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Abschaffung der Doppelverbeitragungen: Mail an Claudia Moll, Manuel Gava+Thomas Hitschler, MdBs für SPD

Foto: H.S.

26.10.2021 - von Horst Gehring

Aus Anlass der Koalitionsverhandlungen zum Ampel-Bündnis werden die in der SPD, bei den Grünen und der FDP mit der Reform des bAV befassten Abgeordneten aufgefordert, die Rückerstattung aus Altverträgen nicht zu vernachlässigen und die Forderungen von fast sieben Millionen Betroffenen bei den Koalitionsverhandlungen für ein Ampel-Bündnis nicht unter den Tisch fallen zu lassen.

Neben der Abschaffung der so genannten Doppelverbeitragung bei Betriebsrentnern, siehe ich noch zwei weitere Schwerpunkte: Die gesetzlichen Krankenkassen bekommen immer noch von ca. 40 Prozent der Betriebsrentnerinnen und Betriebsrentner den doppelten Beitragssatz. Diese Abschaffung wird von Olaf Scholz unterstützt.

Doch wie sieht es mit der Rückerstattung aus Altverträgen vor 2004 aus? Ganz besonders schwer wiegt für mich die Tatsache, dass von den fast 7 Millionen Betroffenen ungefähr ein Drittel Frauen sind. Häufig Mütter, die aufgrund von Kindererziehungszeiten und Halbtagsjobs ohnehin schon eine finanzielle Einbuße ihrer Einkommen hinnehmen mussten.
Die gesetzlichen Renten sind bekanntlich gerade einmal über der Grundsicherung angesiedelt. Diese Schieflage gilt es zu beseitigen. Ich weiß noch sehr genau, dass der Gesetzgeber bereits Anfang der siebziger Jahre mit dem Beiträge-Rückzahlungsgesetz einbehaltene Beiträge zurück gezahlt hat!

Ich möchte auch noch einmal die Ungleichbehandlung von freiwillig Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung ansprechen. Seit Januar 2004 hat die CDU/CSU diesen TOP der Gleichstellung blockiert. Auch hier sehe ich wegen Doppelverbeitragung einen großen Handlungsbedarf! Wer sich intensiv mit dieser Thematik befasst, wird feststellen, dass die Politik hier ein rechtliches Risiko eingeht, wenn geklagt wird.

Entstehungsgeschichte des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes und die daraus resultierende Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit.

Das Thema der Direktversicherungen begleitet mich seit dem Sommer 2003. Es gab seinerzeit nachvollziehbare Gründe für diese gesetzliche Regelung. Im Jahr 2003 ging es für die gesetzlichen Krankenkassen um ein geschätztes finanzielles Entlastungsvolumen, das von rd. 10 Mrd. Euro in 2004 auf ca. 14 bis 15 Mrd. Euro in 2007 anstieg.

Seit den 80er Jahren sorgen viele Arbeitnehmer fürs Alter vor. Manchmal gewährte der Arbeitgeber auch Treueprämien in Form einer betrieblichen Altersversorgung, häufig aber nicht. Die Politik hat die Altersvorsorge teilweise mit einer Pauschalsteuer in Höhe von 20, 15, zuletzt nur noch mit 10 Prozent und Sozialabgabenfreiheit gefördert, oft wurden die Prämien auch vom Nettogehalt bezahlt.

Im April 2003 entschied das Bundeskabinett über den Gesetzesentwurf, welcher dann als Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) von der damaligen rot – grünen Regierung unter Gerhard Schröder (SPD) erarbeitet wurde. Die Feder bei diesem Entwurf führte Franz Knieps, heute Vorsitzender des Dachverbands der Betriebskasse (BKK), damals Leiter der entsprechenden Abteilung beim BMG.

Als Zeitzeuge erlaube ich mir den Hinweis, dass das Gesundheitsmodernisierungsgesetz, welches die heute gültige Rechtslage begründete, jedoch nicht auf den ursprünglichen Gesetzentwurf zurückgeht, den die damaligen Koalitionspartner SPD und Bündnis 90/Die Grünen in den Bundestag eingebracht hatten. Mit dem Gesetz verfolgte die rot – grüne Regierungskoalition unter Bundeskanzler Gerhard Schröder das Ziel, die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und damit die Lohnnebenkosten dauerhaft zu senken. Ich erinnere mich noch an einen Gesamtumfang des Projektes von 176 Seiten. Darüber hinaus wurde durch das GKV-Modernisierungsgesetz geregelt, dass eine Beitragspflicht auf einmalige betriebliche Kapitalleistung schon vor Rentenbeginn vereinbart worden war. (§ 229 Abs…1 Satz 3 SGB) 09.03.2003.

