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Verfassungsgericht: Klage der Erwerbsminderungsrentner im Bestand abgelehnt - Ungleichbehandlung kann fortgeführt werden

Foto: H.S.

04.08.2023 - von Stefan Sell

Wir reden beim Thema Erwerbsminderungsrenten nicht von einer kleinen Gruppe oder gar Einzelfällen. Beispiel 2021: In diesem Jahr wurden 848.000 Altersrenten neu bewilligt, hinzu kamen 166.000 Erwerbsminderungsrenten, die neu bewilligt und ausgezahlt wurden. In den vergangenen Jahren lag der Anteil der neuen Erwerbsminderungsrenten an allen neuen Renten immer zwischen 16,2 bis 18,2 Prozent. Man muss zudem berücksichtigen, dass zahlreiche Anträge auf eine EM-Rente abgelehnt worden sind bzw. werden: Insgesamt wurden im Jahr 2021 knapp 352.000 Anträge auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gestellt. Bewilligt wurden gut 175.000 (vgl. zu diesem Thema bereits den Beitrag Über den (Nicht-)Zugang zur Erwerbsminderungsrente vom 22. April 2019). Das durchschnittliches Zugangsalter in Erwerbsminderungsrenten betrug 2021 bei den Männern 54,1 Jahre und bei den Frauen 53,1 Jahre.

Gegen die angesprochene Ungleich- und Schlechterbehandlung haben sich betroffene „Bestandsrenter“ vor Gericht gewehrt und sind dabei von den beiden Sozialverbänden VdK und SoVD gemeinsam in einem Revisionsverfahren beim Bundessozialgericht (BSG) aufgrund der die Klagen zurückgewiesenen Urteile der sozialgerichtlichen Vorinstanzen unterstützt worden.

Keine höhere Erwerbsminderungsrente für Bestandsrentner Datum 10.11.2022 Ausgabe 42 / 2022
Rentner, deren Erwerbsminderungsrente bereits vor dem 1. Januar 2019 begann, haben keinen Anspruch auf eine Neuberechnung ihrer Rente nach den inzwischen geltenden, deutlich günstigeren Regelungen. Sie können nicht verlangen, dass bei ihrer Rente Zurechnungszeiten in demselben Umfang berücksichtigt werden, wie das bei den ab 2018 und vor allem bei den ab 2019 neu bewilligten Renten geschieht. Das hat der 5. Senat des Bundessozialgerichts am 10. November 2022 entschieden (Aktenzeichen B 5 R 29/21 R und B 5 R 31/21 R). Pressemiteilung siehe: Link

Die beiden Sozialverbände VdK und SoVD haben sofort nach dem Urteil des BSG verkündet, dass sie das dennoch dem Bundesverfassungsgericht vorlegen und klären lassen wollen, ob die derzeitige Gesetzgebung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes verstößt.

Mit Bezug auf den Beschluss vom 12. Juni 2023 – 1 BvR 847/23 hat die 3. Kammer des Bundesverfassungsgerichts nun mitgeteilt: „Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.“ (…)

Offensichtlich erkennt das BVerfG in der vom VdK und dem SoVD gemeinsam betriebenen Verfassungsbeschwerde keine „grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung“. (…) Damit bleibt es dabei: Die Ungleichbehandlung der Bestandsrentner in der Erwerbsminderungsrente kann fortgeführt werden. Eine teilweise Abmilderung der damit verbundenen finanziellen Schlechterstellung der Alt- gegenüber den Neufällen wird durch die pauschalen prozentualen Zuschläge, die ab Juli 2024 ausgezahlt werden und mit denen die Politik auf die jahrelange Kritik an der Nicht-Berücksichtigung der Bestandsfälle reagiert hat, erreicht. Nicht mehr, nicht weniger.“

Beitrag von Stefan Sell vom 3. August 2023 auf seiner Homepage unter: Link