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Direktversicherung: Bundestag muss endlich tätig werden!

Foto: H.s.

25.05.2020 - von Horst Gehring

Der § 229 Abs. 1 S. 3 SGB V, ist für viele Parlamentarier ein Buch mit sieben Siegeln.
Seit Januar 2004 füllen sich meine Aktenordner mit der Entstehungsgeschichte des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes. Wenn wir jetzt, angesichts der Corona-Pandemie mit seiner gewaltigen Kostenexplosion keinen zeitnahen Durchbruch bezgl. der Angleichung in der Doppelverbeitragung sowie der Rückerstattung von Altlasten vor dem 01.01.2004 erreichen, muss ich meine Hoffnung langsam aufgeben.

Aufgrund der Corona-Pandemie befürchten die Gewerkschaften einen massiven Stellenabbau. Viele Beitragsbescheide der GKV sind aber rechtswidrig, weil das ausgezahlte Versorgungskapital, jedenfalls in vielen Fällen nicht zu verbeitragen war. (Hier sollte man sich unbedingt durch einen Fachanwalt beraten lassen.)

Schauen wir uns aber noch einmal genaustens die derzeitige Rechtslage an:
(Dazu gehört, dass die gesetzlichen Regelungen aus dem GMG nur bei freiwillig und gesetzlich Versicherten anzuwenden sind, nicht aber bei den privat Versicherten.)

Eine anteilige Bewertung als private Vorsorge kann ausschließlich im Rahmen des Durchführungsweges einer Direktversicherung vorliegen. Hierbei muss der Betroffene selbst Versicherungsnehmer des Vertrages sein, und in dieser Zeit die fälligen Prämien gezahlt haben. Nur dann ist der auf dieser privaten Vorsorge beruhende Anteil des Zahlbetrages nach der Entscheidung des BVerfG vom 28.09.2010 - Az.: ! BvR 1660/08 - kein Versorgungsbezug. Eine doppelte Beitragspflicht liegt nicht vor, denn es handelt sich um unterschiedliche Einnahmearten.
Eine anteilige Bewertung kann aber auch der Beitragspflicht unterliegen, wenn sie nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Eigenleistung des versicherten Arbeitnehmers finanziert worden ist.

In der Vergangenheit waren Beiträge aus Arbeitsentgelt zu zahlen, und jetzt geht es um die Beitragspflicht aus einem Versorgungsbezug. Das BSG hat hierzu mit Urteil vom 12.11.2008 festgestellt, dass im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung kein Grundsatz existiert, wonach mit aus bereits der Beitragspflicht unterliegenden Einkommen vom Versicherten selbst finanzierte Versorgungsbezüge nicht oder nicht mit dem vollen Beitragssatz der Beitragspflicht unterworfen werden dürfen.

Die Beitragspflicht in der Krankenversicherung steht insofern in Abhängigkeit vom Versicherungsverhältnis. Sonst dürften z.B. auch aus der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung keine Beiträge erhoben werden, weil bereits in der "Ansparphase" Beiträge entrichtet wurden (u.a. BSG - Urteil vom 18.12. 1984 - Az.: 12 RK 33/83-).

Das BVerfG hat sich dem mit Beschluss vom 06.09.2010 - Az.: 1 BvR 739/08 angeschlossen.

Weitere wichtige Gesetzespassagen möchte ich ebenfalls nicht unerwähnt lassen. Nach ständiger Rechtsprechung des BverfG schützt Artikel 14 nicht gegen den Zugriff auf das Vermögen oder Einkommen durch Auflegung von Geldleistungspflichten (hier: erweiterte Beitragspflicht).

Dass der Gesetzgeber von ihm selbst gewählte Rechtspositionen ganz oder teilweise zurücknehmen kann, wenn sich die wirtschaftlichen Voraussetzungen wesentlich ändern und es das öffentliche Interesse, insbesondere das Interesse der Allgemeinheit am Erhalt der Funktion und Leistungsfähigkeit des Regelsystems, erfordert, ist bei Juristen unumstritten. (Siehe hierzu auch die Aussage des Bundespräsidenten a.D. Christian Wulff)

Leider ist mir aber kein Fall aus dem Umfeld der "Direktversicherungsgeschädigten" bekannt, wo eine Reduzierung ihrer Beiträge wegen der Corona - Pandemie durch die Krankenkassen veranlasst worden ist.

