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Der 1. Mai 2021 in Köln und Frankfurt

Foto:H.S.

04.05.2021 - von J.H., Hanning Voigts

Ebenso wie in anderen Städten auch, gab es in Köln am 1. Mai mehrere Aufzüge. Genaugenommen waren es acht Anmeldungen, wobei sich mehrere Gruppen aus nahegelegenen Versammlungsorten trafen, um dann gemeinsam zur DGB-Kundgebung zu demonstrieren.

Daher fanden eigentlich drei größere Aufzüge statt. Eine vierte Kundgebung von Rechten und Coronaschwurblern an der rechtsrheinischen Deutzer Werft wurde von der Polizei verboten, da dort bekannte Nazis auftauchten. Nachdem es in Köln vor zwei Wochen eine linke Demo mit über tausend Teilnehmer/innen gegen die Notstandsmassnahmen im Zusammenhang mit dem Infektionsschutz gekommen war, konnten sie bei einer versuchten Gegendemo vor einer Woche eh nicht mehr als 30-40 Peoples zusammenbekommen.

Die drei größeren Kundgebungen, die teilweise wie auch in anderen Großstädten unter massiver Polizeirepression litten.

DGB - Kundgebung
Mit siebenhundert bis tausend Teilnehmer*innen war es die größere Veranstaltung.

Bemerkenswert war die Rede des DGB-Vorsitzenden Witich Roßmann, die sich von dem ansonsten üblichen Wortgeklingel des DGB merklich abhob. Sehr konkret wurden viele politische Themen angesprochen: vom Flop eines Lieferkettengesetzes bis zum Trumpismus in den USA und den Natoprovokationen an der russischen Grenze. Er rief in dem Zusammenhang zum Widerstand gegen die neuen Aufstockungen des Militärbudgets hin und verwies auf die Kampagne der Gewerkschaften "#No2Percent".

Dass der Coronavirus die kapitalistische Grundstruktur sehr sichtbar bloßgelegt habe, sei eigentlich begrüßenswert. Er schlug einen Bogen von den fehlenden Impfstoffen in Afrika bis zur vertuschten Armut in den hiesigen Großstädten, besonders auch in Köln. Die damit verbundenen Ängste seien der Nährboden für den Wiederaufstieg von Rassismus und Faschismus. Die im NRW-Entwurf vorliegenden neuen Versammlungsrechtsvorschriften würden nur propagandistisch darauf Bezug nehmen, schränkten aber auch die Bewegungsfreiheiten der Gewerkschaften massiv ein.

Vom Elend der prekarisierten und immer verzweifelteren Jugend und den ausgegrenzten Kulturschaffenden leitete er zum Hauptteil seiner Rede über, die sich sehr detailliert mit der Stadtpolitik und der Lage der einzelnen Stadtteile auseinandersetzte. Den angeblichen Klimaschutz kritisierte er heftig. Sehr detailliert führte er aus, was alles getan werden könnte, aber bewusst unterlassen wird um die Lobbygruppen nicht zu verprellen: fehlende Solarantriebe auf Omnibussen, katastrophale städtische Verkehrsplanung bis hin zur fehlenden Dachbegrünung und falscher Abwasserökonomie wurden von ihm bewertet und Witich kam zum Ergebnis, dass allein die Stadt Köln bei einer vernünftigen Politik die Energie fast eines ganzen Kraftwerks einsparen könnte. Den anwesenden Vertreter*innen der Stadtverwaltung müssten dabei die Ohren geklingelt haben. Der starke Beifall und Bravo-Rufe an mehreren Stellen der Rede zeigten, dass die vielbeschworene "Gewerkschaftsbasis" durchaus für Umweltschutz einsteht, wenn er in konkrete Projekte gegossen ist. Redeausschnitte unter: Link

Auf zum DGB
Eine aus mehreren linken Gruppen gebildete Demo von vierhundert bis sechshundert Teilnehmer*innen wollte vom Gewerkschaftshaus zur DGB-Kundgebung in der Altstadt ziehen, kam aber nicht sehr weit, weil sie von der Polizei gestoppt wurde. Als Begründung dafür musste diesmal nicht die Verletzung von Coronaauflagen herhalten, sondern es ging um das alte "Vermummungsverbot" - Einige Teilnehmer*innen hatten nämlich zusätzlich zum Maskenkorb auch noch Sonnenbrillen und Hüte (auch Gewerkschaftsmützen) auf. Einige sehen in dieser Maßnahme auch eine polizeiliche Übung und Vorwegnahme im Hinblick auf das geplante neue NRW-Versammlungsrecht ("uniform-ähnliche Bekleidung")

