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Arbeitslose Pflegekräfte? Wie das???

Foto: H.S.

01.09.2020 - von Labournet

Das kann es doch gar nicht geben: Ein Anstieg der Arbeitslosigkeit unter den Pflegekräften. “Dass es in „der“ Pflege einen Fachkräfte- und sogar einen generellen Arbeitskräftemangel gibt, das würden sicher viele unterschreiben und als Tatbestand nicht in Zweifel ziehen. Zu lange schon gibt es zu viele Berichte über die vielfältigen Mangellagen in „der“ Pflege. Vor diesem generellen Hintergrund werden dann auch viele ungläubig auf solche Meldungen schauen: Arbeitslosigkeit steigt auch bei Pflegekräften Link :

»In der Coronakrise ist auch die Arbeitslosigkeit von Pflegekräften gestiegen. In der Altenpflege erhöhte sich die Zahl der arbeitslosen deutschen Beschäftigten seit dem Jahreswechsel bis Ende Juni um 27 Prozent auf etwa 27.700, bei den ausländischen um 37 Prozent auf rund 10.000, wie die Bundesagentur für Arbeit mitteilte.« Und Jochen Knoblach berichtet aus Berlin: Mehr als 800 Berliner Pflegekräfte haben ihren Job verloren externer Link: So »gab es in der Berliner Krankenpflege im Juli etwa 200 Arbeitslose mehr als im Juli vergangenen Jahres, was einem Anstieg um 27 Prozent entspricht. In der Altenpflege wurden 2.740 Arbeitslose gezählt. Das waren sogar über 600 mehr als im Juli 2019, ein Anstieg um 30 Prozent.« Da werden sich viele fragen: Wie kann das denn sein? »Über die Gründe dafür ist man sich in der Berliner Arbeitsagentur im Unklaren. Schließlich ist dort der Fachkräftemangel im Pflegebereich bekannt.

Bei der Gewerkschaft Verdi vermutet man, dass Jobs vor allem bei ambulanten Pflegediensten gestrichen wurden, weil Familienmitglieder im Homeoffice während Corona die häusliche Pflege eines Angehörigen oft selbst übernahmen oder sie den Kontakt der Betreuungsperson mit dem Pflegepersonal vermeiden wollten. Meike Jäger, bei Verdi für den Bereich Gesundheit und Pflege in Berlin verantwortlich, geht daher davon aus, dass viele Jobs dort wieder zurückkehren werden. Sie hat aber auch erfahren, wie in Altenheimen Stellen für Ergo- und Physiotherapeuten unter dem Vorwand von Corona gestrichen wurden, um Kosten zu sparen«, so Knoblach in seinem Artikel über die Situation in Berlin. Link

Dieser Erklärungsansatz verweist auf zwei relevante Aspekte, die beide zugleich untermauern, dass man nicht von „der“ Pflege sprechen kann, sondern einen differenzierten Blick auf die unterschiedlichen Bereiche werfen muss, weshalb auch am Anfang dieses Beitrags „die“ Pflege in Anführungszeichen gesetzt wurde, weil es eben „die“ Pflege nicht gibt: Zum einen sind die einzelnen Pflegebereiche von der Corona-Krise unterschiedlich stark getroffen worden. Da gab es Bereiche, in denen nur mit viel Müh und Not die Versorgung aufrechterhalten werden konnte und das auch nur unter wahrlich überdurchschnittlichen und höchst riskantem Einsatz der Pflegekräfte. Man denke hier an die vielen Pflegeheime. Und die oftmals in der Berichterstattung vergessenen ambulanten Pflegedienste standen vor dem Problem, dass sie am schlechtesten ausgestattet waren mit elementaren Schutzmaterialien, zugleich aber zahlreiche Patienten pro Tag zu Hause besucht haben, was eine Vielzahl an Risikoquellen für die Pflegebedürftigen wie auch für die Mitarbeiter selbst mit sich bringt.

Zum anderen aber gab es teilweise erhebliche „Umsatzrückgänge“ mit entsprechenden Folgen für einzelne Dienste, da teilweise auf die Dienstleistungen seitens der Betroffenen und ihrer Angehörigen verzichtet wurde aus Angst vor einer Ansteckung. Bei den oftmals sehr kleinen und finanziell mit wenig bis kaum vorhandenen finanziellen Reserven ausgestatteten Pflegediensten kann das zu nur auf den ersten Blick paradox erscheinenden Entlassungen beigetragen haben.

Zum anderen gab es aber auch Bereiche, in denen die Corona-Krise zu einer Art Vollbremsung geführt hat, man denke hier an viele Krankenhäuser, in denen zahlreiche diagnostische und therapeutische Verfahren aufgeschoben bzw. abgesagt wurden, um für eine damals erwartete Welle an Covid-19-Patienten gerüstet zu sein. Dies wurde ja auch von der Politik so vorgegeben und mit einer Ausfallfinanzierung der dadurch nicht belegten Betten über das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz* aufgefangen. Faktisch gab es nicht wenige klinische Bereiche, in denen das Personal und darunter auch die Pflegekräfte sogar „unterbeschäftigt“ waren.

Möglicherweise wurde das von dem einen oder anderen Klinikträger ausgenutzt, um „Personalanpassungen“ vorzunehmen…“ Beitrag von Stefan Sell vom 28.08.2020 bei Aktuelle Sozialpolitik Link als Anmerkungen zu einem scheinbaren Widerspruch – und zu den immer noch vielen Niedriglöhnern in den Pflegeberufen

Dies und mehr bei Labournet unter: Link

Quelle: Labournet.de