Das Gleiche gilt für den Fall, dass solche Gewährungen in anderer Weise eingeschränkt werden, insbesondere dadurch, dass die Beitragspflicht der Begünstigten später wesentlich erhöht wird (so auch Urteil) des BSG vom 22.04.1986 - Az-: 12 RK 50/84). Zwar fordern viele Parteien, die Beitragslast der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu senken. (Leider verweigert die Union bisher eine solche Übereinkunft).

Die Erweiterung der Beitragspflicht auf Kapitalleistungen ab 01.01.2004 verletzt auch nicht Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes. Das gilt auch, soweit Zahlungen auf bereits vor dem 01.01.2004 abgeschlossenen Verträgen beruhen. Zwar knüpft die Beitragspflicht damit an ein in der Vergangenheit begründetes Versicherungsverhältnis an, entfaltet aber nur eine sogenannte unechte Rückwirkung. Diese ist verfassungsrechtlich zulässig. Die Anwendung des vollen allgemeinen Beitragssatzes auf Versorgungsbezüge hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 10.05.2006-Az.: 1 BvR 2137/06 - bestätigt.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die bisherige Rechtsprechung mit ihrem Schwerpunkt auf dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung und dem Willen des Gesetzgebers bei der Frage der Beitragspflicht rechtssicher entschieden hat, jedenfalls nach der Rechtsauffassung der allermeisten Juristen.

Ich möchte auf das Anhörungsverfahren von Prof. Dr. Hermann Plagemann vor dem BSG in Kassel zum Verfahren B 12 KR 1719 R hinweisen. Selbst Prof. Dr. Plagemann hat in seiner Klageschrift vom 16.04.2019 auf diese Missstände hingewiesen. Ich betone daher noch einmal, dass der finale Zusammenhang zwischen Altersversorgung und Versorgungsbezug nicht gegeben ist, da meine Frau das Rentenalter nicht erreicht hatte und dazu (beim gleichen Arbeitgeber) beschäftigt war. Das ausgezahlte Versorgungskapital ist somit nicht zu verbeitragen.

Somit ist das Urteil des BSG vom 20. Juli 2017 - B 12 KR 12/15 R - auf den hier vorliegenden Sachverhalt anwendbar. Siehe hierzu auch den o.g. Hinweis auf die Klageschrift von Prof. Dr. Plagemann. Das BSG nennt in seiner Urteilsbegründung u.a. laufend gezahltes Ruhegeld nur beispielhaft in seiner Aufzählung. In seiner Urteilsbegründung entwickelt das BSG die von ihm zitierte Rechtsprechung (ebenso wie das Sozialgericht Osnabrück mit seinem hier angegriffenen Urteil) die ständigen Rechtsprechung des BAG weiter und geht von befristeten und unbefristeten Leistungen aus.

Das BSG führt aus:

"Diese Rechtsprechung (des BAG) entwickelt der Senat fort. Er geht nunmehr davon aus, dass auch unbefristete Leistungen, die ein Arbeitgeber an Arbeitnehmer nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis anfänglich mit Überbrückungsfunktion auch über den Renteneintritt hinaus zahlt, keine Versorgungsbezüge sind. Jedoch sind sie ab dem Zeitpunkt des Renteneintritts, spätestens ab Erreichen der Regelaltersgrenze beitragspflichtige Versorgungsbezüge anzusehen. BSG, Urteil vom 20. Juli 2017 - B 12 KR 12/15 R - BSGE (vorgesehen). SozR 4 2500 § 229 Nr. 21 Rn. 15." Ebefalls in o.g. Klageschrift angeführt.

Maßgeblich ist nach der Fachliteratur danach der Auszahlungszeitpunkt und ob die Arbeitnehmerin zum Auszahlungszeitpunkt in die Rente eingetreten ist. Die Begriffe "mangels Todesfall, Hinterbliebenenversorgung usw. sind juristische Begriffe, die eingebunden sind!!!

Des weiteren verweise ich auf die Expertise von Prof. Dr. Karl-Jürgen Bieback* im gleichen Verfahren. Beachten Sie bitte seine kritischen Anmerkungen zum Anhörungsverfahren vor dem BSG in Kassel. Quelle: NZS 2019, 246. Zwar fordern viele Parteien, die Beitragslast der Leistungen der bAV zu senken. Leider verweigert die Union bisher eine solche Übereinkunft.

