
25.11.2025 - von Hanne Schweitzer
Der Sozialstaat sei nicht mehr finanzierbar, behauptet Kanzler Merz, attestiert von Herrn Linnemann. Das Lamento Berliner Politiker und ihrer treuen Posaunisten in den Instituten und Medien über die ach so hohen Sozialausgaben ist seit dem NATO-Gipfel im Juni in Den Haag und den Trump-Schmeicheltouren nach Washington immer lauter geworden. Man hat dort der Forderung von US-Präsident Trump entsprochen und die Ausgaben für Militär und Co. auf fünf Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts hochgesetzt.
Attacken auf das Sozialsystem hat es immer gegeben, aber das Gerüst der Sozialstaatlichkeit hat in der Nachkriegszeit noch nie so geschwankt, wie derzeit. Vom Zusammenbruch ist die Rede. Statt zu stützen wird kräftigst mit dem Rotstift hantiert, Leistungen werden noch mehr gekürzt, gestrichen oder abgeschafft. "Für Rente 200 Milliarden Euro Mehrausgaben bis 2040 / SPD setzt sich durch", titelt die FAZ am 7.8.2025. 200 Milliarden Euro für die Rente, Jesses! Freilich wurden die Mehrausgaben bis zum Jahr 2040 berechnet, also für die nächsten 15 !! Jahre. Dadurch wird das Ergebnis opulenter, radikale Kürzungen lassen sich dringlicher fordern, damit die Rentner, die Bürgergeldempfänger und die Grundsicherungsbezieher den Reichen nicht die Haare vom Kopf fressen! Gänzlich unbeachtet von den schrill nach Rentenkürzungen Schreienden bleibt eine Empfehlung der Unabhängigen Expertin Claudia Mahler für den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen: "Die beitragsabhängigen und -unabhängigen Renten- und Sozialschutzsysteme stärken, um sicherzustellen, dass ältere Menschen, die in Armut leben oder sich im Ruhestand befinden, ihre Rechts- und Handlungsfähigkeit wirksam ausüben können und nicht in finanzielle Abhängigkeit geraten."
Vor der Sommerpause beschloss die schwarz/rote Bundesregierung ein "Rentenpaket 2025". Gegen strukturelle Altersdiskriminierung im Sozialsystem wird es nicht helfen. Die geplante Absicherung des Nettorentenniveaus von 48 Prozent bis zum Jahr 2031 (!) ändert weder etwas für die 20 Prozent der ArmutsrentnerInnen (1.380 Euro netto im Monat), noch für die Rentner der Zukunft, die keine gut dotierten Jobs haben. Selbst die von der CSU endlich durchgesetzte Angleichung der Mütterrente für alle Frauen, unabhängig davon, wann sie ihre Kinder geboren haben, bringt den schlecht gestellten Rentnerinnen keinen Cent. Die Erhöhung von ca. 20 Euro pro Kind werden die Kommunen von der Grundsicherung abziehen und damit die klammen kommunalen Kassen ein bißchen entlasten. Mitte Oktober kündigten 18 Abgeordnete der Jungen Union im Bundestag Widerstand gegen den Beschluss des Kabinetts zur Stabilisierung eines Rentenniveaus von 48 Prozent bis zum Jahr 2031 an. Es entstünden Folgekosten von 120 Milliarden Euro weil der Gesetzentwurf von Sozialministerin Bas über das Jahr 2031 fortwirke und damit über die Vereinbarung im Koalitionsvertrag hinausgehe. Eine Hinweis auf die dadurch entstehende Belastung der jüngeren Generationen konnte sich der Vorsitzende Winker nicht verkneifen. Über die Belastung der kommenden Generationen durch die finanziellen Folgen der Kriegskredite fiel kein Wort. Am Montag (17.11.25)meldet die WELT, dass ausgerechnet der Vorsitzende der Senioren-Union, Hubert Hüppe (CDU), Verständnis für die Einwände des Parteinachwuchses gezeigt habe und dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte, die Sorgen der jungen Generation seien berechtigt, insbesondere mit Blick auf die Finanzierung der Rente und den demografischen Wandel“. Hüppe war Jahrzehnte als Bundestagsabgeordneter tätig. Er dürfte kein Rentner sondern ein Pensionär sein und genug verdient haben, um seine Kinder gut versorgt zurücklassen zu können.
