15.06.2018
Anlässlich der Ausstellung "Jugendkultur in Stendal: 1950-1990" (22.4.-18.8.2018) wird - in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung des Landes Sachsen-Anhalt - die öffentliche Fachtagung "Jugendkulturen - Szenen aus der DDR" ausgerichtet. Diese soll Schlaglichter auf die verschiedenen Jahrzehnte prägenden Jugendkulturen werfen (1950er: "Halbstarke"; 1960er: "Blueser", 1970: Punk; 1980: Metal) und übergreifende Themen (Musik, Kleidung, Orte) ansprechen insbesondere mit Blick auf ihre Bedeutungen für jugendkulturelle Praxen als Formen politischer Ent-Äußerungen.
Mit Vorträgen von Prof. Dr. Susanne Binas-Preisendörfer (Oldenburg, Berlin), Dr. Wiebke Janssen (Magdeburg), Alexander Kühne (Berlin), Dr. Sven Werner (Dresden), Dr. Wolf-Georg Zaddach (Weimar, Berlin). Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. Günter Mey, Hochschule Magdeburg-Stendal; Angewandte Humanwissenschaften, Osterburger Str. 25, 39576 Hansestadt Stendal
Fachtagung: Jugendkulturen - Szenen aus der DDR
Katharinenkirche, Schadewachten 48, 39576 Hansestadt Stendal
15. Juni 2018
12:30 Begrüßung: Gabriele Bark (Museumsleitung) / Eröffnung: Prof. Dr. Günter Mey (Projektleitung)
13:00 Dr. Sven Werner (Dresden): "Kunde" oder "Jugendfreund". Jugendkulturen jenseits der Offizialkultur
13:45 Dr. Wiebke Janssen (Magdeburg): Elvis in der Provinz? - "Halbstarke" in Stendal
15:30 Dr. Wolf-Georg Zaddach (Weimar): Schwermetall hinter dem Eisernen Vorhang. Heavy Metal in der DDR
16:15 Prof. Dr. Susanne Binas-Preisendorfer (Oldenburg, Berlin), Alexander Kühne (Berlin): Von der Provinz in die Stadt und zurück - glokale Perspektiven in den 1980ern
* Ab 11:30 und in der Kaffeepause (14:30-15:30) besteht die Möglichkeit zum Ausstellungsbesuch.
Zu den Vorträgen:
Prof. Dr. Susanne Binas-Preisendörfer (Oldenburg, Berlin) und Alexander Kühne (Berlin): Von der Provinz in die Stadt und zurück - glokale Perspektiven in den 1980ern"
Landauf landab war man als Band in der DDR unterwegs zwischen den diversen Auftrittsorten, Kulturzentren, Jugendklubs, Kulturhäusern und Studentenklubs. Nahezu flächendeckend existierte das Netz einer staatlich organisierten und kontrollierten Infrastruktur, für die man allerdings eine Spielerlaubnis (Pappe) brauchte, um dort vor Publikum aufzutreten. Das betraf auch die 1980er Jahre, in denen zunehmend Punk- und New Wave Bands das Interesse von Jugendlichen weckten und deren Begegnungen nicht allein (wie oft vermutet) in Kirchen oder Galerien stattfanden. Der erste Teil des Vortrages konzentriert sich auf die Aktivitäten der sogenannten anderen Bands und ihre Fans, während im zweiten Teil zwei Zeitzeugen miteinander ins Gespräch kommen: zu den Grenzen und Möglichkeiten einer selbstbestimmt agierenden und zunehmend mit dem System in Konflikt geratenden und zugleich von ihm geduldeten Szene und ihren Protagonisten.
Susanne Binas-Preisendörfer ist Professorin für Musik und Medien an der Universität Oldenburg und Vorstandmitglied im Archiv der Jugendkulturen e.V.; Ende der 1980er Jahre war sie Musikerin in der Band Der Expander des Fortschritts. Sie studierte Musik- und Kulturwissenschaften an der Humboldt-Universität in Berlin und promovierte 1991 dort am Forschungszentrum populäre Musik. In den 1990er Jahren engagierte sie sich für verschiedene Kulturprojekte in Berlin; aktuell entwickelt sie ein Projekt zum Thema "Zeugnisse und Zeugen von (Sub)Kulturen".
Alexander Kühne ist Journalist, er wuchs in Lugau, heute Brandenburg, auf. Nach der Lehre in einer Schraubenfabrik arbeitete er auf einem Kohleplatz, bei der Staatlichen Versicherung und verkaufte Modelleisenbahnen. Gleichzeitig organisierte er mit Freunden in seinem Heimatdorf Konzerte mit Bands der DDR-Punk- und New-Wave-Szene. 1990 zog er nach Berlin. Er schreibt für Film, Fernsehen und Zeitschriften. 2016 veröffentlichte er seinen autobiografischen Roman "Düsterbusch City Lights".