Der Anhörungstermin vom 17. März 2020 wurde wegen der Corona-Krise auf unbestimmte Zeit vertagt.

Der guten Ordnung halber weise ich noch auf den Terminbericht vom 27.02.2019 des BSG mit Kurzdarstellung hin.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die bisherige Rechtsprechung mit ihrem Schwerpunkt auf dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung und dem Willen des Gesetzgebers bei der Frage der Beitragspflicht rechtssicher entschieden hat, jedenfalls nach der Rechtsauffassung der allermeisten Juristen.

Hier möchte ich auf das Anhörungsverfahren von Prof. Dr. Hermann Plagemann vor dem BSG in Kassel zum Verfahren B 12 KR 1719 R hinweisen.

- B 12 KR 12/18 R -

- B 12 KR 13/ 18 R -

- B 12 kR 17/18 R -

- B 12 KR 8718 R -

Das taugliche Unterschiedskriterium Unterscheidungskriterium im Einzelfall ist die Einordnung als betriebliche Altersversorgung; soweit die derzeitige Meinung.

So bleibt, nach derzeitigen Stand, lediglich der Weg über den Gesetzgeber. Wenn die tatsächlich unterschiedlichen Arten der Direktversicherungen, besonders hinsichtlich der Finanzierungsunterschiede in der Beitragspflicht für die Krankenversicherungen auch sozialrechtlich unterschiedlich behandelt werden sollen, muss der Bundestag endlich tätig werden.

Die Neuregelung zum 01.01.2004 zu Kapitalleistungen gilt für alle Versorgungszusagen - auch in laufenden Verträgen -, bei denen der Versicherungs - bzw. Versorgungsfall nach dem 31.12.2003 eintritt. Die Beitragspflicht der Kapitalleistung wird also auch nicht dadurch beseitigt, dass die vorgenannten Regelungen während bereits laufender Direktversicherungsverträge in Kraft trat. getreten sind.

Hier fangen aber meine Bauschmerzen an, die von den gesetzlichen Krankenkassen schlichtweg ignoriert werden.
Der Unmut der Betroffenen über die Beitragspflicht ist durchaus verständlich. Allerdings haben die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) als Körperschaft des öffentlichen Rechts die gesetzlichen Grundlagen und die hierzu ergangene Rechtsprechung zwingend einzuhalten bzw. zu beachten. Die seit dem 01.01.2004 bestehende Beitragspflicht, ist auch nicht auf eine Initiative der GKV zurückzuführen.

Stein des Anstoßes war vielmehr eine Verpflichtung des BVerfG. Ziel der kritisierten Regelung war es, die Alterseinkünfte gleich zu behandeln und in die solidarische Krankenversicherung miteinzubeziehen. Diese Ungleichbehandlung wurde vom BSG immer wieder kritisiert. Das BVerfG hat daraufhin den Gesetzgeber am 15. März 2000 verpflichtet, freiwillig und gesetzlich versicherte Rentnerinnen und Rentner bei der Beitragserhebung der Gesetzlichen Krankenkassen gleich zu behandeln und angeregt, das so zu gestalten, dass sämtliche Einnahmen der Versicherten mit einbezogen werden. Dazu gehörte auch, dass regelmäßige Rentenzahlungen nicht stärker belastet werden als Einmalzahlungen.

Danach sah sich der Gesetzgeber hierzu aus Gründen der Gleichbehandlung veranlasst, (monatliche Renten aus Direktversicherungen waren bereits seit 1982 beitragspflichtig).

Sehr kritisch betrachte ich aber die Rechtsauffassung der GKV, wie sie den § 229 Abs.1 S. 3 SGB V auslegt.

§ 229 Abs.1 S.3 SGB V knüpft an der ersten Satz der Norm an, in dem verschiedene Versorgungsbezüge genannt sind, die der Beitragspflicht unterliegen. Einzige hier in Betracht kommende Art eines Versorgungsbezuges ist die einer Betriebsrente gem. § 229 Abs.1 S.1 Nr.5 SGB V. Damit stellt sich die Rechtsfrage, ob eine ausgezahlte Versicherungssumme eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung ist, die an die Stelle einer Betriebsrentenzahlung trat getreten ist. Genau dies ist aber erforderlich, wie sich schon aus dem allgemeinen Sprachgebrauch ergibt.