Ich empfehle auch einen Hinweis auf die Gesetzgebung. Quelldokumente & Hintergrundpapiere
Siehe GKV – Modernisierungsgesetz – Portal BGBI Nr.5 (2003) S.2190 http.//Link

Schon damals gab es eine Verzögerung von 6 Monaten bis zur Fertigstellung, so dass man sich in einem erheblichen Zugzwang befand, wie Reinhold Hemker (SPD) damals bemerkte. Dieses Verfahren wurde hauptsächlich von SPD-Abgeordneten kritisiert.

Am 21. und 22.06.2003 vereinbarten Kanzler Schröder und Oppositionsführerin Merkel die am 01.07.2003 begonnenen Konsensgespräche. Das politisch vereinbarte Ziel war die Absenkung des GKV-Beitragssatz-Niveau auf unter 13 Prozent.

Bis zu diesem Zeitpunkt war auch für mich der Entwurf zum GMG akzeptabel. Es gab auch keinen Hinweis, dass ohne eine Übergangs- und Vertrauensschutzregelung in die Altersvorsorgeverträge eingegriffen werden sollte, in die Arbeitnehmer ihre privat eingezahlten und bereits versteuerten Beiträge dem Arbeitgeber als Versicherungsnehmer übertragen haben. Dieses ließ sich nach meiner Aufzeichnung vom 09.03.2003 auch nicht ableiten.

Die über einen Zeitraum vom 01.01.2004 bis dato gerichteten Vorwürfe gegen Olaf Scholz als ehemaligen SPD-Generalsekretär, er hätte 6 Millionen Betriebsrentner betrogen, kann ich so nicht erkennen. Zu mindest lässt sich dieser Vorwurf aus dem SPD – Entwurf nicht ableiten.

Interessant ist auch ein Vorgang aus September 2003, der zu folgender BAG-Entscheidung führte: BAG, Urteil vom 18.02.2020, 3 AZR 206/18 / Schlagworte: Entgeltumwandlung, Aufklärungspflicht, Betriebliche Altersvorsorge

Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung müssen Auskünfte, die ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer ohne Rechtspflicht erteilt, richtig, eindeutig und vollständig sein. Eine Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer bei einer Änderung der Sach- und Rechtslage zu unterrichten, wenn seine zuvor erteilten Auskünfte unrichtig werden, hängt davon ab, ob der Arbeitgeber aufgrund besonderer Umstände erkennen kann, dass die Richtigkeit der Auskunft auch für die Zukunft Bedeutung hat.

Betriebliche Altersversorgung ist nach Auffassung des Unterzeichners ein Sammelbegriff für alle finanziellen Leistungen, die ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses zur Altersversorgung, Versorgung von berechtigten Hinterbliebenen im Todesfall oder zur Invalidität bei Erwerb – oder Berufsunfähigkeit zusagt.

Wie funktioniert unsere Rechtsprechung?

Zur Arbeit der Rechtsprechung bei der Entscheidungsfindung möchte ich auf folgende Hintergrundinformationen hinweisen:

Um die Bedeutung eines Rechtssatzes, hier besonders der Definition der betrieblichen Altersversorgung eindeutig ermitteln zu können, haben sich grundsätzlich vier juristische Methoden der Auslegung manifestiert. Das sind die grammatikalische (1), die systematische (2), die historische (3), und die teleologische Auslegung (4). Bei der Auslegung von Rechtssätzen ergänzen sich die Methoden. Kann ein Rechtssatz mit mehreren Methoden ausgelegt werden, so schließt eine Methode nicht die andere aus, sondern die einzelnen Methoden greifen ineinander, um ein Auslegungsergebnis zu erzielen.

(1) Die grammatikalische Auslegung setzt am Wortlaut des Gesetzes an. Es wird der Rechtssatz interpretiert, um den Wortlaut des einzelnen Gesetzes zu ermitteln. Es muss analysiert werden, welche Bedeutung dem Gesetzestext beziehungsweise einzelnen Wörtern der zu prüfenden Norm im Alltags- oder Fachsprachengebrauch zukommt.
Der Wortlaut zur betrieblichen Altersversorgung ist hier eindeutig. Es geht um Versorgungsleistungen, welche aus Anlass eines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt wurden. Unterscheidungen in der konkreten Finanzierung dieser Versorgungsleistung sind vom Wortlaut hier nicht erkennbar.

