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Rentenversicherungsbeiträge sollen steigen, hohe Renten abgeschmolzen werden

Foto: H.S.

10.01.2023 - von Hanne Schweitzer

Die Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die "Wirtschaftsweise" Monika Schnitzer geht davon aus, dass Arbeiter und Angestellte bald mehr Geld in die Rentenversicherung einzahlen müssen. Wie sie die Süddeutsche Zeitung wissen ließ, von der die Nachricht auf Seite 1 platziert wurde, ist Schnitzer der Meinung: „Wir sollten die Beitragssätze jetzt schon anheben, um die Baby-boomer-Generation, die bald in Rente geht, noch an den Kosten zu beteiligen.“ Dazu muss man wissen: Die meisten Beschäftigten sammeln in den letzten Jahren vor der Rente die meisten Entgeltpunkte!

Schnitzer möchte "hohe Renten abschmelzen"
Dahinter steckt die räuberische Idee: „Wer doppelt so viel in die Rentenkasse einzahlt, sollte nicht mehr automatisch doppelt so viel herausbekommen. Wir sollten besonders hohe Renten künftig abschmelzen. Wer üppige Rentenansprüche erarbeitet hat, bekäme dann etwas weniger“. Etwas weniger?! Gesetzlich Versicherte RentnerInnen kennen das. Sie wissen, warum die bundesdeutschen Renten zu den niedrigsten in Europa gehören. Seit 1981 vertreten das Bundesverfassungsgericht und die ihm untergeordneten Gerichte die Auffassung,

- dass für die GRV im Vergleich zu anderen Altersversorgungssystemen (Beamtenversorgung, berufsständische Versorgung) der Gleichheitssatz (Art. 3 GG), der Eigentumsschutz (Art. 14 GG) und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG) NICHT gelten,

- dass zwischen Arbeitnehmern und Rentnern einerseits, sowie Politikern, Selbständigen, Beamten, Richtern und Pensionären andererseits, Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass dies eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigt. Das heißt, für die einen gelten Rechtstaatlichkeit und Grundgesetz, für die anderen gilt die „politische Gestaltungsfreiheit“, im Volksmund auch politische Willkür genannt,

- dass für Beiträge zur Gesetzlichen Rentenversicherung der Eigentumsschutz des Grundgesetzes nicht gilt.


An Kürzungen der gesetzlichen Rente hat es bei CDU/CSU,FDP, SPD und Grünen nicht gefehlt
Zu den "Kürzungsfaktoren" in den sogenannten "Rentenreformen" gehören unter anderem:
- Rentenanpassung erfolgt nicht mehr auf Basis der Bruttolöhne, sondern auf den Nettolöhnen (1992),
- Kürzung von Anrechnungszeiten der Ausbildung. 1992 von 13 auf 7 Jahre, (1997 von 7 auf 3 Jahre),
- Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 65 Jahre (vorher: Frauen 60 Jahre + Männer, die langjährig beschäftigt waren, 63 Jahre,
- Erhöhung des Renteneintrittsalters für Schwerbehinderte von 60 auf 63 Jahre,
- Erhöhungen des Rentenbeitrags,
- Streichung der Renten wegen Berufsunfähigkeit und Einführung der Erwerbsminderungsrente
- Änderung der Rentenberechnungsformel um einen Faktor, der das durchschnittliche Lebensalters berücksichtigt,
- höhere Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge,
- Änderung der Rentenformel, zwecks Senkung des Rentenniveaus,
- Kürzung der Witwen- und Hinterbliebenenrente von 60 auf 55 Prozent,
- Kompletter Pflegeversicherungsbeitrag für Rentner,
- Einführung der Besteuerung der Renten,
- Schrittweise Erhöhung des Rentenalters von 65 auf 67 Jahre.

Werden die Babyboomer die geplante Senkung ihre künftigen Renten stillschweigend hinnehmen?
Es wäre verwunderlich, sind doch bundesdeutsche Renten im Vergleich zu anderen Ländern sehr niedrig. So liegt die Netoersatzquote, die das Einkommen von Rentnerinnen und Rentnern mit vollständiger Erwerbsbiografie im Ruhestand im Vergleich zu ihrem Verdienst während der Erwerbstätigkeit angibt, in Ungarn, Luxemburg, Portugal, der Türkei und Österreich über 70 Prozent, in Deutschland dagegen nur bei rund 53 Prozent." Die OECD aus dem Jahr 2021 finden Sie online unter: Link

- Ein bissel Widerstand gegen die Rentensenkungspläne von Monika Schnitzer kam von Martin Rosemann, sozialpolitischer Sprecher der SPD im Bundestag. Den eingezahlten Beiträgen in die Rentenkasse müssten auch entsprechende Leistungen gegenüberstehen, meinte er.
- Ablehnung kam von der Grünen Andreas Audretsch. Die Vizevorsitzende der Grünen-Fraktion sprach im Namen der Ampelkoalition: „Es wird mit der Ampel weder Rentenkürzungen noch eine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters geben“. Der Beitragsatz bleibe „stabil unter 20 Prozent“.
- Pascal Kober, der Sozialexperte der FDP machte Gegenvorschläge: Er setzt auf stärkere Zuwanderung von Fachkräften und auf die zehn Milliarden des Bundes für den Finanzmarkt zwecks Aktienrente, die zur Stabilisierung der Rentenkasse beitragen sollen. Höhere Rentenbeiträge lehnt er ab.
- Stephan Stracke, Sozialpolitischer Sprecher der CDU/CSU war auch nicht amused von Schnitzers Ideen. Es bestehe kein Handlungsbedarf, die Altersgrenze weiter zu erhöhen“ und
die vorgeschlagene "Abschmelzung" hoher Renten sei „im höchsten Maße ungerecht“.

Auf die Reaktionen aus dem Politikbetrieb der Hauptstadt sollten sich die Babyboomer nicht verlassen. In Berlin wird viel geredet.

Quelle: SZ, 9.1.23, https://www.adg-ev.de/positionspapier-soziale-sicherung-deutschland, rentenreform-alternative.de/rentendemontage.htm