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Genf- 10.12.: Intern. Tag der Menschenrechte - Aktionstage vor dem UNHCR

09.12.2022

Das Worst-Case-Szenario für Italien ist eingetreten: mit Meloni eine Post-Faschistin als Regierungs-Chefin, im Verkehrsministerium Salvini u.a. mit der Hoheit über die Küstenwache, ein früherer Salvini-Untergebener als Innenminister. Nicht nur in Sachen Migration hätte es nicht schlimmer kommen können.

„Roms Gruselkabinett" (taz) hatte gerade angefangen, die Amtsgeschäfte zu übernehmen, da erreicht das Alarm Phone am Morgen des 25. Oktober ein Notruf, der in der Folge die italienische Küstenwache zu einem ihrer größten Rettungseinsätze der letzten Jahre zwingen wird. Denn das Boot, das aus dem libyschen Tobruk gestartet und südöstlich von Sizilien in Seenot geraten ist, hat 700 (!) Menschen an Bord. Und: der Anrufer gibt an, dass mit ihnen ein zweites Boot mit 600 Menschen unterwegs sei und sich ebenfalls in der Nähe befindet. Noch nie zuvor in seiner fast genau acht-jährigen Geschichte hatte das Alarm Phone ein SOS mit nahezu 1300 Menschen an die Küstenwachen weitergeleitet.

Umso interessanter erscheint, dass die italienischen Behörden - von einer knappen Presseinformation abgesehen - zu ihrem Grosseinsatz mit mindestens fünf Rettungsschiffen quasi nichts veröffentlichten. In den Medien fanden sich keine Fotos der überladenen Boote, kein überfüllter Hafen nach der Ankunft, nichts. Vielmehr wurden die - so letztlich die genaue Zahl - 1157 Geretteten sowie zwei Leichname stillschweigend auf verschiedene Häfen verteilt. Zwei NGO-Schiffe, die in der Nähe waren, wurden ausdrücklich angewiesen, sich von den zwei Booten fernzuhalten. Offensichtlich hatte die neue rechtsextreme Regierung höchstes Interesse, diese Rettung ohne Öffentlichkeit durchzuführen und keine weiteren Details nach außen dringen zu lassen.

In den kommenden Tagen und Wochen wird sich zeigen, ob Rettungsschiffen - wie schon 2018 unter Salvini - erneut das Anlaufen italienischer Häfen verweigert wird. Der Ankunft der Menschen, die aus Tobruk aufgebrochen waren, konnte die neue Regierung jedenfalls nichts entgegen setzen und es bleibt fraglich, ob und wie Meloni ihre Ankündigung einer „Seeblockade" gegen Geflüchtete und Migrant:innen umsetzen will.

In Berlin macht unterdessen Innenministerin Faeser wiederholt deutlich,
dass sie bezüglich der Außengrenzen faktisch eine ganz ähnliche Politik wie Italien verfolgt. „Wir sind gemeinsam in der Verantwortung, illegale Einreisen zu stoppen, damit wir weiter den Menschen helfen können, die dringend unsere Unterstützung brauchen", so die Ministerin laut dpa. Faeser versucht damit, Hilfebedürftige aus der Ukraine gegen die „illegal Einreisenden" aus Syrien, Afghanistan, Eritrea oder anderen Herkunftsländern auszuspielen. Unlängst hatte sie zu einer Westbalkan-Konferenz nach Berlin eingeladen, um effektiver „die irreguläre Migration zu begrenzen", was angesichts der täglichen Realitäten nichts anderes bedeutet, als Push-Backs und weitere Menschenrechtsverletzungen im Balkan zu rechtfertigen.

Umso wichtiger, dass praktischer Widerstand gegen das brutalisierte Grenzregime es einmal mehr sogar in die Mainstream-Medien schafft. Ein Film-Team von Report Mainz hat unlängst die solidarische Fluchthilfe für eine Familie aus dem Irak über den Balkan begleitet und dokumentiert - mit juristischen Kommentaren, die die potentielle Kriminalisierung der Unterstützer:innen in Frage stellt.

Nach Rom und Berlin zum Abschluss ein Abstecher in die Hauptstadt der internationalen Organisationen: nach Genf. Hier befindet sich der Hauptsitz des UNHCR, der am 9. und 10. Dezember 2022 in einer zweitägigen Aktion belagert werden soll. „Vor einem Jahr protestierten Tausende von Geflüchteten über 100 Tage vor dem Büro des UNHCR in Tripolis: ein historischer Akt der Selbstorganisation unter härtesten Bedingungen." So beginnt der transnationale Aufruf zu den Protesttagen, der die Forderungen der „Refugees in Libya" in Europa verstärken, also lauter und sichtbarer machen soll. Alles sind eingeladen, sich dieser Mobilisierung nach Genf zum internationalen Tag der Menschenrechte anzuschließen.


