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Psychotherapeuten fordern klare Worte+Taten für Datenschutz!

Foto: H.S.

12.02.2020 - von Hildegard Huschka, Christine Laufersweiler-Plass, Gabriele Späh, Günter Steigerwa

Nach einer erschreckenden, nicht enden wollenden Pannenserie im Zusammenhang mit der sog. „Telematik-Infrastruktur des Gesundheitswesens“ (TI) fordern wir alle Vertreter*innen der Psychotherapeut*innen in Kammern, KVen und Berufsverbänden sowie die Politik energisch auf, sich vehement für den Datenschutz in der TI und für Eindeutigkeit in der Gesetzgebung einzusetzen.

Die jüngste Veröffentlichung in der Computerzeitschrift c‘t bestätigt erneut die klaren, unermüdlichen Hinweise aus Fachkreisen auf die Sicherheitslücken. Der aktuelle Entwurf des Gesetzes zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur (PDSG), der wie zuvor das Digitale Versorgungsgesetz (DVG) in Windeseile durch den Bundestag gebracht werden soll, wirft zusätzlich viele neue Fragen auf, bevor die bestehenden beantwortet sind.

Auch uns geht es darum, die EDV-Rahmenbedingungen unserer Arbeit sinnvoll weiterzuentwickeln. Doch das benötigt unsere Expertise und keine gesetzgeberischen Temporekorde! Vor allem durch die vielen Praxis-Inhaber*innen, die sich gegen einen TI-Anschluss entschieden haben und die seit 2019 ein Prozent des Honorars für den Datenschutz opfern, wird der Politik klargemacht, dass die TI nicht am Datenschutz vorbei geplant werden darf. Besonders die Daten unserer psychisch erkrankten Patient*innen benötigen einen gewissenhaften Schutz. Wir wollen und müssen als Psychotherapeut*innen die gesetzliche Schweigepflicht respektieren, doch die neuen Gesetze zur vernetzten Digitalisierung im Gesundheitswesen machen uns dies fast unmöglich und stehen dazu im Konflikt.

Von unseren Kammern, den Berufsverbänden und den KVen fordern wir, sich endlich entschieden gegen eine Politik aufzustellen, die die wertvollen Gesundheitsdaten derBürger*innen gratis an zentrale Server liefern möchte, auf denen der Schutz vor den Begehrlichkeiten der TI-Lobbyisten und auch der staatlichen Kontrolle nicht mehr gewährleistet ist.

Wir erwarten, dass sich unsere berufsständischen Vertreter*innen gemeinsam für die folgenden Forderungen einsetzen:

