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+++ Helga Schubert gewinnt mit 80 den Ingeborg Bachmann Wettbewerb

Foto: H.S.

23.06.2020

Die in Berlin gebürtige Autorin Helga Schubert hat in diesem Jahr den renommierten Bachmannpreis gewonnen. Der Preis ist mit 25 000 Euro dotiert und gilt als eine der wichtigsten Auszeichnungen für deutschsprachige Literatur. 1980 war Schubert schon einmal zum Wettbewerb eingeladen worden. Damals bekam sie aus der DDR aber keine
Ausreisegenehmigung. In diesem Jahr war der Wettbewerb zum ersten Mal online ausgetragen worden und Schubert, die ihren 95Jährigen Mann pflegt, konnte virtuell teilnehmen. Sie setzte sich gegen 13 andere Kandidatinnen und Kandidaten durch. In einer Stichwahl gewann sie gegen Lisa Krusche, die 50 Jahre jünger ist.

Testauszug aus der Lesung:
"Ein paar Minuten habe ich noch. Überall um mich herum liegen in Stapeln die Briefe an meine Mutter, die Durchschläge ihrer abgesandten Briefe, Zettel mit Adressen, Aktenordner mit Mahnungen und schließlich bezahlten Rechnungen, die Briefumschläge voller Fotos lange verstorbener und mir unbekannter Menschen, ihre Taschenkalender mit nur wenigen Eintragungen, und Postkarten, beschriebene, aber auch unbeschriebene. In alle anderen Räume unserer Wohnung kann ich Besucher hineinlassen. Hierher nicht. Einfach alles wegwerfen, jeden Tag einen Ordner, dann hast du es bald geschafft, du bist jetzt 80, wie lange willst du das alles aufheben, es interessiert doch niemand, wie viele Mahnungen deine Mutter bekam. Soviel Lebenszeit hast du mit 80 doch gar nicht mehr, mahnt er mich schon seit ihrem Tod. Sie starb, als ich 76 war. Sie wollte, dass ich über sie eine Geschichte schreibe. Hast du mit der Geschichte nun endlich angefangen, fragte sie mich, als sie schon über 100 war. Aber wie sollte ich über sie schreiben, als sie noch lebte.

Der ganze Text der Lesung von Helga Schubert unter: Link

Quelle: bachmannpreis.orf.at