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29.09.2025 - von Florian Blank
Die deutsche Rentenversicherung hat ein Problem. Aber dieses Problem besteht nicht in den Kosten des demografischen Wandels, wie häufig verbreitet wird. Das Problem besteht vielmehr darin, dass radikale Reformen mit einer Vehemenz – aber ohne sachliche Grundlage – gefordert werden, die eine ernsthafte Diskussion verhindert und ein grundsätzliches Misstrauen in die Rentenpolitik schürt.
Konkret tauchen zwei Behauptungen immer wieder auf, aus denen die Forderung nach Leistungskürzungen und längerem Arbeiten abgeleitet wird: Dass die Rentenversicherung auf den Kollaps zusteuere und dass bereits heute mit Mitteln aus dem Bundeshaushalt ein Loch in den Finanzen der Rentenversicherung gestopft werden müsse. Beides ist nicht nur übertrieben, sondern schlicht falsch. Ebenso falsch ist übrigens die Einschätzung, dass sich die Beiträge nicht lohnen.
Diese Behauptungen tragen dazu bei, drei wichtige Dinge aus der rentenpolitischen Diskussion zu verdrängen. Erstens: Mit der Rentenversicherung sollen soziale Ziele erreicht werden, und das Erreichen dieser Ziele ist auch die finanziellen Aufwendungen wert. Soziale Sicherung gibt es nicht zum Nulltarif. Zweitens: Die Rentenversicherung ist immer wieder an neue Rahmenbedingungen und politische Anforderungen angepasst worden – sie ist demokratisch gesteuert, flexibel und verlässlich. Und drittens: Fragen der sozialen Sicherung und ihrer Finanzierung sind immer Verteilungsfragen.
Es geht nicht darum, ob „wir“ uns etwas leisten können, sondern ganz konkret darum, wer von Reformen profitiert und wer belastet wird. So trifft beispielsweise die wiederholt geforderte weitere Anhebung des Rentenalters alle Beitragszahler*innen, auch jüngere Menschen. Im Gegenzug für das längere Arbeiten fällt zwar der Beitragssatz etwas geringer aus, dadurch werden aber nicht nur die Beitragszahler*innen, sondern auch die Arbeitgeber entlastet. Letztere profitieren zudem davon, dass Arbeitnehmer*innen länger auf Arbeitsplätze angewiesen sind. Besonders gravierende Konsequenzen hat so eine Anhebung für Menschen, die belastende Arbeitsbedingungen ertragen müssen oder schon früh ins Erwerbsleben eingestiegen sind.
Es ist manchmal eine schmale Gratwanderung zwischen berechtigten, sachlichen Hinweisen auf Probleme der sozialen Sicherung einerseits und anderseits einer Kritik, die dazu beiträgt, das Vertrauen in Institutionen der sozialen Sicherung insgesamt zu beschädigen. Dabei sollte doch eines klar sein: Soziale Sicherung ist ein Gewinn für die Gesellschaft und keine Belastung.
Dr. Florian Blank ist Rentenexperte des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.
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