Foto: H.S.
11.09.2025 - von weitergeleitet von Pit Främke
Die Friedensbewegung ist in ihrer gegenwärtigen Erscheinungsform – weitgehend vergreist
und im Ritualismus (Symbolik, Slogans, Protestformen) erstarrt – ‚ nicht zukunftsfähig. Link
Kommt in den nächsten drei bis fünf Jahren ‚von hinten‘ (den jüngeren Generationen) nichts Substanzielles nach, dann wird es uns, die Friedensbewegung, – auch ohne Krieg – in spätestens anderthalb Jahrzehnten nicht mehr geben. Link
Was in den Achtziger Jahren Allgemeingut und im Protest auch organisatorisch untrennbar verknüpft war – der unbestreitbare sachliche Zusammenhang des Kampfes gegen die kriegerische und die ‚friedliche` Zerstörung unseres Planeten, kurz: die untrennbare Einheit von Friedens- und Ökologiebewegung (Stichwort „Ökopax“) –, ist heute auf die Generationen aufgesplittet, nach der unausgesprochenen falschen Alternative:
„Den Alten der Frieden, den Jungen der (Kampf gegen den) Klimawandel!“
Mit einem Wort: Die jüngeren Generationen sind auf dem rüstungspolitischen Auge blind.
Für diese ‚rüstungspolitische Blindheit` der jüngeren Generationen gibt es eine Reihe von Gründen. Hier ohne Anspruch auf Vollzähligkeit einige von ihnen:
1.
Die Kriegsgeneration stirbt aus und die Generation des Kalten Krieges hat in ihrer Mehrheit das Rentenalter längst überschritten. Die jüngeren Generationen kennen demnach die Schrecken des II. Weltkrieges noch nicht mal mehr aus ‚zweiter Hand`.
2.
Die Generationen der jetzt Mitte Vierzigjährigen und Jüngeren hatten – ein ‚fataler Nebeneffekt der Gorbatschow`schen Abrüstungspolitik` – das unschätzbare Glück, zumindest von Atomkriegsängsten unbehelligt aufwachsen zu können. Sie haben daher (verständlicherweise) auch kein entsprechendes Problembewusstsein entwickelt.
3.
Im Gegensatz zum (ersten) Kalten Krieg, als das geteilte Deutschland Frontstaat war, als der Riss durch die Welt sich durch unser Land, samt Hauptstadt zog und – was allen in Ost und West damals bewusst war – ein möglicher Krieg zwischen den Supermächten in beiden deutschen Staaten eine auf Jahrtausende verstrahlte Trümmerwüste hinterlassen hätte,
hat sich die Kriegsgefahr heute (gefühlt) um rund tausend Kilometer gen Osten verlagert.
(Dass dies im Kriegsfalle völlig irrelevant wäre, spielt psychologisch keine Rolle. Erst recht gilt dies – Stichwort „nuklearer Winter“ – für die Folgen eines mit thermonuklearen Bomben geführten Krieges zwischen den Atommächten.)
4.
Was den aktuellen Stellvertreterkrieg in der Ukraine angeht, so ist – dies meine These – ein Großteil der jüngeren Generationen wohl nicht ausreichend über Vorgeschichte und Hintergründe informiert. Statt dessen machen sie sich auf der Folie des „Feindbild Putin“ die tagtäglich von den Leitmedien in allen Variationen gelieferte „David versus Goliath-Erzählung“ kritiklos zu eigen. (Und wer identifiziert sich nicht gerne mit dem ‚Schwachen`, dem ‚Opfer`?)
5.
Das jeder jungen Generation eigene Empörungspotenzial schließlich ist zudem überwiegend durch den zweifellos dringend gebotenen Kampf gegen Erderwärmung und Klimawandel erfolgreich okkupiert. Was noch übrig bleibt, wird von der ‚postmodernen Religion` –sprich: Gender, Veganertum und Political Correctness – absorbiert.
Trotz gestiegener Kriegsgefahr ist es bislang auf der Handlungsebene immer noch nicht zu einer nennenswerten Kooperation zwischen Klimaschützern und Friedensbewegten gekommen.
Gutgemeinte, aber als übergriffig und bevormundend erlebte Belehrungen von Seiten der (alten) Friedensbewegten könnten bei den (jungen) Klimaschützern zudem zu einer Verhärtung führen, die im Worst Case die Generationenpolarität zu einem Generationenkonflikt verschärfen würde.