1.
Die Freiwilligkeit des TI-Anschlusses für Praxisinhaber*innen muss möglich bleiben, da nur durch Wahlfreiheit die Qualität der Datensicherheit und der TI-Netze gefördert wird.
2.
Quartalsabrechnungen müssen weiterhin auch ohne TI-Anschluss möglich bleiben.
3.
Die Honorarkürzungen für nicht an der TI teilnehmende Praxisinhaber*innen sind zu stoppen bzw. rückgängig zu machen. Diese Forderung ist gerichtlich durch Verbandsklagen durchzusetzen.
4.
Die Haftungsfragen und möglichen Haftungssummen bei Anschluss an die TI (Daten-schutzfolgeabschätzung) müssen geklärt werden.
5.
Die Möglichkeit der Ablehnung zentraler Datenspeicherung der psychiatrischen F-Diagnosen in elektronischen Patientenakten sollte ausdrücklich eingeräumt werden.
6.
Daten von Patient*innen dürfen nur weitergegeben werden, wenn diese zuvor explizit und schriftlich ihre Einwilligung erteilt haben.
7.
Es soll ein TI-Entschädigungsfonds für durch Daten-Leaks geschädigte Patient*innen undPraxen eingerichtet werden.
8.
Die Pseudonymisierung und Anonymisierung der Quartalsabrechnungsdaten für DIMDI muss unumkehrbar sein. Dies Verfahren muss fachlich regelmäßig von einem unabhängigen Gremium überprüft werden.
9.
Die PVS-Anbieter müssen eine Schnittstellenlösung für einen Konnektor eines anderenAnbieters kostenfrei zulassen.
10.
Es soll eine Erstattung der Kosten für TI-Geräte bei Umzug der Praxis sowie die Übernahme von Wartungskosten bei Ausfall/Überalterung von TI-Geräten erfolgen.
11.
Für Praxisinhaber*innen soll ein kostenfreier fachversierter TI-Notfall-Service durch die KBV eingerichtet werden, der durchgängig während der Praxisöffnungszeiten erreichbar ist.
12.
Es sollen kostenfreie KBV-Online-Seminare zum Datenschutz für Praxisinhaber*innen angeboten werden, z.B. zur Verschlüsselung von Festplatten und USB-Sticks.
13.
Es soll eine Überprüfung der KBV-Zertifizierung der Praxis-Software-Angebote (PVS) vonFach-Informatikern und Juristen in Bezug auf Datenschutz sowie Vertragsrecht erfolgen. Beispiel: im laufenden Abrechnungssystem sind stets die Daten und Protokolle der letzten zehn Jahre zugänglich, was wir für bedenklich halten.
14.
Mit den PVS-Anbietern müssen faire Verträge hinsichtlich Haftung, Laufzeit und Wartung ausgehandelt werden.
15.
Es müssen faire Versicherungsverträge zur Praxenhaftung entwickelt werden für den Fall von Datenverlust-Schäden.
16.
Die mögliche Interessenkollision bei berufsständischen Verbänden bzw. Verbands-Ver-treter*innen zwischen einerseits dem Auftrag zur Berufsvertretung und anderseits Vorteilen durch Zusammenarbeit mit der TI-Lobby ist per Verbands-(Kammer-)Satzung auszuschließen oder zumindest ähnlich wie bei den Standards von wissenschaftlichen Publikationen öffentlich zu machen. Wir fordern, dass beim nächsten Treffen des Gesprächskreises der psychotherapeutischen Berufsverbände (GKII) im Frühjahr 2020 die o.g. Punkte möglichst gemeinsam beraten und beschlossen werden. Auch eine gemeinsame Übernahme der Kosten für Juristen und Informatiker sollte verabredet werden. Eine weitere und für PP/KJP transparente Zusammenarbeit der Berufsverbände ist hierfür notwendig. Dazu sollte der bisherige GKII die Zusammenarbeit mit dem neu gegründeten Psychothera-peut*innen-Netzwerk anstreben und dessen Expertise in Sachen TI einbeziehen. Wir brauchen künftig von den gewählten Vertreter*innen unseres Berufsstands eine öffentliche, selbstbewusste und klare Abgrenzung gegen die gesundheitspolitische Einflussnahme der TI-Lobbyisten, die den Psychotherapeut*innen nun die Rahmenbedingungen der Arbeit diktieren wollen.

Digitalisierung muss dem Menschen dienen, nicht umgekehrt!

Die eingesetzte Technik muss so sicher wie resilient gegen technische Störungen, Ausfälle und böswillige Angriffe sein. Bisher erfüllt die TI diese grundlegenden Anforderungen nicht. Fordern Sie das bitte gemeinsam mit uns ein!

Wir sind dankbar, dass das Bündnis für Patientendatenschutz wie auch ärztliche Fachverbände, Patientenverbände und Datenschützer diese oder ähnliche Forderungen stellen, wollen jedoch hier ausschließlich für Psychotherapeut*innen sprechen.

Namentlich für die Arbeitsgruppe TI-Datenschutz: Hildegard Huschka, Christine Laufersweiler-Plass, Gabriele Späh, Günter Steigerwa.

Offener Brief an die GKII-Verbände, die KVen und die Kammern der Psychotherapeut*innen, Februar 2020

Quelle: überregionale Arbeitsgruppe von Psychotherapeut*innen (PP/KJP) zum TI-Datenschutz

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