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14.01.2022 - von German-Foreign-Policy
EU-Außen- und Verteidigungsminister legen letzte Hand an den Strategischen Kompass der EU. Experten kritisieren das Papier als unzulänglich für eine ehrgeizige Weltpolitik.
Ernste Rückschläge für die ehrgeizige Außen- und Militärpolitik der EU haben die gestrige Debatte der Außen- und Verteidigungminister über die künftige EU-Militärdoktrin überschattet. Der Strategische Kompass, über den auf dem Treffen verhandelt wurde, soll künftig die weltpolitischen Aktivitäten der EU steuern; seine Verabschiedung ist für Ende März vorgesehen. Das Dokument, auf geheimdienstlicher Grundlage entwickelt, legt eine scharfe Positionierung gegen Russland und eine häufigere Entsendung von Kriegsschiffen in den Indischen und den Pazifischen Ozean fest; zudem ist der Aufbau einer neuen, 5.000 Soldaten umfassenden Eingreiftruppe vorgesehen. Berliner Regierungsberater üben deutliche Kritik. So heißt es in einer aktuellen Analyse aus der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), in einer Zeit, in der Europas „wirtschaftliche und demographische Bedeutung in der Welt sinke“, zeichne sich das Papier durch Beliebigkeit, unklare Prioritäten und unrealistische Zielsetzungen aus. Schon jetzt fällt die EU in der Weltpolitik zurück; sie ist an den Gesprächen zwischen den USA und Russland nicht direkt beteiligt und verliert in Afrika Einfluss an Moskau.
Auf geheimdienstlicher Grundlage
Der Strategische Kompass geht letztlich auf einen Vorstoß der Bundesrepublik im Jahr 2019 zurück. Ziel ist es, die bereits 2016 verabschiedete Globale Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der EU, wie die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in einer aktuellen Analyse schreibt, „im Sinne einer Militärdoktrin“ zu konkretisieren.[1] Praktisch begonnen wurde die Arbeit an dem Dokument in der zweiten Jahreshälfte 2020 unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft.
Der erste Schritt bestand darin, eine „Bedrohungsanalyse“ zu erstellen. Damit waren die Geheimdienste der EU-Mitgliedstaaten und die EU-Geheimdienstzentren EU IntCen (European Union Intelligence and Situation Centre) sowie EUMS INT (European Union Military Staff Intelligence Directorate) befasst.
Der Strategische Kompass der Union beruht also im Kern auf einem Geheimdienstpapier, das abseits öffentlicher Beobachtung, geschweige denn demokratischer Kontrolle, erstellt worden ist (german-foreign-policy.com berichtete [2]). Auf seiner Grundlage hat die EU-Kommission strategische Leitlinien entwickelt, über die sich die Außen- und Verteidigungsminister der EU zum ersten Mal am 15. November 2021 in Brüssel ausgetauscht haben. Danach wurden Ergänzungen eingearbeitet; sie waren gestern Thema der Debatte der Außen- und Verteidigungsminister.
Die Rückkehr der Machtpolitik
Einer detaillierteren Analyse hat den Entwurf für den Strategischen Kompass nun die SWP unterzogen. Wie die Berliner Denkfabrik konstatiert, unterscheidet sich der Kompass von der Globalen Strategie der EU besonders dadurch, dass er nicht – wie diese – vorrangig auf „soft power“ setzt, sondern stattdessen eine „Rückkehr der Machtpolitik“ in den Mittelpunkt der Planungen stellt. Ausgangspunkte der Strategiebildung, hält die SWP fest, seien einerseits die „zunehmende Bipolarität zwischen den Vereinigten Staaten und China“, andererseits eine „multipolare Dynamik“, die darin bestehe, dass „eine wachsende Zahl“ von Staaten versuche, „ihren jeweiligen politischen Einflussbereich zu erweitern“. Dies bezieht sich nicht nur auf Russland, das seine Positionen in den vergangenen Jahren zum Teil wieder ausbauen konnte, sondern etwa auch auf die Türkei, die eine expansive Außenpolitik verfolgt. Zugleich habe man einzuräumen, schreibt die SWP, dass Europas „wirtschaftliche und demographische Bedeutung in der Welt sinke“.[3] Wolle man dem entgegenwirken, dann habe man erhebliche Anstrengungen in Kauf zu nehmen – denn die globale Rivalität beziehe mittlerweile längst sämtliche Dimensionen ein. Heute seien „nicht nur die Meere, sondern gleichfalls der Weltraum und die Cybersphäre zunehmend umkämpfte Gebiete“. ..."
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