendigkeit einer unabhängigen Kommission, die Diskriminierungen aufgrund von Behinderung feststellt. Julia Moser vom Verein FmB fordert, dass Schlichtungsverfahren freiwillig sein müssen und dass es eine zentrale, barrierefreie Anlaufstelle für Betroffene geben sollte.
Zukunftsperspektive und Reformbedarf

Um die Situation zu verbessern, sind umfassende Reformen notwendig. Dazu gehört die Einführung freiwilliger Schlichtungsverfahren und die Schaffung einer unabhängigen Kommission für Diskriminierungen aufgrund von Behinderung. Darüber hinaus müssen österreichweite Qualitätsstandards und traumainformierte Schulungen für Schlichtungsreferent:innen eingeführt werden.

Schlussfolgerung

Die intersektionale Diskriminierung von Frauen mit Behinderungen bleibt eine große Herausforderung in Österreich. Um echte Gleichstellung zu erreichen, sind tiefgreifende Reformen im Antidiskriminierungsrecht notwendig. Nur so kann sichergestellt werden, dass alle Menschen, unabhängig von Geschlecht und Behinderung, ihre Rechte effektiv durchsetzen können. Was denken Sie, welche Maßnahmen sollten prioritär umgesetzt werden, um diese Schutzlücken zu schließen?

Tags: Antidiskriminierungsrecht, Frauen mit Behinderungen, Gleichbehandlung, Intersektionale Diskriminierung, Österreich, Reformbedarf, Schlichtungsverfahren

Quelle: Pressefeuer