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16.03.2020 - von Marcus Schwarzbach
Die Nachrichtensendungen in den öffentlich-rechtlichen TV-Sendern am Freitag waren selbsterklärend: jetzt ist „die Wirtschaft“, in Gefahr, also die Gewinne sind gefährdet. Todesfälle durch Corona werden noch kurz vor den Sportnachrichten erwähnt. Von „Solidarität“ spricht Kanzlerin Merkel aufgrund Corona. In wessen Interesse dieser Aktionismus erfolgt, wer mit wem „solidarisch“ sein soll, zeigt ein Blick in die Betriebe. Selbst das „Bürgerliche Gesetzbuch“, das BGB, wird dabei ignoriert. Zwei Beispiele machen dies deutlich
1. Annahmeverzug
Für den Fall, dass ein Unternehmen nicht ausreichend Arbeit für die Belegschaft hat, gibt es eine gesetzliche Regelung. Hat ein Arbeiter etwa einen Arbeitsvertrag mit 40-Stunden-Woche, kann das Unternehmen ihn am Tag 8 Stunden Arbeiten zuteilen. Reicht die Arbeit nicht für diese Zeit aus, da weniger Kunden aufgrund des Corona-Virus nach Waren nachfragen oder Vorprodukte nicht geliefert werden können, ist dies das Problem des Managements – und nicht des Lohnabhängigen. Im § 615 BGB heißt es, für Laien, schwer verständlich:
Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein.
Was bedeutet: erhält der „Verpflichtete“, also der Lohnabhängige als ein Teil des Arbeitsvertrages, nicht ausreichend Arbeit zugeordnet, muss der „Dienstberechtigte“ weiterhin Lohn zahlen. Der Arbeiter ist NICHT „zur Nachleistung verpflichtet“, sagt das BGB damit. Aber was passiert derzeit in der betrieblichen Praxis? Arbeitszeitkonten kommen zum Einsatz, im Interesse des Unternehmens. Beschäftigte werden aufgefordert, nach Hause zu gehen, Zeiten aus ihrem Arbeitszeitkonto zu entnehmen oder diese Konten ins Minus laufen zu lassen, um später nachzuarbeiten. Das immer wieder beschworene „unternehmerische Risiko“ wird so auf die Beschäftigten übertragen. Das Gesetz spielt in der Praxis keine Rolle dabei.
2. Ausstattung des Arbeitsplatzes durch das Unternehmen
Die Meldungen gleichen sich derzeit. Opel hat „Hunderte Mitarbeiter vorübergehend ins Homeoffice geschickt, RTL, Xing, ZDF verordnen Arbeiten zuhause. Als wäre es normal, wird von Unternehmen derzeit vorausgesetzt, dass Beschäftigte zuhause einen Arbeitsplatz einrichten. Mit solchen Homeoffice-Konzepten werden Kosten auf die Beschäftigten verlagert. Auch hier gibt es eine eindeutige Rechtssituation: Die erforderlichen Arbeitsmittel sind vom Unternehmen zu beschaffen. Dies ergibt sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). In § 670 heißt es:
Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatze verpflichtet.
Damit stehen den Beschäftigten auch Aufwandsentschädigungen für Miete, Energie und Reinigung der Arbeitsräume zuhause zu – die Unternehmen umgehen diese Pflicht derzeit mit dem Argument „Ausnahmezustand Corona“. Interessen werden hier völlig verschleiert – wie es die Begriffe „Arbeitnehmer“ und „Arbeitgeber“ ja schon verdeutlichen. Der „Arbeitnehmer“ wird als Beschäftigter verstanden, während der Unternehmer als „Arbeitgeber“ bezeichnet wird. So definiert es das Betriebsverfassungsgesetz. Diese Begrifflichkeiten verschleiern, dass die Arbeit durch die Beschäftigten erbracht wird und sie den Wert im Unternehmen schaffen: Der „Arbeitnehmer“ stellt dem Kapitaleigner, dem „Arbeitgeber“ seine Arbeitskraft zur Verfügung. Der „Arbeitnehmer“ verkauft seine Arbeit dem „Arbeitgeber“, der Produktionsmittel zur Verfügung stellt.
Umfassende Strategien der Kapitaleigner hat Naomi Klein als „Schocktherapie“ in ihrem Bestseller einleuchtend beschrieben. Auch jetzt ist der Betrieb wieder einmal rechtsfreie Zone. Die derzeitige „Corona-Krise“ zeigt, wie selbst Krankheitserreger in diesem Sinne genutzt werden.
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