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Wer muss für diese Krise bezahlen?

Foto: H.s.

05.06.2020 - von Jonathan Lefevre solidaire.org

Wer muss zahlen? Die Alltags-Helden und -Heldinnen, die Arbeiterinnen und Arbeiter im Gesundheitswesen, im Vertrieb, in der Post usw. oder die ganz Reichen? Während die PTB-PVDA in Belgien mit dem Vorschlag einer "Corona-Steuer" die Debatte auslöste, geht diese Frage um den ganzen Globus. Für französische Ökonomen ist eine Vermögenssteuer in Krisenzeiten gerechtfertigt und hat bereits das Licht der Welt erblickt.
Photo Romain / Flickr

Das öffentliche Defizit nimmt zu. Nach Angaben der Belgischen Nationalbank führt jede Woche der Maßnahmen zu einem Verlust von 4 Milliarden Euro für unserer Nationalökonomie. Vor Ausbruch der Epidemie schätzte man das staatliche Haushaltsdefizit auf 13 Milliarden Euro. Jetzt sind es 24 Milliarden. Die entscheidende Frage ist: Wer wird bezahlen?

Nach der Finanzkrise von 2008 haben uns die Regierungen die Rechnung präsentiert. Und heute? Scheinbar hat sich nichts verändert. Hört man beispielsweise dem wallonischen Ministerpräsidenten Elio Di Rupo aufmerksam zu, stehe es zweifelsfrei fest: „Alle werden sich anstrengen und akzeptieren müssen, dass sie einen Teil ihres Gehalts verlieren.” (1)

Glücklicherweise ist das kein unabänderliches Schicksal. Immer mehr Stimmen werden laut, die eine Vermögenssteuer fordern. Das hätte zur Folge, dass die Reichsten die Rechnung bezahlen würden. PTB-PVDA-Vorsitzender Peter Mertens resümiert: „Jeden Abend applaudieren wir dem Pflegepersonal und den zahllosen Helden und Heldinnen, die unsere Gesellschaft Tag für Tag in Schwung halten. Und diese Coronavirus-Helden, sollen nun die Krise bezahlen? Kommt nicht in Frage! Die Alternative ist eine außerordentliche Corona-Steuer auf große Vermögen: Ein Solidaritätsbeitrag von 5 % bei einem Vermögen von mehr als 3 Millionen Euro. Das würde 15 Milliarden Euro zurück in die Kassen bringen. Es ist eine Frage des politischen Willens."

Dieser Wunsch, das Großkapital zu besteuern, verbreitet sich über die Grenzen hinaus. Überall findet die gleiche Debatte statt. Viele linke Parteien und soziale Bewegungen fordern eine Sondersteuer auf große Vermögen oder einen außerordentlichen Beitrag zu den Unternehmensgewinnen. Kurzum, Steuergerechtigkeit wird seit langem gefordert.
Die Superreichen für die Coronavirus-Krise bezahlen lassen

"Die Regierung sollte Steuern auf überschüssige Gewinne erheben, wie sie es in der Vergangenheit mehrfach in Krisenzeiten getan hat. Im Jahr 1918 wurden alle Unternehmensgewinne über einer Kapitalrendite von 8% als unmoralisch betrachtet, und diese Gewinne wurden mit gestaffelten Sätzen von bis zu 80% besteuert. Ähnliche Steuern auf übermäßige Gewinne wurden während des Zweiten Weltkriegs und des Koreakriegs erhoben. Diese Position kommt nicht aus der Forschungsabteilung der PTB-PVDA, sondern von zwei französischen Ökonomen, die in die Vereinigten Staaten gingen, genauer gesagt an die renommierte Universität Berkeley: Gabriel Zucman und Emmanuel Saez. In einem Beitrag, der am 30. März in der New York Times veröffentlicht wurde, forderten diese Anhänger von Thomas Piketty, dass die Corona-Krise von den Superreichen getragen werden müsse und nicht von den Arbeiterinnen und Arbeitern. (2)