Bei der systematischen Auslegung wird das Normsystem des entsprechenden Gesetzes betrachtet, um die genannte Bedeutung des Rechtssatzes zu ermitteln. Bei der systematischen Auslegung hilft vor allem ein Blick auf die Überschrift der Norm, die Überschrift des Abschnitts, in dem die Norm steht, auf nahe gelegene Normen, an welcher Stelle im Gesetz steht der Rechtssatz, welche Regelungen finden sich vor und nach dem konkreten Paragraphen usw.
Weder im SGB V, noch im BetrAVG, gibt es systematische Anhaltspunkte für eine Differenzierung der konkreten Art der Direktversicherung hinsichtlich der Beitragspflicht.

(2) Die historische Auslegung kennzeichnet sich dadurch, dass zur Bedeutungsfindung des einzelnen Rechtssatzes die Vorstellung, der Wille und die Motive des Gesetzgebers ermittelt werden sollen, und die bei der Gesetzgebung stattgefundenen Diskussionen berücksichtigt werden. Der Wille des Gesetzgebers, d.h. warum das jeweilige Gesetz eingeführt wurde, findet sich im Bundesgesetzblatt, in den Begründungen und Protokollen im Gesetzgebungsverfahren.

Nach der Begründung des Gesetzentwurfes in der Drucksache 5/1525 ging es um die Abschaffung der Umgehungsmöglichkeit bei einer Kapitalabfindung. Auch hier lässt sich kein Wille zur differenzierten Betrachtung der unterschiedlichen Versionen von Direktversicherungen erkennen.

(3) Die teleologische Auslegung kommt häufig zur Anwendung, wenn die historische Auslegung nicht genügend Anhaltspunkte bietet. In dieser Auslegungsform wird nach Sinn und Zweck der Norm gefragt. Dabei ist in der Rechtsanwendung darauf zu achten, dass ein Rechtssatz eine gerechte und sachgemäße Regelung sein soll. Es soll ein Interessenausgleich vorgenommen werden, damit ein unzumutbar ungerechtes oder sachfremdes Ergebnis vermieden wird.

Nach Sinn und Zweck wurde zunächst grundsätzlich die Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung auch für die betriebliche Altersvorsorge festgeschrieben, um so auch den Vorgaben des BVerfG zu entsprechen. In der Folge wurde die Umgehungsmöglichkeit der Beitragspflicht bei Einmalzahlung abgeschafft. Bezweckt wurde damit die Gleichbehandlung der Arten der betrieblichen Kranken- und Pflegeversicherung. Dieser Zweck wurde auch erreicht. Die Vor- und Nachteile durch die unterschiedlichen Finanzierungen sind im einzelnen Fall gegeben, allerdings nicht in einem Maße, das sie eine andere Entscheidung gegenüber der grammatikalischen und der historischen Auslegung aufzwingen würden. Neben den vier klassischen gibt es noch weitere Formen der Gesetzesauslegung, welche allesamt in der Rechtsprechung Beachtung zu finden haben.

Hierzu zählt insbesondere europarechtlich die richtlinienkonforme Auslegung. Aus § 288 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ergibt sich, dass von der EU erlassene Richtlinien unmittelbar für jeden Mitgliedsstaat Geltung erlangen. Diese Auslegung ist vorliegend nicht einschlägig, da es keinen europarechtlichen Bezug gibt.

Zuletzt folgt noch die nationale verfassungskonforme Auslegung. Hiernach muss einfaches Recht stets grundgesetzkonform ausgelegt werden. So ergibt sich etwa aus Art. 1 Abs. 3 GG, das auch die Rechtsprechung an die Grundrechte gebunden ist. Hierdurch müssen bei der Gesetzesauslegung stets die Wertungen des Grundgesetzes beachtet werden.

