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Wohnungsnot Köln: Rundbrief

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25.03.2024 - von Klaus Jünschke und Rainer Kippe

Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung, Rundbrief 180 vom März 2024
Protest gegen Leerstand – GAG-Häuser öffnen – Norbert Burger 1971 zur Obdachlosigkeit – Und heute 53 Jahre später – Erbbaurecht – Pritzker Preis – Zum Lesen – Sendungen, Meldungen, Nachrichten – Termine

Sozialdezernent Norbert Burger am 25. März 1971 im Kölner Rat zur Obdachlosigkeit

Während Obdachlosigkeit nach dem Kriege, durch Bombenkrieg und Flüchtlingszustrom verursacht, kaum als ein Sonderschicksal gelten konnte, handelt es sich heute um ein Phänomen, das nur eine relativ kleine, an den Rand unserer Gesellschaft gedrängte Personengruppe betrifft. Wenn ich sage, „nur kleine „ Gruppe, dann handelt es sich doch in Köln immerhin um etwa 2.350 Parteien mit etwa 11.000 Personen, davon etwa 6.500 Kinder und Jugendliche, also etwa 1,3% unserer Bevölkerung… ..Wie sie aus dem Verhältnis von Parteien zur Personenzahl ersehen, handelt es sich fast ausschließlich um kinderreiche Familien.

Damit drängt sich die Feststellung auf, daß Kinderreichtum ein möglicher Faktor ist, der Familien aus unserer normalen Leistungsgesellschaft herausfallen lässt, beziehungsweise ihre Wiedereingliederung besonders erschwert. Für andere Faktoren, die entweder allein oder zusätzlich auftreten, gilt das gleiche. Ich darf folgende nennen: Einkommensschwäche, mangelnde berufliche Qualifikation, niedriges Bildungsniveau nicht erkannte oder nicht anerkannte körperliche oder psychische Erkrankungen, mangelnde gesundheitliche Versorgung von langfristig oder auf Dauer Erkrankten und schließlich Verhaltensweisen, die von den gesellschaftlich anerkannten Normen erheblich abweichen.

Diese Faktoren, so schwerwiegend sie im einzelnen sein mögen, brauchten für sich gesehen noch kein Grund für Obdachlosigkeit zu sein. Vielmehr handelt es sich um Merkmale, die auch ohne Obdachlosigkeit dringend des aktivierenden sozial- und bildungspolitischen Einsatz bedürften. Damit ist die Obdachlosigkeit nur ein Symptom für eine durch den Mechanismus der Diskriminierung an den Rand der Gesellschaft gedrängte Gruppe, wobei Sie bitte Diskriminierung in bezug auf die eben aufgezählten Faktoren sowohl als objektiv feststellbare Benachteiligung als auch als Vorurteil der Gesellschaft gegenüber den sich anders Verhaltenden verstehen wollen.

Es erscheint fast zwangsläufig, daß so objektiv oder subjektiv diskriminierte Personen oder Gruppen besonders benachteiligt werden, wenn in der Gesellschaft, an deren Rand sie leben, allgemeine Engpässe wie Arbeitslosigkeit oder Wohnungsmangel auftreten. Obdachlosigkeit ist eine der möglichen Folgend.

Wenn die Gesellschaft, Sie alle und ich, sowie die meisten Bürger dieser Stadt bei der Beurteilung dieser Menschen in Kategorien von Schuld oder Nichtschuld denken und ihr Handeln danach ausrichten würden, denn würde uns dies der Lösung des Problems keinen Schritt näher bringen. Vielmehr käme derartigen Überlegungen vor dem Hintergrund der tatsächlich vorhandenen Diskriminierung nur eine Alibifunktion zu. Das bedeutet, daß der Lösungsansatz nur in zwei Richtungen gehen kann. Erstens müssen durch intensiven sozialarbeiterischen Einsatz objektiv bestehende Benachteiligungen abgebaut werden, und zweites muß durch gezielte Aufklärung und breite Öffentlichkeitsarbeit dem weitgehend bestehenden Vorurteil in der Gesellschaft und nicht zuletzt auch in den um Sozialarbeit bemühten Institutionen, einschließlich der Verwaltung, entgegengetreten werden.

Hier sind in der Vergangenheit in Köln vor und nach der Beseitigung des äußeren Merkmals Obdachlosigkeit erste Modellversuche entwickelt und in die Praxis umgesetzt worden…

…Die Verwaltung wird in Kürze weitere Modelle unterbreiten und um Ihre Unterstützung bitten. Denn, so glaub ich deutlich gemacht zu haben, mit der bloßen Zurverfügungstellung einer Wohnung ist das Problem nicht gelöst. Eines kann man jedoch sagen: Die Schaffung menschenwürdigen Wohnraumes für die Betroffenen ist eine erste unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg all unserer Bemühungen.
(Quelle S.169 ff.)
Norbert Burger (*24.November 1932 in Köln; † 16.Mai 2012 in Köln) Link


Und heute – 53 Jahre später:

Wie die Stadt Köln Wohnungslosigkeit bekämpfen will – Zündstoff für den Stadtrat
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„Gemeinsam für ein Zuhause“: Der 1. Entwurf zum Nationalen Aktionsplan:
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Erbbaurecht

Liebe Interessierte an gemeinwohlorientierter Stadtentwicklung,
als Anlage der heutige Beitrag im KStA. Darin wird das große Dilemma der Offenen Jazzhaus Schule und der SSM e.V. dargestellt.

Die Offene Jazzhaus Schule ist Mitglied unseres Konsortiums für die Zwischennutzung im Otto-Langen-Quartier.

Da sich im Liegenschaftsausschuss am 04.03.2024 keine politische Mehrheit für die Zustimmung zum „Baustein 2 – Erbbaurecht für soziokulturelle Gruppen“ fand, droht beiden Vereinen nun ab 01.07.24 der vertragslose Zustand.

Das „Gestaltungsbündnis“ (CDU + GRÜNE) vertagte die Ratsvorlage ohne nähere fachliche Begründung, so dass frühestens am 16. Mai eine Entscheidung möglich sein wird.

Freundliche Grüsse

Initiativkreis Otto-Langen-Quartier

ein Arbeitskreis des Rheinische Industriekultur e.V.


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Quelle: https://wohnungsnot.koeln