„Es muss sichergestellt werden, dass niemand aus einer Situation, in der die Massen leiden müssen, seinen unverschämten Nutzen ziehen kann..." So erklären die Ökonomen Gabriel Zucman und Emmanuel Saez, dass die Regierungen in jeder Krise mit mit außerordentlichen Vermögenssteuern reagiert haben.
Für eine europäische Vermögenssteuer

Die Ökonomen "nutzen" die aktuelle Krise, um auch eine europäische Vermögenssteuer vorzuschlagen. Dieser Vorschlag steht im Einklang mit dem, was sie in ihrem Essay "Der Triumph der Ungerechtigkeit" vorschlagen. Wealth, Tax Evasion and Democracy (Reichtum, Steuerhinterziehung und Demokratie), veröffentlicht Ende letzten Jahres in den Vereinigten Staaten und im Februar dieses Jahres auf Französisch und Deutsch. Ein Buch, das auf die lange Tradition der Besteuerung von Vermögen... in den Vereinigten Staaten zurückblickt. Saez und Zucman berufen sich auf das deutsche Beispiel nach 1945: „Im Rückblick ging Deutschland den besten Weg. Statt seine Schulden aufzublähen (...) führte Deutschland eine progressive Vermögenssteuer ein. Diese Steuern, die auf das Nettovermögen (alle Vermögenswerte abzüglich der Schulden) erhoben wurden, waren zeitlich begrenzt und sehr progressiv und ebneten den Weg für das deutsche Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit. Wir wären gut beraten, dem deutschen Beispiel nach dem Zweiten Weltkrieg zu folgen. Deshalb schlagen wir die Schaffung einer progressiven, zeitlich begrenzten, europaweiten Vermögenssteuer auf die Nettovermögen der reichsten 1% der Bevölkerung vor." (3)

Diese Steuer würde lediglich die reichsten 1% der Europäer betreffen und würde dazu genutzt werden, die Auswirkungen der Coronavirus-Krise zu begleichen. Konkret schlagen die beiden Ökonomen eine progressive Vermögenssteuer mit einem Satz von 1% bei einem Vermögen ab 2 Millionen Euro, einem weiteren 1% bei einem Vermögen ab 8 Millionen Euro und zusätzlichen 1% bei einem Vermögen über einer Milliarde Euro vor. Damit wäre es möglich 160 Milliarden Euro auf EU-Ebene in einem einzigen Jahr zu erhalten.
Eine Vermögenssteuer näher denn je

Wie der PTB-PVDA-Europaabgeordnete Marc Botenga bemerkt, „ist eine Kapitalsteuer zur Finanzierung des Wiederaufbaus und einer neuen Investitionsbank erforderlich. Das wäre ein Weg abzusichern, dass die reichsten Menschen tatsächlich etwas zum Wiederaufbau beitragen. Die reichsten 1% besitzen etwa 20-25% des Gesamtvermögens, in Frankreich, in Deutschland oder in Spanien. Eine Vermögenssteuer, die von den reichsten Europäern erhoben würde, könnte Steuereinnahmen generieren und gleichzeitig die Brieftasche der Arbeiterklasse entlasten". (4)

Ob die Corona-Steuer der PTB-PVDA in Belgien, der Linksparteien wie Potere al Popolo oder Rifondazione in Italien, der KPÖ Steiermark in Österreich usw., die Forderung nach einer außerordentlichen Vermögenssteuer demnach, nur ein Tropfen auf den heißen Stein sei? Also, eine Vermögenssteuer, eine Utopie? Im Gegenteil ! Offenbar ist sie näher denn je, vor allem wenn man sieht, wie schnell nach dieser erschütternden Krise die liberalen Dogmen zusammenbrechen.

1. LN24, 15. April 2020

2. « Jobs Aren’t Being Destroyed This Fast Elsewhere. Why Is That? », Emmanuel Saez und Gabriel Zucman", NY Times, 30. März 2020

3. « A progressive European wealth tax to fund the European COVID response », Camille Landais, Emmanuel Saez und Gabriel Zucman, 3. April 2020

4. « L’Union européenne à l’heure du coronavirus : solidarité ou égoïsme financier ? », Solidaire, 11. April 2020

Quelle: Newsletter PTB-PVDA - 03/06/2020 (Partei der Arbeit, Belgien)