So verweise ich auf ein Sprachgutachten des Germanisten PD Dr. Wolfgang Beutin und er Gesellschaft für Deutsche Sprache
Bei Beutin heißt es:
"Das Demonstrativpronomen "solch,solcher,solche,solches´ verweist, nie anders als auf einen zuvor im Text erwähnten und beschriebenen Sachverhalt.(...) Es geht dem Gesetzgeber nun in dem bewussten Paragraphen (gemeint ist § 229 SGB V) um eine von den Rentenzahlungen abgeleitete Abfindung. Allein um sie. Soher fällt eine einmalige Kapitalauszahlung, die nicht eine von der Rente abgeleitete Abfindungsleistung darstellt, gemäß der sprachlich korrekten Formulierung des Gesetzgebers auch keineswegs unter diesen Paragraphen."

Zum gleichen Ergebnis kommt auch die Gesellschaft für deutsche Sprache in einem mir vorliegenden Schreiben vom 17.01.2019: "Das Demonstrativpronomen solche bezieht sich in diesem Satz (§ 229 Abs.1 S.3 SGB V ganz eindeutig und ausschließlich auf die vorherige Nominalphrase nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung. Solche nimmt die Stelle der vorherigen Leistungsbeschreibung (nicht regelmäßig wiederkehrend) ein und stellt durch seine Anwesenheit die Referenz darauf her. (...) Damit handelt es sich im vorgelegten Gesetzestext um eine spezielle, nicht wiederkehrende Leistung, nämlich nach Bundestagsdrucksache 15/1525 vom 08.09.2003 um eine einmalige Kapitalzahlung, die an die Stelle der Versorgungsbezüge tritt(...)."

Wie es bereits das Sozialgericht Osnabrück in der ersten Instanz zum Az.: S 34 Kr 596/16 festgestellt hat, liegt hier kein Versorgungsbezug vor. Das Sozialgericht Osnabrück hat sich in seinem Urteil vom 14.02.2018 richtiger Weise auf das Urteil des BSG vom 20.07.2016-B 12 KR 12/15 bezogen und die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Bescheide erkannt.

Entgegen der gegnerischen Auffassung ist das Urteil des BSG vom 20. Juli 2017 - B 12 KR 12/15 R - auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar.

Maßgeblich ist danach der Auszahlungszeitpunkt und ob die Arbeitnehmerin zum Auszahlungszeitpunkt in die Rente eingetreten ist. Unstreitig ist dies in dem hier vorliegenden Sachverhalt nicht der Fall. Meine Frau hat hatte zum einen zum Auszahlungszeitpunkt im April 2015 nicht die Regelaltersgrenze der Rente erreicht, zum anderen war sie zum Auszahlungszeitpunkt noch bei dem gleichen Arbeitgeber beschäftigt.

Der Wortlaut des § 229 SGB V ist eindeutig. Er findet nur Anwendung, wenn Einnahmen wegen einer Einschränkung oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden.

Der Beitrag ist mangels Renteneintritt nicht als Altersversorgung, mangels Todesfall nicht als Hinterbliebenenversorgung und aufgrund der Erwerbstätigkeit meiner Ehefrau nicht wegen Einschränkung der Erwerbsfähigkeit erzielt worden.

Völlig unerheblich ist daher die von der DAK angeführte Betriebsvereinbarung. Ebenso wenig erheblich ist, ob der Arbeitgeber der Berufungsbeklagten die Auszahlung der Versorgungsleistung im Rahmen der maschinellen Meldeverfahrens gegenüber der DAK gemeldet hat.

Anzumerken ist noch, dass zwischen der Auszahlung und Renteneintritt 3 1/2 Jahre lagen. Es fehlt also ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Auszahlung und Renteneintritt. Die betriebliche Altersversorgung betrachte ich aber als Absicherung für meine Frau, wenn sie aus dem Erwerbsleben ausscheidet, indem die damit einhergehenden Einnahmeausfälle durch Rentenzahlung abgemildert werden.

Das anhängige Verfahren liegt vor dem LSG Nds./Bremen in Celle und kann unter den Az.: L 16 KR 172/18 eingesehen werden.


(Gerne verweise ich auf die zahlreichen Veröffentlichungen zum Thema, die von Frau Schweitzer auf .altersdiskriminierung.de professionell dargestellt worden sind H.G.).

Quelle: Horst Gehring