Dr. Wiebke Janssen (Magdeburg): "Elvis in der Provinz? - "Halbstarke" in Stendal
Die "Halbstarken" gelten als erste amerikanisierte Jugendkultur in der deutschen Nachkriegsgeschichte. In Kleidung und Habitus orientierten sie sich an Filmschauspielern wie James Dean und Marlon Brando so wie an den in den fünfziger Jahren aufkommenden Stars des Rock´n´Roll. Die SED brandmarkte jedoch die Begeisterung DDR-Jugendlicher für die US-amerikanische Populärkultur als "amerikanische Unkultur". Am Beispiel der Stadt Stendal zeigt der Vortrag auf, wie nonkonformes Verhalten Heranwachsender unverhältnismäßig politisiert und ideologisch überfrachtet wurde. Zugleich wird schlaglichtartig die Kriminalisierung und strafrechtliche Verfolgung der DDR-"Halbstarken" beleuchtet.
Wiebke Janssen ist promovierte Historikerin, sie leitet das Dokumentationszentrum am Moritzplatz des Bürgerkomitees Magdeburg e. V.; Veröffentlichungen zur Jugendkultur der Halbstarken in der DDR, u. a. Halbstarke in der DDR. Verfolgung und Kriminalisierung einer Jugendkultur (2010), Halbstark in Halle. Cliquen, Meuten, Kannen der 50er Jahre (2010).
Prof. Dr. Günter Mey (Magdeburg-Stendal): Eröffnung: Vom Projekt zur Ausstellung "Jugendkultur in Stendal"
Der Vortrag skizziert die Ideen zum Projekt "Jugendkultur in Stendal: 1950-1990" bis zur Umsetzung der gleichnamigen Ausstellung im Altmärkischen Museum in Stendal (22.4.-18.8.2018). Eingebettet sind darin einige Annotationen zu Jugendkulturen in der DDR, entlang der in der Ausstellung zusammengestellten Themenkomplexe "Der Sound", "Der Style" und "Die Events".
Günter Mey hat eine Professur für Entwicklungspsychologie an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Er hat er u. a. das Projekt "Inszenierung von Jugend/lichkeit" im BMBF-geförderten Forschungsverbund "JuBri - Techniken jugendlicher Bricolage" (2014-2017) sowie die Studie Jugendkultur in Stendal: 1950-1990 geleitet, zudem Dokumentarfilme zu Jugendkulturen erstellt (Meller 88 - Portrait einer Punk-WG ,1987; Hyde Park - Dokumente eines Wandels (1988) Publikationen u.a. Jugend/kulturen (2011), Neue Perspektiven in der Jugendkulturforschung (2015) sowie zur Szenenforschung die Bände Szenen, Artefakte und Inszenierungen (2018) und Stilbildungen und Zugehörigkeit (2018). Weitere Informationen: http://www.humanwissenschaften.hs-magdeburg.de/l/~mey.
Dr. Sven Werner (Dresden): "Kunde" oder "Jugendfreund". Jugendkulturen jenseits der Offizialkultur
Ausgehend von Befunden aus der Jugendbewegungsforschung und von Perspektiven auf ost- wie westdeutsche Generationenverhältnisse um die Mitte des 20. Jahrhunderts wird in dem Vortrag an mehreren Beispielen die Spannung dargestellt, in der sich DDR-Jugendliche zwischen FDJ-Staatsjugend und jugendkultureller und subkultureller Orientierung bewegten. Die Selbstbezeichnungen als "Kunde" oder als "Jugendfreund" stehen für zwei zwar stark differierende, aber in der jugendlichen Lebenswelt pragmatisch auszubalancierende Adressierungen junger DDR Bürgerinnen und-bürger.
Sven Werner, Dr. phil., Dipl. Päd., arbeitete mehrere Jahre in der Redaktion der Zeitschrift für Sozialpädagogik und hat jüngst zu Jugend, Jugendbewegung und Szenenforschung sowie zur Methode der Grounded Theory publiziert.
Dr. Wolf-Georg Zaddach (Weimar): Schwermetall hinter dem "eisernen Vorhang". Heavy Metal in der DDR
Heavy und Extreme Metal stellte in der DDR der 1980er Jahre eine der größten Jugendkulturen dar, die sich sowohl in den Großstädten als auch auf dem Land großer Beliebtheit erfreute. In dem Vortrag soll vorgestellt werden, wie und in welcher Art und Weise sich DDR-Jugendliche für die westliche Jugendkultur begeistern konnten. Dabei wird sowohl auf "Zeitzeugen"-Interviews als auch auf Recherchen im Archiv der BStU und des Deutschen Rundfunkarchives zurückgegriffen werden.
Wolf-Georg Zaddach ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Musikwissenschaft Weimar-Jena der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar und der Friedrich-Schiller-Universität Jena mit den Schwerpunkten Kultur-/Musikmanagement sowie populäre Musik und Jazz. Seine Publikationen und Forschungsprojekte umfassen die Geschichte und Analyse von Jazz und Heavy Metal sowie Musikwirtschaft im digitalen Zeitalter. Weitere Informationen www.wolf-georgzaddach.com
Anmeldung erforderlich
Prof. Dr. habil. Günter Mey
E-Mail: guenter.mey(at)hs-magdeburg.de
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