Vielleicht aber waren es auch die zwei Reihen von FDJ - Hemdenträgern, die sofort hinter der MLPD (Der ewigen selbst erklärten "Speerspitze der Revolution") gingen. Den Vogel jedoch bei diesem historischen Folkloreaufzug an der Demospitze schoss wohl der "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD" ab. sie mühten sich den ganzen Demoweg über mit einer echten Kanone mit Lafetten ab. (weiss der Teufel, woher die das schwere Ding hatten) Damit sollte an die französischen Kommunardenaufstände 1870/71 erinnert werden.

Hinter dieser historischen Karnevalsspitze folgten dann die Rikscha - und Deliveroo Fahrer*innen, die zum ersten Mai Kolleg*innen transportierten. Köln ist die erste deutsche Stadt,wo der Deliveroo - Konzern (weltweit 109 tausend Beschäftigte in äusserst prekären Verhältnissen) mit DGB-Hilfe einen BR durchsetzen konnte. Den stärksten Block dieser Demo stellten mit mehreren hunderten peoples das "Kölner Jugendbündnis" (ein neuer linker Zusammenschluss von Auszubildenden und Schüler*innen) sowie die Blöcke der traditionellen Arbeiterjugendverbänden Falken und SDAJ.

Es gelang der Polizei, diese Demo so lange zu blockieren, dass sie erst auf der DGB-Kundgebung eintrafen, als dort bereits die Zelte abgebrochen wurden und das Publikum sich verstreute.

Kundgebung Wiener Platz
Im rechtsrheinischen Köln fand eine Kundgebung mit mehreren hundert Teilnehmer*innen statt, die überwiegend aus dem migrantischen Spektrum und aus der türkischen und kurdischen Community stammten. Wie auch schon bei der Hanau-Kundgebung spielte DIDEF eine wichtige Rolle. Dort waren besonders der zunehmende Rassismus in der deutschen Mehrheitsgesellschaft sowie die ständig sich verschlechternde soziale Situation Hauptthema.

Auch die "black lives matter" Gruppe sowie "Migrantifa" und kurdische Gruppen hatten mobilisiert. Ein sich nach der Kundgebung formierender Protestzug vom Wiener Platz zur Kalker Post wurde anfangs von der Polizei geblockt und sollte nicht laufen dürfen.

Dann allerdings erfolgte die Freigabe und auf dem Weg wuchs der Demozug durch sich massiv anschliessende Passanten auf ca tausend an...
Der starke Antirassismus dieses Spektrums mag der Anlass sein, dass nun an gleichem Ort die Querdenker für den 8. Mai eine Kundgebung angemeldet haben.

Fazit
Insgesamt waren zwei- bis dreitausend Menschen in Köln auf Kundgebungen zum ersten Mai.
Die Spaltung in politische Spektren wird immer deutlicher. Es wird in Zukunft darum gehen, die solidarische Zusammenarbeit zu entwickeln, da künftig heftige ökonomische Konflikte zu erwarten sind. Für diese Aufgabe ist der jetzige DGB-Vorsitzende nahezu ein Glücksfall in der aktuellen Kölner Stadtgesellschaft.


FRANKFURT
Rote Fahnen und Klassenkampf
"Die Demonstration, an der insgesamt fast 4.000 Menschen teilnahmen, thematisierte in den hinteren Blöcken auch feministische und queere Themen, es ging um die Verteilung von Sorgearbeit in der Gesellschaft, die sozialen Kosten der Corona-Pandemie, zu hohe Mieten und ein Recht auf Stadt für alle. Fast alle linken Spektren und unterschiedliche soziale Bewegungen waren vertreten – bis hin zu den Fridays for Future. Siehe Frankfurter Rundschau, Hanning Voigts unter: Link

Eine Demo-Sanitäterin berichtet von ihrem Einsatz am 1. Mai in Frankfurt.
Die Polizei sei brutal und ohne Rücksicht auf Verletzte gegen linke Demonstrierende vorgegangen.
Laura, Sie sind Intensivkrankenschwester und waren als Sanitäterin auf der 1.-Mai-Demo in Frankfurt. Wie haben Sie den Tag erlebt?

Am Anfang war ich sehr begeistert, weil es eine große, kraftvolle, laute Demo war. Es gab ein paar Rauchtöpfe und Fackeln in der Taunusanlage, aber die dienten primär den Bildern und wurden nicht auf irgendwen geworfen.