Zur Verfassungsmäßigkeit hat das BVerfG insbesondere in den bekannten Entscheidungen vom 07.04.2008 (1 BvR 1924/07) und vom 28.09.2010 (I BvR 1660/08) ausgeführt, dass die Regelung im Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung zu § 229 Abs. I Satz 3 SGB V nicht unzumutbar gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes verstößt und damit mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die bisherige Rechtsprechung mit ihrem Schwerpunkt auf dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung und dem Willen des Gesetzgebers bei der Frage der Beitragspflicht rechtssicher entscheidet. Das taugliche Unterscheidungskriterium im Einzelfall ist die Einordnung als betriebliche Altersversorgung gegenüber der allein privat organisierten Altersvorsorge: soweit die derzeitige Rechtslage.

Somit müssen wir also feststellen, dass nur Kapitalleistungen, welche ein Arbeitnehmer durch eigene Prämienzahlung nach dem Ende eines Arbeitsverhältnisses auf eine Kapitallebensversicherung unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers eingezahlt hat, nicht der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 06. September 2010 – BvR 739/08, SozR 4-2500 § 229 Nr.10 -- 1 BvR 1660/08, SozR4-2500 § 229 Nr.11, juris 15; Landessozialgericht (LSG) NRW, Beschluss vom 18. 12. 2013 – L II KR 140/12, juris Rn 30).

Dass der folgende Absatz nicht die Zustimmung aller Betroffenen findet ist mir klar. Unter Berücksichtigung der „laufenden Rechtsprechung“ teilen die Juristen die Meinung, dass gegen die Erhebung der Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung keine Bedenken bestehen. Denn der Betroffene ist bis zum Ablauf der Lebensversicherung und der dann erfolgenden Auszahlung an ihn als Begünstigter zu keinem Zeitpunkt in die Stellung des Versicherungsnehmers eingerückt, wenn seine Prämienzahlungen über das Arbeitgeberkonto liefen. Der Betriebsbezug der einmal begründeten betrieblichen Altersversorgung bestand bis zu ihrer Auszahlung fort. Denn entscheidend ist allein, dass der Vertrag ursprünglich im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung geschlossen wurde /vgl. BSG, Urteil vom 12. 12. 2007 – B 12 KR 2/07 R, juris Rn. 15; LSG NRW, Beschluss vom 18. 12. 2013 – L II KR 140/12, juris Rn. -- 32; LSG Saarland, Urteil vom 14. 7. 2015 – L 2 KR 173/14, juris Rn. 24) und wie – bereits ausgeführt – der Betroffene nicht in die Rolle des Versicherungsnehmers eingerückt ist.

Bis zum heutigen Tag befasst sich der Verfasser aber auch mit der Abwehr von unberechtigten Beitragsforderungen durch die gesetzlichen Krankenkassen. Die daraus resultierende Bilanz spricht aber für eine gute kollegiale Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen sowie gewerkschaftlicher Fachkompetenz. Daher merken wir uns folgende Aussage:

„Vor Gericht bekommt man kein Recht, sondern nur ein Urteil.“

Seit Januar 2004 kämpfte ich in meinem ersten Widerspruchsverfahren zur Beitragspflicht von Leistungen der Direktversicherung in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Schon in der zweiten Januarwoche des neuen Jahres stieß ich auf den Begriff Betriebsrentner. Durch Insiderwissen kannte ich natürlich auch das neue Gesundheitsmodernisierungsgesetz.

Der Begriff Betriebsrente beschreibt alle Maßnahmen, die zur betrieblichen Altersvorsorge (BAV) gehören. Dabei geht es immer darum, dass der Arbeitgeber gegenüber seinem Arbeitnehmer eine Zusage zur Versorgung nach dessen Ausscheiden aus dem Arbeitsleben macht. Da es sich hier um eine klassische Arbeitgeberleistung gehandelt hat, war für mich der Begriff Betriebsrentner o.k.

Ich komme jetzt zu einem Punkt, wo es um den Begriff "Betriebsrentner" geht.

Als unverzeihlich betrachte ich noch heute die Regelung aus dem Oktober 2003. Mit den seinerzeitigen Maßnahmen wollte der Gesetzgeber vorgeblich systemwidrige Ungleichbehandlungen und Umgehungsmöglichkeiten bei der Verbeitragung von Betriebsrenten und Versorgungsbezügen korrigieren bzw. beseitigen. Insgesamt sollten die Maßnahmen dazu führen, dass auch Rentnerinnen und Rentner mit Versorgungsbezügen „in angemessenem Umfang an der Finanzierung der Leistungsaufwendungen für sie“ beteiligt sind, so die Gesetzesbegründung. Zudem ging der Gesetzgeber davon aus, dass die eingeführten Regelungen zu einer „für alle gerechten Belastung“ führen und nur Rentnerinnen und Rentner, die „über Versorgungsbezüge …. als zusätzliche, ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit steigernde Einnahmen verfügen“ eine Mehrbelastung im Vergleich zu den bisherigen Regelungen tragen müssen.

