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Peter Handke: Lockdowns haben Einsamkeit der Alten dramatisch gesteigert

Foto: H.S.

11.10.2021

In einem Interview mit dem Wiener "Kurier" äußert sich der Schriftsteller Peter Handke, der in Chaville im Departement Hauts-de-Seine lebt, zu den Corona-Lockdowns und den Folgen, die er erlebt und beobachtet hat. Er habe im vergangenen Jahr an seiner im Frühjahr dieses Jahres erschienenen Erzählung "Mein Tag im anderen Land" gearbeitet, und sich gedacht: "Scheiß drauf! Denn wenn ich protestiert hätte, hätte ich nur mehr daran denken können. Aber was da an Irrwitz passiert ist! Damals war es auch verboten, allein in den Wald zu gehen!" Wenn Experten aufgetreten seien habe er sich gedacht: "Hau dem links und rechts eine runter! Schon wieder ein Experte!"

Er selbst habe für mehr Bewegungsfreiheit von seinem Verlag einen "Schwindelzettel" bekommen. Darauf habe "völlig gelogen" gestanden, er sei nachts unterwegs, um ein großes Werk zu schreiben. Er hätte "mit meinem Flachmann allein vor der Fassade von Notre Dame" gesessen, da habe ihm dieser Zettel bei einem Polizisten tatsächlich genutzt. Nichts geholfen habe er ihm, als er in Chaville eine Straße entlang spazierte. "Auf der anderen Straßenseite fängt das Departement Yvelines an. Ich ging dort spazieren, da kam ein Polizeiwagen: "Ist Ihnen bewusst, dass Sie das andere Departement in Gefahr bringen?" Ich dachte, der Polizist macht einen Witz. Zwei Wochen später bekam ich den Strafbescheid, dass ich den Virus vom einen Departement ins andere gebracht hätte. 135 Euro".

Jetzt, so der Literaturnobelpreisträger, gehe es ihm "weniger gut als damals". "Mir kommt alles so falsch vor. Man sieht fast nur noch die Jungen unterwegs, und es gibt unendlich vereinsamte Alte. Sie huschen durch, als ob sie Gespenster wären. Vielleicht war das immer so, aber jetzt ist es auffällig. Wenn ich daran denke, wie man die Leute im Altersheim hat sterben lassen! Für mich müsste man die Verantwortlichen vor das Völkergericht stellen. Es gibt viel Schlimmes in der Geschichte, aber das war eine Variante und Nuance, wie wir sie noch nicht gekannt haben."

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Ende September 2021 veröffentlichte die Enquete-Kommission des Düsseldorfer Landtags eine Studie, wonach sich jeder siebte Mensch in NRW einsam fühlt. Besonders viele von ihnen sind älter als 65 Jahre.
Aus einem Leserbrief im Kölner Stadt-Anzeiger vom 12.20.2021: "Was denken Sie, wie oft alte Menschen einsam sind? Wesentlich öfter als junge. Schlechter zu Fuß, nicht mehr gesund und ganz alleine. Junge Menschen haben in der Regel mehr Kontakte, alte Menschen eigentlich nur beim Einkauf und das ist ja nur kurz. Nicht jeder hat es sich so ausgesucht, den Meisten ist der Partner weggestorben. Da die Freunde auch meist in derselben Altersklasse sind, ist von ihnen kaum noch jemand da. Wenn man dann auch noch allein im Haus wohnt, ist es noch schlimmer. U.S."

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Herzlichen Glückwunsch zum Literaturnobelpreis, Herr Handke! Siehe altersdiskriminierung.de unter: Link

Quelle: Kurier.at, 10.10.2021