Nachdem sich die üblichen Herrschaften (u.a. Bert Rürup, Clemens Fuest, Moritz Schularick Veronika Grimm, Monika Schnitzer und Martin Werding) im Handelsblatt zu Wort gemeldet hatten, um die höhere Mütterrente, die Aktivrente und die Stabilisierung des Rentenniveaus zu stoppen, äußerte sich auch der Vorsitzender der - ohne ihn 17 Mitglieder umfassenden -Gruppe der Jungen Union im Bundestag erneut. Im Handelsblatt vom 25.11.2025 sagt er: Die Koalition könne nicht "gegen die versammelte Ökonomenschar handeln.“
Was die Herstellung der Kriegstüchtigkeit kostet
Der sozialdemokratische Verteidigungsministers Pristorius, der sich so gern mit Uniformierten oder Produzenten von kriegstauglicher Hard- oder Software fotografieren lässt, zeigt sich vom staatsruinösen Anstieg des sogenannten Verteidigungshaushalts unbeeindruckt. Die Zahlen aus dem 2.Haushaltsentwurf 2025 des Bundesfinanzministeriums, dessen sozialdemokratischer Chef Lars Klingbeil ist, dürften Pistorius bekannt sein. Dazu muss man wissen: Im Gegensatz zur Vorhersage der Mehrausgaben für die Rentenversicherung, die vom Bund ja lediglich bezuschusst wird, bezieht sich die Vorhersage der Kosten zur Herstellung der Kriegstüchtigkeit nicht auf die kommenden 15 Jahre sondern nur auf die fünf Jahre von 2025 bis 2029.
Geplante Mehrausgaben für die Herstellung von Kriegstüchtigkeit bis zum Jahr 2029:
1. Ausgaben, die mehr als 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmachen:
2025: 75,1 Milliarden Euro
2026: 97,0 Milliarden Euro
2027: 108,4 Milliarden Euro
2028: 151,7 Milliarden Euro
2029: 167,8 Milliarden Euro
2. Mehrausgaben aus dem "Sondervermögen" Bundeswehr bis 2027* :
2025: 24,1 Milliarden Euro
2026: 25,5 Milliarden Euro
2027: 27,5 Milliarden Euro
2028: -
2029: -
3. Mehrausgaben, die weniger als 1 Prozent des BIP ausmachen und nicht unter die Schuldenbremse fallen bis zum Jahr 2029:
2025: 43,1 Milliarden Euro
2026: 43,1 Milliarden Euro
2027: 43,9 Milliarden Euro
2028: 45,3 Milliarden Euro
2029: 46,6 Milliarden Euro
Addiert man diese Mehrausgaben pro Jahr, ergeben sich folgende Summen:
2025: = 142,3 Mrd. €
2026: = 165,6 Mrd. €
2027: = 179,8 Mrd. €
2028: = 197,0 Mrd. €
2029: = 214,4 Mrd. €
Die Gesamtsumme der geplanten Mehrausgaben zwecks Herstellung von Kriegstüchtigkeit in den Jahren 2025–2029 beträgt 899,1 Milliarden Euro.
Zu den 899,1 Milliarden Euro Mehrausgaben kommen noch die "normalen" Verteidigungsausgaben der Jahre 2025-2029:
2025: 62,4 Milliarden Euro
2026: 82,7 Milliarden Euro
2027: 93,3 Milliarden Euro
2028: 136,5 Milliarden Euro
2029: 152,8 Milliarden Euro
Damit liegt die Gesamtsumme der "offiziellen" Verteidigungsausgaben bis 2029 bei 527,7 Milliarden Euro.
Addiert man die "offiziellen" Verteidigungsausgaben mit den Mehrausgaben für die Herstellung von Kriegstüchtigkeit, ergibt sich für die Jahre 2025-2029 eine Summe von
1.426,8 Milliarden Euro oder 1,4268 Billionen Euro.
Am 7. August hatte die FAZ geschrieben: "Für Rente 200 Milliarden Euro Mehrausgaben bis 2040 / SPD setzt sich durch". Denkbar ist auch die Überschrift:
Für Rüstung 1,4 Billlionen / SPD setzt sich durch.
Hinweis: In dieser Rechnung sind Kriegstüchtigkeit fördernde Ausgaben aus dem "Sondervermögen für Investitionen in die Infrastruktur" in Höhe von 500 Milliarden Euro nicht enthalten. Kommende Preissteigerungen und Mehrausgaben wurden nicht berücksichtigt, und es fehlen die zu zahlenden Zinsen für die aufgenommenen Megakredite.
* Sondervermögen Bundeswehr:
Im Juni 2022, (Scholz, SPD, war Kanzler, Lindner, FDP, Finanzminister, Christine Lambrecht, SPD, Verteidigungsministerin), änderten Bundestag und Bundesrat Art. 87a des Grundgesetzes. Der neue Art. 87a Abs. 1a GG nennt sich "Finanzierungsinstrument" des Bundes für die Bundeswehr mit eigener Kreditermächtigung in Höhe von insgesamt bis zu 100 Milliarden Euro. Der "schuldenfinanzierte Schattenhaushalt" oder auf orwellisch das "Sondervermögen" soll in den fünf nächsten Jahren, also bis 2027 dazu dienen, zwei Prozent des BIP für Verteidigung nach NATO-kritereien auszugeben.
25.8.2025: Bildzeitung, Titel:
KANZLER SCHLÄGT ALARM
Sozialstaat so nicht mehr bezahlbar!
Politiker und Experten sagen, was JETZT passieren muss. S.2
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