Die offizielle Begründung kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Staat seinerzeit ohne Vorwarnung, ohne Übergangs- und Vertrauensschutzregelungen und ohne Rücksichtnahme auf rentennahe Jahrgänge rückwirkend in bereits bestehende Verträge eingegriffen hat. Mit einem Federstrich wurde so die Altersvorsorge vieler Bürger zunichte gemacht!

Insbesondere Betriebsrentnerinnen- und Betriebsrentner mit Altverträgen, die in Form einer einmaligen Kapitalabfindung ausgezahlt werden, mussten von einem Tag auf den anderen hinnehmen, dass die Auszahlleistung – alleine durch den Eingriff der Sozialversicherungsträger – fast um ein Fünftel gekürzt wurde!

Seit Jahren bemängeln Betroffene die aus ihrer Sicht rechtswidrige Verbeitragung vertraglich vereinbarter einmaliger Kapitalauszahlungen aus ihren Lebensversicherungen – derzeit ca. 30 Mrd. €uro zwangsenteignetes privates Kapitalvermögen, und die gegen das Gesetz (§ 229 SGB V) verstoßende Rechtswidrigkeit aller Sozialgerichtsurteile, die Missachtung des Urteils 1 BvR 1660/08 des BVerfG durch alle Sozialgerichtsinstanzen bis zum BSG, sowie den tatsächlichen Willen des Gesetzgebers, dass zusätzlich nur eine Kapital-Abfindung einer echten Betriebsrente ab 2004 verbeitragt werden sollte - niemals aber eine einmalige Kapital-Auszahlung einer privat finanzierten Lebensversicherung.
Erinnern möchte ich daher noch einmal an die Aussage des Osnabrücker FDP-MdB Carl-Ludwig Thiele in der 15. Wahlperiode 97. Sitzung am 11.03.2004. Zu Recht hat er hier die Fehler der überwiegenden Anzahl der Parlamentarier angeprangert. Nachzulesen ab Seite 8731: Drucksache 15/2472.

Die Folgen sind auch heute noch bitter zu spüren. Denn in den momentanen Zeiten sinkender Überschüsse fließen nach Abzug der Krankenversicherungsbeiträge oft nicht einmal die gezahlten Beiträge zurück – und das völlig unabhängig davon, ob diese in der Finanzierungsphase bereits verbeitragt wurden oder nicht.

Es ist jedenfalls auch für Außenstehende immer wieder deprimierend, wenn Betroffene z.B. durch höchstrichterliche Klarstellung durch die Justiz mit den Artikeln 3, 14 oder 20 GG mundtot gemacht werden. So geschehen im September 2010.

Eine Beschlussempfehlung zum Gesetzentwurf wurde in der 15. Wahlperiode am 24.09.2003 vorgelegt. Es sei aber auch an die Drucksache 15/1525 vom 08.09.2003 erinnert. Das Gesundheitsmodernisierungsgesetz Nr. 55 vom 19.11.2003 umfasst 69 Seiten. Siehe 2190 Bundesgesetzblatt Jahrgang 2003 Teil I Nr. 55

Es muss sich etwas für die Betroffenen ändern. Da müssen alle Koalitionspartner in die Pflicht genommen werden. „Alle drei Parteien wissen, dass es einer enormen Kraftanstrengung bedarf, um dieses Ziel zu erreichen.“


Abschließend möchte ich auch in der nächsten Woche fortgesetzten Koalitionsverhandlungen der SPD mit Bündnis 90/ Die Grünen und der FDP ansprechen.

Schwerpunkt meiner parteiübergreifenden Arbeit im Deutschen Bundestag ist seit ca. 20 Jahren das Thema Sozialpolitik/Betriebliche Altersversorgung. Mein Dank gilt neben der SPD, der FDP, der Linken, dem Bündnis 90/die Grünen und auch der CDU/CSU, wenn es um das Thema bAV ging.