Später ist die Lage dann völlig eskaliert. Wie kam es dazu?

Mir war völlig unklar, warum es überhaupt diesen Angriff auf die Demo gab, die ja eigentlich gerade an ihrem Endpunkt angekommen war. Zumindest aus meiner Wahrnehmung gab es keinerlei Provokationen aus der Demo heraus. Aber die Ereignisse haben sich dann trotzdem überschlagen, weil Polizisten wahllos auf Menschen eingeschlagen haben, und zwar auch mit Teleskopschlagstöcken und auch auf Kopfhöhe. Man muss vielleicht noch dazu sagen, dass die Eskalation am Haus Gallus stattgefunden hat, wo 1985 der Antifaschist Günter Sare von einem Wasserwerfer totgefahren wurde.

Was haben Sie selbst an Verletzungen gesehen?

Es gab so viele mittlere Kopfverletzungen, dass uns irgendwann die Kühlpacks ausgegangen sind, die wir zum Kühlen von Schlagstock-Verletzungen verteilen. Ansonsten gab es mindestens drei schwere Kopfverletzungen, davon zwei Schädelbasisbrüche. Die dritte Person war nicht mehr in der Lage, gezielt zu sprechen, muss also auch ein Schädel-Hirn-Trauma oder eine Gehirnerschütterung erlitten haben. Ansonsten weiß ich von vier Arm- oder Handbrüchen. Einem Mann stand ein gebrochener Knochen aus dem Ellenbogen heraus, und er wurde trotzdem in die Gefangenensammelstelle gebracht, wo er zunächst keinerlei ärztliche Behandlung bekommen hat. Er wurde erst spät abends mit seinem gebrochenen Arm entlassen, und wir haben ihn noch in die Klinik gebracht.

Was haben Sie noch gesehen?

Ansonsten wurde relativ wahllos Pfefferspray in die Menge gesprüht, teils direkt in die Augen. Wir haben Augen ausgespült ohne Ende. Dann gab es einen jungen Mann, der schwer gekrampft hat und auf dem Boden lag – ich habe später erfahren, dass er auch einen Schädelbasisbruch erlitten hatte. Obwohl wir als Demo-Sanis gekennzeichnet waren, durften wir erst nicht zu ihm. Wir mussten immer wieder darum kämpfen, zu den Verletzten zu kommen. Ich bin selbst von Beamten getreten worden und bin am ganzen Körper blau. Die Beamten sind über uns drüber gerannt, während wir Verletzte versorgt haben. Die haben keinerlei Rücksicht auf am Boden liegende, blutende Menschen genommen.

Hat es einen ähnlichen Einsatz in den vergangenen Jahren in Frankfurt überhaupt gegeben?

Die letzten Sachen, die annähernd ähnlich waren, war halt bei Blockupy 2013. Ansonsten erinnert das eigentlich eher an den G20-Gipfel in Hamburg und nicht an Frankfurt."
Hanning Voigts, Frankfurter Rundschau


Scharfe Kritik an Polizeieinsatz bei Demo in Frankfurt
Aktualisiert: 03.05.21 - 18:42

Linke Gruppen werfen Einsatzkräften „hemmungslose Gewalt“ vor. Die Polizei spricht von massiven Attacken durch die Linksradikalen.

"Eine Demonstration, zwei völlig unterschiedliche Betrachtungen. Nach den Ausschreitungen bei der Demonstration von Linksradikalen zum 1. Mai hat die Frankfurter Polizei ihr hartes Vorgehen gerechtfertigt. Die eingesetzten Beamtinnen und Beamten seien aus der Demo heraus massiv angegangen worden. Derweil zeigten sich linke Gruppen empört über den Polizeieinsatz. Sie berichten von einer großen Zahl von Verletzten. Auch politisch dürften die Proteste ein Nachspiel haben.

Am Montagnachmittag, fast 48 Stunden nach dem Einsatz, äußerte sich erstmals die Pressestelle der Polizei zu den Geschehnissen bei der Demonstration, die am Samstagabend durch die Innenstadt ins Gallus führte und vor dem dortigen Saalbau von der Polizei gewaltsam aufgelöst wurde. Demnach war der Zug um 18.45 Uhr mit etwa 2200 Personen in Richtung Saalbau Gallus gestartet und im weiteren Verlauf auf rund 3500 angewachsen. ..."
Siehe Haning Voigts, Frankfurter Rundschau unter: Link

Quelle: Frankfurter Rundschau