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Der Gerontologe Franz Kolland: Corona hat uns alt gemacht

Foto: H.S.

20.06.2020

Im Interview mit der ORF-Sendung „NÖ heute“- beantwortet der Leiter des Zentrums für Gerontologie und Gesundheitsforschung an der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften in Krems u.a. Fragen zu Alter und Corona, die ihm von Eva Steinkellner-Klein gestellt wurden:
noe.ORF.at: Soll die Politik Ältere stärker isolieren? Es gibt ja Modelle, die zeigen, dass eine stärkere Isolation die Fallzahlen senken würde.
Kolland: Als Altersforscher habe ich da erhebliche Bedenken. Grundsätzlich ist es gut, dass dieser Schutz angeboten wird, und die Mehrheit der älteren Menschen steht dem auch positiv gegenüber. Aber es hat auch gleichzeitig zu Einschränkungen geführt, die gar nicht notwendig waren. Denn es war nicht verboten, rauszugehen und sich im öffentlichen Raum zu bewegen. Diese starke Ansage, dass alte Menschen zu Hause bleiben sollen, hat bei einigen jedoch zu einer „Übervorsicht“ geführt. Wir wissen aber, dass Bewegung im Alter besonders wichtig ist.

noe.ORF.at: Haben ältere Menschen das Gefühl bekommen, zum „alten Eisen“ zu gehören?
Kolland: Ja, ganz sicher. Studien zeigen, dass wir uns jünger fühlen, je älter wir werden. Je älter wir werden, desto größer wird die Distanz zum Kalenderalter. Corona hat die Menschen älter gemacht. Das kann man nicht verallgemeinern, aber gerade bei Menschen, die ängstlich sind und zu Depressionen neigen, tritt das besonders zutage, und das ist nicht gut.

noe.ORF.at: Rechnen Sie damit, dass sich ein Generationenkonflikt entwickeln könnte? Alt gegen jung? Denn es gibt Stimmen, die meinen, die Jungen müssen die wirtschaftlichen Folgen dieser Krise schultern, während die ältere Generation nicht so stark betroffen ist.
Kolland: Nein, das sehe ich nicht. Denn was in dieser Krise auffällig ist, ist die hohe Solidarität der Jüngeren mit den Älteren. Wir wissen aus vielen Untersuchungen, dass der Transfer grundsätzlich von den Älteren zu den Jungen verläuft, das betrifft zum Bespiel Geld oder auch Zeit für die Enkelkinder, damit die Eltern arbeiten gehen können. Nur weil es jetzt eine Phase gibt, in der Jüngere Ältere etwa mit Lebensmittel versorgen oder mit ihnen telefonieren, sehe ich keinen Generationenkonflikt entstehen.

noe.ORF.at: Finden Sie, dass eine stärkere Isolation notwendig ist?
Kolland: Das kann man nicht verallgemeinern. Es gibt eine große Gruppe von alten Menschen, die keine Vorerkrankung haben und wahrscheinlich fitter sind als so mancher 40-Jähriger. Dieses „wir“ und „sie“ ist für eine Gesellschaft nicht günstig, denn das fördert die Altersfeindlichkeit und die Stereotypen. Und das ist nicht gut für den Zusammenhalt. ..."

Quelle: ORF unter: https://noe.orf.at/stories/3054004/