Olaf Scholz hat z.B. auch die Probleme der Doppelverbeitragung angesprochen und dieses zur Chefsache erklärt. Dafür danke ich sehr. Der SPD-Parteivorstand hat bereits am 24.6.2017 beschlossen, sich für die Abschaffung der vollen Verbeitragung von Betriebsrenten in der gesetzlichen Krankenversicherung einzusetzen, und er hat auch in den Koalitionsverhandlungen darauf gedrungen, dass die Beiträge für Betriebsrenten in der Auszahlungsphase um die Hälfte auf den Arbeitnehmeranteil abgesenkt werden. Hierzu ist ein erster und wichtiger Schritt geschehen.

Das gleiche Kompliment gebe ich an den FDP-Vorsitzenden Christian Lindner weiter, zu dem ich seit Jahren ein gutes Vertrauensverhältnis pflege. Ich habe Christian Lindner als ehrlichen und verlässlichen Partner beim Thema betriebliche Altersversorgung kennengelernt. Das gilt auch für sein Team. Was ich an Christian Lindner sehr schätze ist, dass er sich noch vor den Koalitionsverhandlungen für meine inhaltlichen Anmerkungen Zeit genommen hat.

So haben wir gemeinsam mit Markus Kurth verlässliche Partner, die unsere Interessen in einer künftigen Regierung wahrnehmen. So ein Arbeitsverhältnis hatte ich bisher nur mit Gerhard Schröder.

Bereits im Jahr 2016 erwirtschafteten die gesetzlichen Krankenkassen wieder Überschüsse, womit man die Bedürfnisse der Betroffenen hätte stillen können. Das hat mich am 12.11.2016 zu folgenden SPD-Antrag in Osnabrück veranlasst:

• Keine Mehrfach-Beitragszahlungen zunächst vom Entgelt und danach von der Versicherungsleistung zahlen
• bei einer Beitragspflicht den Arbeitnehmeranteil, aber nicht auch noch den Arbeitgeberanteil zahlen,
• Bestandsschutz für die Altverträge vor 2004

Die Gesundheitsminister Hermann Gröhe und Jens Spahn führten zu keinem Zeitpunkt ein Annäherungsgespräch mit den Opfern des GMG. Frau Merkel setzte vielmehr einen gültigen Parteitagsbeschluss vom Dezember 2018 zur Beseitigung der Doppelverbeitragung Anfang 2019 außer Kraft. Damit stieß sie Carsten Linnemann (CDU-Mittelstandsvereinigung) sowie die Senioren-Union vor dem Kopf. Das gelang ihr auch auf dem Essener Parteitag der CDU. Sie vergab lieber Milliarden Beträge an andere Länder wie z.B. Afghanistan oder Syrien. Dabei akzeptiere ich selbstverständlich Gelder für Hilfsmaßnahmen. Im Grunde genommen bot sie damit der AfD in den neuen Bundesländern eine Steilvorlage!

Die Krönung war dann der 10.04.2019 im Deutschen Bundestag. Bundeskanzlerin Angela Merkel erteilte bei einer Befragung im Bundestag der Abschaffung der Doppelverbeitragung eine Abfuhr: „Wir haben unter den prioritären Vorhaben leider keine Mittel dafür eingeplant“, sagte die Bundeskanzlerin. Damit brüskierte sie die Millionen Betroffenen des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes. Gleichzeitig verpasste sie der CDU damit einen schleichenden Abgang in die „Opposition“.

Ein Verfechter für Arbeitnehmerinteressen, Matthias Birkwald (Die Linke), wurde von der Union sogar kaltgestellt. Aber so ist nun einmal die Politik. Trotzdem bin ich Partnern wie Emmi Zeulner (CSU) und C. Linnemann (CDU) sowie den vierzig Unionsabgeordneten von CDU/CSU im Jahr 2018 für ihre Unterstützung dankbar.

Wie man sieht, hat unser beherztes Eintreten für eine Lösung dieser Thematik dazu geführt, dass auch auf politischer Ebene entscheidende Schritte unternommen wurden. Ich werde daher auch weiterhin außerhalb des Parlaments parteiübergreifend am Ball bleiben.

Gestattet mir noch eine Aussage zum § 242 Leistung nach Treu und Glauben.

