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Null Rechtssicherheit beim Kampf gegen multiresistente Keime mit Bakteriophagen

Foto: H.S.

30.08.2019 - von Gerd Feller

Seit Jahren spricht sich die SeniorenVertretung Bremen für eine intensivere Bekämpfung von Keimen aus, die gegen Antibiotika resistent sind Sie bilden ein stetig wachsendes Gesundheitsrisiko. Dazu gehört unter anderem der methicillin-resistente Erreger Staphylococcus aureus (MRSA). Jährlich erkranken daran in Deutschland über 50.000 Menschen, und die Todesrate ist hoch. Informationen zu den Infektionswegen, zu den Symptomen des Befalls sowie zum Schutz und zur Vorsorge sind reichlich vorhanden. Aber in der Öffentlichkeit ist weniger bekannt, dass es neben der leider oft vergeblichen Verabreichung von Antibiotika auch noch andere Wege zur Abwehr der lebensgefährlichen multiresistenten Keime gibt.

Die ARD-Sendung Europamagazin brachte in ihrer Ausgabe vom 23. Juni 2019 einen
kurzen Bericht über den erfolgreichen Einsatz von Bakteriophagen. So bezeichnet man
verschiedene Gruppen von Viren in Stäbchenform, die die Fähigkeit besitzen, an die
gefährlichen Bakterien anzudocken, um sie als Wirtszellen für die eigene Vermehrung zu nutzen. Sie injizieren den Bakterienzellen ihre DNA und zerstören damit die Keime.
Der Prozess ist natürlich etwas komplizierter als hier beschrieben, aber der Erfolg ist gewährleistet. Die Keime werden vernichtet, und, wie es heißt, ohne Nebenwirkungen.

Solche Bakteriophagen werden bereits in Medizin, Biologie, Agrarwissenschaft und Gentechnik eingesetzt, sind also nichts Neues. Allerdings muss die Therapie mit Bakteriophagen für die Patienten/Patientinnen entsprechend der bei ihnen auftretenden Keime individuell zugeschnitten sein, und da liegt das Problem.

Die millionenfache Herstellung eines gleichen Mittels wie bei den Antibiotika ist
nicht möglich und wäre auch nicht sinnvoll. Deshalb, und weil Brüssel sich bisher nicht zu einheitlichen Regelungen überwinden konnte, scheitert der Einsatz von Bakteriophagen gegen die resistenten Keime in vielen EU-Ländern an den Zulassungsvorschriften. Die östlichen Mitgliedsstaaten arbeiten schon lange erfolgreich mit dieser Therapie, die westlichen, darunter auch Deutschland, ignorieren sie bisher. Eine Ausnahme existiert im Westen, nämlich in Belgien.

In Brüssel gibt es eine Klinik, die zur Anwendung der Therapie einen rechtlich nicht
anfechtbaren Ausweg gefunden hat. Dort können die individuell notwendigen
Bakteriophagen-Cocktails hergestellt und eingesetzt werden. Die Abgeordneten des
Europaparlaments können demnach im Falle einer Infektion mit multiresistenten Keimen in Brüssel schnelle Hilfe in Anspruch nehmen. Aber ein in Deutschland lebender Patient, wie in der Sendung beschrieben wurde, muss wegen des für ihn passenden Bakteriophags nach Helsinki/Finnland reisen, um sich dort behandeln und sein Leben retten zu lassen.

Ein solcher Cocktail für die Entwicklung der Bakteriophagen im Körper der Patienten soll nur 5,00 € kosten, darf aber eben nicht in unserem Land verabreicht werden. Sind für das geringe Interesse des Europaparlaments und der Kommission in Brüssel an sinnvolleren Regelungen die Lobbyisten der Pharma-Industrie verantwortlich?

Wäre das der Fall, dann sollte zum Wohle der von multiresistenten Keimen befallenen Menschen umgehend auch der ziemlich resistente Keim der Geldgier bekämpft werden.

Als Mitglied der Generation 80+ und damit zugleich einer Risikogruppe, verstehe
ich das zögerliche Verhalten Brüssels bei der Herstellung von Rechtssicherheit für den Einsatz der Bakteriophagen als sehr bedenkliche Ungleichbehandlung und üble Altersdiskrimination.

Ich denke, es wäre an der Zeit, dass sich die Bremer Seniorenvertretung mal wieder um das Keimproblem kümmert und EU-einheitliche Regelungen im Sinne der Bakteriophagen-Therapie fordert. Dabei sollten die Arbeitsgemeinschaft der Landesseniorenvertretungen und die Bremer EU-Abgeordneten einbezogen werden.

(Wer an der angesprochenen Sendung der ARD interessiert ist, kann sich das Video unter ARD Europamagazin vom 22.6.2019 ansehen).

Zum Thema: Bremer Seniorenvertretung: Aktiv gegen multirestistente Keim Link

Link: Notfallsanitäter dürfen bei Herzinfarkt keine Hilfe leisten
Quelle: Durchblick, August 2019