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Bevor es zu spät ist: OFFENER BRIEF AN DIE DEUTSCHE POLITIK

Foto: H.S.

01.05.2020 - von BVMW

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,sehr geehrte Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten!

Was der Mittelstand jetzt fordert. In unserem Brandbrief vor Ostern haben wir nachdrücklich an Sie und die gesamte deutsche Politik appelliert, möglichstrasch die Wirtschaft schrittweise wieder hochzufahren und einen konkreten Exit-Fahrplan vorzulegen. „Allein die Vorlage einer Exit-Strategie ist geeignet, der Wirtschaft und den Beschäftigten wieder Zuversicht zu vermitteln“, heißt es darin.

Leider ist das bis heute nicht geschehen! Wir halten das für verantwortungslos. Denn von März bis April ist die Zahl der Unternehmen, die Kurzarbeit beantragen mussten, von 470.000 auf 718.000 gestiegen.

Schätzungsweise vier Millionen Beschäftigte sind davon betroffen. Und niemand kann heute sagen, wie viele von ihnen nicht an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, sondern in die Arbeitslosigkeit gehen werden. Zur Erinnerung: In der Finanzkrise im März 2009 meldeten lediglich 22.900 Firmen Kurzarbeit an. Elf Jahre später müssen wir einen Anstieg um 3.000 (!) Prozent zur Kenntnis nehmen. Und bereits im März hatten wir in diesem Jahr so viele Insolvenzen zu beklagen wie fast im gesamten Vorjahr.

Unser Land steht vor dem größten Konjunktureinbruch seit dem Zweiten Weltkrieg. Trotz eines staatlichen Rettungspakets von mehr als einer Billion Euro droht eine Pleitewelle unbekannten Ausmaßes, die die Existenz Hunderttausender Menschen binnen weniger Wochen vernichten könnte.

Laut einer Umfrage unter unseren Mitgliedern aus dieser Woche fordern 80 Prozent eine Beendigung des Lockdown spätestens Ende Mai. Ein Drittel plädiert sogar für einen sofortigen Exit. Aus diesen Zahlen spricht nicht zuletzt große Verzweiflung im deutschen Mittelstand angesichts existenzieller Bedrohungen für das Lebenswerk und damit die Lebensgrundlagen vieler Menschen. Zeitgleich fordert auch der Wirtschaftsweise Professor Lars Feld, dass der Stillstand der Wirtschaft keinen Tag länger als bis Ende Mai gehen sollte, da ansonsten die ökonomischen Folgen zu groß würden. Und Professor Krause vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung sieht das ähnlich: Die gesamtgesellschaftlichen Einschränkungen wegen Corona müssten zeitlich so kurz wie möglich sein, da sie zu mehr Toten führen könnten als das Virus selbst.

Und was, wenn der einstige Berater der Bundesregierung, Wirtschaftsprofessor Homburg, Recht hätte mit seinen Berechnungen, denen zufolge der vorläufige Höhepunkt der Neuinfektionen in Deutschland bereits am 13. März war? Dann waren Schulschließungen (16. März) und Lockdown (23. März) möglicherweise unnötig. Offenkundig spielen die Erkenntnisse dieser und anderer Wissenschaftler in Ihren Überlegungen keine oder nur eine geringe Rolle. Das ist überaus irritierend, zeichnet es doch kluges unternehmerisches und auch politisches Handeln aus, Gegenargumente ebenso ernst zu nehmen wie die eigenen Handlungsgründe.

Wir fordern, dass künftig die Erfordernisse der Wirtschaft in Ihrer Corona-Politik einen deutlich höheren Stellenwert erhalten als bislang. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat völlig Recht mit seinem Hinweis, dass der Staat nicht in der Lage ist, mit noch so vielen Hilfsgeldern den Unternehmen den Umsatz zu ersetzen.

Und der ehemalige Verfassungsrichter Udo Di Fabio mahnt, Ziel von Politik müsse es sein, „den Bürgern ihre Freiheit zurückzugeben“. Das gilt in ganz besonderem Maß für die unternehmerische Freiheit. Wir sehen bei einer Fortsetzung der bisherigen Politik die erhebliche Gefahr einer dauerhaften Abhän-igkeit der Wirtschaft von staatlichen Transferleistungen. Das Coronavirus wird mit der Entwicklung eines Impfstoffs in absehbarer Zeit eingedämmt werden können, die Veränderungen der wirtschaftlichen Lebensgrundlagen unseres Landes könnten bis dahin irreversibel sein.

In großer Sorge um die Zukunft dieses Landes und um den Wohlstand seiner Bürger appellieren wir an die Politik: Beenden Sie die einseitige Fixierung auf eine rein virologische Sichtweise und damit das gefährliche Spiel mit den Zukunftschancen dieses Landes. Es geht um das Schicksal des deutschen Mittelstands. Heben Sie den Lockdown auf, bevor es zu spät ist!

Mit hochachtungsvollen Grüßen

Mario Ohoven BVMW-Präsident,
Dr.Jochen Leonhardt, BVMW-Vizepräsident,
Dr.Hans-Michael Pott, BVMW-Vizepräsident

Der BVMW vertritt im Rahmen seiner Mittelstandsallianz bundesweit mehr als 900.000 Mitglieder.Weitreichende Netzwerke.Wirkungsvolle Impulse.Wertvolle Informationen.Weitergehende Informationen und Handlungsempfehlungen zur Corona-Krise und den Folgen finden Sie auf unserer HomepageLink

Quelle: BVMW