Diese bislang starre Generationenpolarisierung könnte allerdings in näherer Zukunft in Bewegung geraten:
Mit der ab Januar 2026 obligatorischen Wehrerfassung aller 18jährigen jungen Männer und der ab Juli 2027 verpflichtenden Musterung für Männer sowie der absehbaren Wiedereinführung der Wehrpflicht verliert das Thema „Krieg und Frieden“ seinen abstrakten Charakter. Dies umso mehr, je offener über die angeblich notwendige „Kriegstüchtigkeit“ von Land und Bevölkerung („Operationsplan Deutschland“) und einen möglichen Einsatz deutscher Soldaten in der Ukraine oder gar über einen (angeblich auch noch wahrscheinlichen) veritablen Krieg gegen Russland gesprochen wird – und das ab kommenden Jahres mit amerikanischen Mittelstreckenraketen im eigenen Lande.
– Kurz: Das Thema rückt den jungen Männern – und in abgeschwächter Form auch Frauen – nun buchstäblich auf den Leib! Alle ab 2008 geborenen Männer müssen sich mit der Tatsache auseinandersetzen, dass sie ab jetzt zumindest potentielle Soldaten sind, die, wenn es ernst wird, auch in den Krieg geschickt werden.
Bislang hat die jüngere Generation sich als nicht besonders „kriegsbegeistert“ erwiesen:
Laut einer Meinungsumfrage von YouGov (Juni 2025) sprachen sich in der Altersgruppe zwischen 18 und 29 Jahren nur 35 Prozent für die Wiedereinführung der Wehrpflicht aus. (Laut einer Forsa-Umfrage vom Sommer diesen Jahres lehnen 61 Prozent dieser Altersgruppe die Wiedereinführung der Wehrpflicht ab.)
Der Shell-Jugendstudie von 2024 zufolge fürchten nicht weniger als 80 Prozent der 12- bis 25-Jährigen sich vor einem Krieg in Europa. (Laut Sinus-Jugendstudie 2024 gaben 59 Prozent der 14- bis 17-Jährigen Krieg als ihre größte persönliche Sorge an.)
Die Nachfrage bei Beratungsstellen für Kriegsdienstverweigerung steigt derzeit sprunghaft an. Link
Das Buch des 27jährigen Ole Nymoen „Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde – Gegen die Kriegstüchtigkeit“ Link liegt ein halbes Jahr nach der Veröffentlichung bereits in der sechsten Auflage vor. Link
In ähnlichem Tenor äußerte sich jüngst mehrfach auch der 25jährige Instagram- und TikTok-Influencer Simon David Dressler. Link
Letzteres zeigt: Vertreter der jungen Generation, die ja alles ausbaden, d.h. fürs „Vaterland“ bzw. „Gemeinwesen“ im berühmten „Anwendungs-“ oder „Ernstfall“, will sagen: im Krieg, sterben und auch töten müssten, melden sich langsam zu Wort! Sie, die Betroffenen, sind gerade dabei, ihren Weg zur Friedensproblematik zu finden. Sie werden sicher auch ihre Formen des Widerstandes entwickeln.
Dies werden im 21. Jahrhundert andere sein als in den Achtziger Jahren beim Kampf gegen die Nachrüstung. Sie werden ihre eigenen Symbole entwickeln, ihre eigenen Slogans, ihre eigenen Lieder, ihre eigenen Aktionsformen. (Sicher davon sehr vieles in der digitalen Sphäre, in den sozialen Netzwerken.) Vielleicht könnten sich von dort aus mit der Zeit ja auch Querverbindungen zu den gleichaltrigen Klimaschützern entwickeln.
Wenn sich nun die ältere Generation der Friedensbewegten nicht bevormundend verhält, den Jüngeren aber auf Wunsch freundlich und ohne jeglichen belehrenden Paternalismus beiseite steht, dann könnten wir im optimalen Falle tatsächlich endlich den lang ersehnten Beginn einer neuen Friedensbewegung erleben, in der Alte und Junge ihren Platz finden
und – jeweils auf ihre Weise – aktiv sind.
Das Ziel ist ja ohnehin dasselbe.
Dazu passt: Von der Generationenpolaritaet zur Zusammenarbeit: siehe: Link
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