KOMPASS ANTIRA-NEWSLETTER 11/2022

VON TRIPOLIS NACH GENF: BRINGEN WIR DEN PROTEST VON „REFUGEES IN LIBYA“ NACH EUROPA!
Aufruf zum Sit-In und zur Demonstration vor dem Hauptsitz des UNHCR am 9. und 10. Dezember 2022 Vor einem Jahr protestierten Tausende von Geflüchteten über 100 Tage vor dem Büro des UNHCR in Tripolis: ein historischer Akt der Selbstorganisation unter härtesten Bedingungen. Sie forderten:
• Evakuierung aller Geflüchteten in sichere Länder
• eine faire Behandlung aller Geflüchteten durch das UNHCR Libyen
• keine EU-Finanzierung der sogenannten libyschen Küstenwache und der Internierungslager in Libyen
• Gerechtigkeit für die Ermordeten, Gefolterten und willkürlich Inhaftierten - ein Ende der Straflosigkeit für die Menschenrechtsverbrechen in Libyen
• Libyen soll die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 unterzeichnen

Die Demonstrierenden wurden bedroht und angegriffen und hielten dennoch an ihren
Forderungen fest. Auch wenn die Sitzblockade brutal aufgelöst und Hunderte Demons-
trierende am 10. Januar 2022 inhaftiert wurden, haben sie weder den politischen Kampf
noch ihre Hoffnung aufgegeben. Die Forderungen sind nach wie vor aktuell und die
Kämpfe gehen in verschiedenen Formen weiter.

Das UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees) hat das Mandat, den inter-
nationalen Schutz vertriebener Menschen weltweit zu gewährleisten – in Libyen jedoch
werden Geflüchtete vom UNHCR vernachlässigt, Schutz wird nicht gewährt und Evakuie-
rungen finden nicht statt. Geflüchtete in Libyen und anderen Ländern Nordafrikas erfah-
ren stattdessen eine unfaire Behandlung.

Bis heute sind Tausende von Menschen in Libyen festgesetzt, ausgebeutet, inhaftiert
und getötet worden- mit europäischen Geldern und ohne dass UNHCR dies verhindert
hätte. Deshalb müssen die Proteste weitergehen – nicht nur in Libyen, sondern auch vor
der UNHCR-Zentrale in Genf/Schweiz.
Vor diesem Hintergrund und in Anlehnung an den Internationalen Tag der Menschen-
rechte (10. Dezember 2022) rufen wir zu zwei Aktionstagen direkt vor dem UNHCR-
Hauptsitz in Genf auf.

Wir beginnen die Proteste am 9. Dezember 2022, um 10.00 Uhr CET mit einer Pressekon-
ferenz und einem anschließenden Sit-in, das mindestens 24 Stunden dauern wird

Die
zentralen Reden werden von Sprecher*innen der Gruppe „Refugees in Libya“ gehalten,
von denen einige in der Zwischenzeit Europa erreichen konnten.
Wir werden ein 24-stündiges Programm mit Informationen zur Situation und den Kämpfen von Geflüchteten und Migrant*innen in Nordafrika organisieren.
Am nächsten Tag, dem 10. Dezember 2022, rufen wir zu einer Demonstration auf, die um
13:00 Uhr CET mit einer erneuten Versammlung vor dem UNHCR-Gebäude (Rue de Montbrillant 94) beginnt.

Wir laden alle Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen, die die Forderungen von
„Refugees in Libya“ solidarisch unterstützen, dazu ein, sich dieser Mobilisierung nach
Genf anzuschließen, um den Stimmen geflüchteter Menschen in Libyen damit mehr Gehör und Sichtbarkeit zu verschaffen.

Helft uns, diesen Aufruf zu verbreiten! Und organisiert Autos und Busse aus euren Städten in der Schweiz und in ganz Europa, um für zwei Tage nach Genf zu kommen oder zumindest für
die Demonstration am Samstag, 10.12.2022, 13:00 CET!

Solidarity will win!
KONTAKTIERT UNS: SOLIDARITYWITHREFUGEESINLIBYA@RISEUP.NET
AUFRUFE IN MEHREREN SPRACHEN HIER:
Link


Fr. 9.und Sa.10.12 in Genf:
Erste Informationen aus den Planungen des Netzwerks Solidarity with Refugees in Libya:
„The 10th of December is a Saturday, thus - because of media strategies and to be as visible as possible also in the mainstream medias on the International Day of Human Rights - we plan to start on 9th of December, Friday, in the morning at 10:00 CEST with a press conference and an (at least symbolic) Sit-In nearby the UNHCR Headquarter in Geneva. The Sit-In was the main form of protest in Tripoli from Refugees in Libya in front of the UNHCR Office. Thus we want to bring it to Geneva as well, and spokes-person(s) from Refugees in Libya will be the main speakers on the press conference and in the sit-in-manifestation.

We plan to stay as close as possible with a vigil and tents for at least 24 hours and we think for workshops and public discussions, but also for an exhibition, for video screenings and more to visualize the protests and demands from Refugees in Libya nearby the UNHCR headquarter.

We want to combine this protest on Friday, 9th, with a (bigger) demonstration next day, 10th of December. The demonstration will start with a manifestation in front of UNHCR around noon, afterwards we will march through the streets of Geneva to bring our demands to the local public as well….“