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EU-Kommission: Umsetzungsfahrplan für #EuGoingDark, um Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen + sichere Verschlüsselung zu zerstören

Foto: H.S.

Europäische Union - 12.06.2024 - von Dr. P. Breyer

BRÜSSEL, 12/06/2024

Leak: EU-Kommission kündigt Umsetzungsfahrplan für #EuGoingDark an, um Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen und sichere Verschlüsselung zu zerstören

Laut dem durchgesickerten Protokoll [1] einer Sitzung des Ständigen Ausschusses für die operative Zusammenarbeit im Bereich der inneren Sicherheit (COSI) vom 30. Mai 2024 will die EU-Kommission einen Fahrplan zur Umsetzung des sogenannten #EuGoingDark-Plans vorlegen. Morgen treffen sich die EU-Innenminister, um den Plan in nicht-öffentlicher Sitzung zu diskutieren.[1a]

"Sowohl das Europäische Parlament als auch die Öffentlichkeit sollen mit extremen Entscheidungen konfrontiert werden, die bereits hinter verschlossenen Türen getroffen worden sind", warnt der Europaabgeordnete der Piratenpartei Patrick Breyer. "Dieser extreme Überwachungsplan darf schon deshalb nicht Realität werden, weil er von einer völlig einseitigen, demokratisch nicht legitimierten Geheimgruppe von Überwachungsfanatikern insgeheim ausgeheckt wurde.

Wer unser Recht auf sichere Verschlüsselung angreift, attackiert nicht nur unser gerichtlich verbrieftes Recht auf Privatsphäre, sondern auch den Wirtschaftsstandort Europa. Einen Zugang zu ‚ausschließlich kriminell genutzten verschlüsselten Smartphones zu erzwingen, würde unsere Smartphones allgemein auslesbar und unsicher machen. Die geplante Internet-Vorratsdatenspeicherung droht unser Recht auf Anonymität im Netz zu zerstören, das Kriminalitätsvorbeugung durch anonyme Beratung und Seelsorge, Opferhilfe durch anonyme Selbsthilfeforen und auch Investgativjournalismus ermöglicht, der oft auf anonyme Hinweisgeber angewiesen ist.”

Hintergrund:

Der EUGoingDark-Plan besteht aus 42 Empfehlungen [2] der „Hochrangigen Gruppe für den Zugang zu Daten für eine wirksame Strafverfolgung“ (HLG) [3] und fasst Schlüsselpunkte wie "access by design", den "Grundsatz Sicherheit durch Verschlüsselung und Sicherheit trotz Verschlüsselung`", "Zugang zu Daten in lesbarem Format", "Zugang zu Inhaltsdaten trotz Verschlüsselung" und "die Notwendigkeit für Strafverfolgungsbehörden, Zugang zu Daten en clair zu haben" zusammen. Aus den Empfehlungen:

22. Entwicklung einer Technologie-Roadmap (...), um den rechtmäßigen Zugang nach dem Konzept des "Lawful Access" in allen einschlägigen Technologien im Einklang mit den von den Strafverfolgungsbehörden geäußerten Bedürfnissen zu verwirklichen und gleichzeitig eine hohe Sicherheit und Cybersicherheit zu gewährleisten (...)

26. Einsatz einer Forschungsgruppe zur Bewertung der technischen Machbarkeit eingebauter rechtmäßiger Zugangsverpflichtungen (einschließlich des Zugangs zu verschlüsselten Daten) für digitale Geräte unter Wahrung und ohne Beeinträchtigung der Sicherheit der Geräte und des Datenschutzes für alle Nutzer (...)

27. Einführung einer harmonisierten EU-Regelung für die Vorratsdatenspeicherung mit den folgenden Merkmalen: (...)

32. Erwägung der Verpflichtung von Diensteanbietern, bestimmte Funktionen in ihren Diensten ein- oder auszuschalten, um bestimmte Informationen nach Erhalt einer Anordnung zu erhalten (z. B. Speicherung der Geolokalisierung eines bestimmten Nutzers, nachdem dieser auf eine rechtmäßige Anfrage hin angesprochen wurde).

34. Harmonisierung der strafrechtlichen Maßnahmen zur Erzwingung der Zusammenarbeit auf EU-Ebene, einschließlich der Verhängung von Haftstrafen. Das Gleiche soll für nicht kooperative Hosting-Anbieter gelten.


Empfehlungen dürfen keine Grundlage für politische Arbeit sein

Der scheidende Europaabgeordnete der Piratenpartei, Patrick Breyer, der nicht zur Wiederwahl antrat, warnt, dass der #EuGoingDark-Plan aufgrund seiner intransparenten und illegitimen Arbeitsmethoden und Zusammensetzung keine Grundlage für politische Arbeit sein dürfe [4]. Die Kommission hat seine Frage, warum die Transparenzregeln der Hochrangigen Gruppe im Nachhinein heimlich beschnitten wurden, immer noch nicht beantwortet [5]. Im Februar 2024 haben Piratenabgeordnete des bisherigen Europäischen Parlaments die Auflösung der „Expertengruppe“ gefordert [6]. Das EDRi-Netzwerk kritisiert die mangelnde Transparenz und die einseitige Zusammensetzung der Gruppe und verweist auf Beweislücken im Vorschlag der "Going Dark"-Gruppe für den Zugang zu Daten für die Strafverfolgung [7]. EDRi und andere Nichtregierungsorganisationen für digitale Rechte wurden nicht zu den gemeinsamen Sitzungen der Gruppe zugelassen. Der VPN-Anbieter Mullvad hat enthüllt, dass "ein ehemaliger FBI-Mitarbeiter" bei einem Treffen im November 2023 anwesend war [8].

"Going Dark" ist ein Mythos
Patrick Breyer verweist auf Studien [9] und erklärt [10], der Begriff "Going Dark" beziehe sich auf das Phänomen, dass "Kriminelle Verbrechen auf eine Art und Weise begehen können, die von den Strafverfolgungsbehörden nicht entdeckt und abgefangen werden kann." Dies ist ein von den US-Geheimdiensten geschaffener Mythos. In Wahrheit hatten die Behörden noch nie einen so umfassenden und allumfassenden Zugang zu Informationen über unser Privatleben wie im heutigen digitalen Zeitalter.

Anstatt sich auf die immer wieder erfolgreichen Mittel gezielter Ermittlungen zu konzentrieren, die sich auf Verdächtige und Täter konzentrieren, versuchen die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten, in einer Weise in das Internet und den Rechtsstaat einzugreifen, die die Privatsphäre und die Grundrechte aller bedroht. Alternativen, u.a. eine demokratische Verbesserung der Polizeiarbeit durch besser ausgebildetes und ausgestattetes Personal und ein besserer Kinderschutz durch kompetentere und besser ausgestattete Behörden, werden nicht in Betracht gezogen. Die Gesetzgebung wurde bereits durch die neue Verordnung über elektronische Beweismittel erweitert, die ein weiteres Instrument für die Strafverfolgung darstellt.

Weitere Hintergrundinformationen in den Artikeln von Patrick Breyer [11] und #EuGoingDark auf Social Media.
[1] DE: Link
[1a] Tagesordnung des morgigen Treffens der EU-Innenminister: Link
[2] Link %20Enforcement_en.pdf
[3] Link
[4] DE: Link
[5] Link
Link
[6] Link
[7] Link
[8] Link
[9] Link
Link
[10] Link
[11] Link



Dr. Patrick Breyer Europaabgeordneter der Piratenpartei
Member of the European Parliament for the German Pirate Party

Quelle: EU-Piraten-Partei