Ja die „Res Polis“, also das Anliegen des Gemeinwesens. Da scheidet Egoismus naturgemäß aus, sollte man meinen. Wir können ohne Vertrauen nicht leben, funktioniert unser Gemeinwesen doch nicht ohne die grundsätzliche Annahme, dass es Menschen gibt, denen ich das Handeln überlassen kann, weil sie es in meinem Sinne tun werden.

Die Juristen haben den schönen Begriff der „bona fide“, was so viel bedeutet wie „in Treu und Glauben“. Das schützt sie bei einem Rechtsgeschäft davor, dass sie ihre Ansprüche verlieren, weil sie nicht von der Bösartigkeit ihres Gegenübers ausgegangen sind und das auch nicht müssen.

Dieses Grundrecht sollte man den fast 7 Millionen Betroffenen des GMG wiedergeben. Ein jegliches Gespräch oder jeder Schriftverkehr mit Bürgern geht erst einmal davon aus, dass das Gegenüber ernst zu nehmen ist und an einer Antwort oder Unterhaltung interessiert ist. Sonst ist das Gespräch sinnlos. Ein Grundsatz, der mein ganzes Berufsleben begleitet hat!

Dieses Grundvertrauen in die Debatte, dass wir daraus schlauer und nicht betrogen herauskommen wollen, darf nicht verloren gehen, weil sonst eine gesellschaftliche Verständigung unmöglich wird. Diesen Spiegel sollte sich die Politik vor Augen halten. Nicht in den komplexen ethischen Fragen während der Pandemie, nicht in den Fragen einer gerechten Verteilung von Ressourcen weltweit, nicht in den Fragen der Geschlechter, der Hautfarbe, der Liebesbeziehungen oder der sozialen Herkunft. Das Schlimme an den Skandalen vom Missbrauch über die Masken bis zum Anlagebetrug ist, dass sie Vertrauen in Misstrauen wandeln, möglicherweise sogar in grundsätzliches Misstrauen gegen alles und alle. Die Täter haben daher über den konkreten Tatvorwurf hinaus Schuld auf sich geladen. Das macht die Sache so übel. Und insofern sind Mandatsträger, die sich persönliche Vorteile aus ihren Einflussmöglichkeiten verschaffen, besonders scharf zu verurteilen. Sie veruntreuen einen Auftrag, den ihnen das Volk erteilt hat. Das gefährdet das gesamte Gemeinwesen.

In sechs Wochen will die Ampel-Koalition Olaf Scholz zum nächsten Kanzler wählen. Die Parteien haben 22 Arbeitsgruppen eingerichtet, die mit insgesamt 250 Parlamentariern besetzt sind. Natürlich betrachten wir kritisch deren Arbeit. Aus heutiger Sicht halte ich ein Scheitern aber für ausgeschlossen. Scheitern ist keine Option. Es gibt nach Meinung des Volkes keine Alternativen zu diesem Bürgerbündnis. Ich erwarte daher, dass die Gespräche entsprechend verantwortungsvoll und konstruktiv geführt werden. FDP-Generalsekretär Volker Wissing erklärte unmissverständlich, „das der Wählerwille nun in einer konzentrierten Arbeit zu einem funktionierenden Regierungsprojekt geführt wird. Mir ist wichtig, dass Probleme nicht vertagt, sondern angepackt werden.“

So habe ich auch Christian Lindners gestrige Antwort zur betrieblichen Altersversorgung interpretiert. Die fast sieben Millionen GMG-Opfer dürfen nicht weiterhin Opfer der Politik sein! Sie haben daher - neben den Krankenschwestern- und Pflegekräften in den Altenheimen - ebenfalls eine hohe Erwartung an die Politik, weil sie ganz im Gegensatz zum Beamtentum nicht weiter als Personen „zweiter Klasse“ in der Altersversorgung behandelt werden wollen. Zitat Christian Wulff (Bundespräsident a.D.) „Nicht alles, was juristisch rechtens ist, ist auch richtig“ https.//Link

Ich hoffe, im Rahmen der Koalitionsverhandlungen, daher auf eine inhaltliche Befassung mit diesem Thema. Dabei erinnere ich an den Vertrauensbruch, welchen das 2004 in Kraft getretene GKV – Modernisierungsgesetz bei den Betriebsrentnerinnen und Betriebsrentnern ausgelöst hat. Diese Ungleichbehandlung sollte zu heilen sein.

Euch wünsche ich alles Gute.
Mit den besten Grüßen

Quelle: Horst Gehring