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SPD zur Mütterrente II

Foto: H.S.

05.04.2018 - von Andrea Timm

Kinderziehungszeiten – Mütterrente – Koalitionsvertrag: Ihre Mail vom 26. Februar 2018 an die SPD-Bundestagsfraktion, Sehr geehrter Herr Reuß, ... Sie wenden sich mit Ihrer Mail gegen die mit dem Koalitionsvertrag erklärte Absicht, die neuen Verbesserungen bei der Berücksichtigung von vor 1992 geborenen Kindern in der Rente nur für Mütter einzuführen, die mindestens drei Kinder geboren haben. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass das für Mütter mit weniger Kindern absolut enttäuschend ist.

Bevor ich auf Ihre eigentliche Frage komme, möchte ich einige Gedanken zur bisherigen Entwicklung der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten voran stellen.

Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die geltenden Gesetze auch den Entwicklungen in der Gesellschaft anzupassen. Hierbei muss er die Verhältnismäßigkeit der Regelungen wahren. Dies bedeutet, der Gesetzgeber muss verfassungsmäßige Grundsätze wahren und darf laufende Ansprüche nicht verschlechtern. Das hat zur Folge, dass in der Rentenversicherung Stichtage üblich sind. Mit dieser Begründung wurde damals 1992 eine bessere Bewertung der Kindererziehung nicht für davor geborene Kinder eingeführt – und aus diesem Grund war diese unterschiedliche Berücksichtigung auch verfassungsrechtlich nicht angreifbar – wenn auch in den Augen der Betroffenen nicht gerecht. Bereits damals ging es um die Finanzierung der Leistung.

Bei der sogenannten Mütterrente erfolgte 2014 ein Zuschlag von einem Entgeltpunkt je Kind, das vor 1992 geboren war – nicht nur in die Zukunft sondern auch für BestandsrentnerInnen. Diese Regelung war eine große Ausnahme von den weiter üblichen Stichtagen in der Rentenversicherung.

Die Anhebung der Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder auf 2 Jahre (auch 2014) - nicht jedoch auf 3 Jahre, wie für ab 1992 geborene Kinder - war ein Kompromiss zwischen dem dringenden Wunsch der Leistungsverbesserung für die betroffenen Eltern und der Finanzierbarkeit der Leistung. Dass die SPD diese Ausgaben für nicht beitragsgedeckte Leistungen aus Steuermitteln finanzieren wollte, ist inzwischen überall bekannt. Dies wäre auch konsequent und richtig gewesen – denn auch die Beiträge für Kindererziehungszeiten heute geborener Kinder werden aus Steuermitteln gezahlt.

Die Finanzierung aus Beitragsmitteln der gesetzlichen Rentenversicherung des 2. Entgeltpunktes für Kindererziehungszeiten war zu leisten, engt aber den finanziellen Spielraum der Rentenversicherung für die nächsten Jahre deutlich ein.

Nun zur aktuellen Mütterrente II:
In den Koalitionsverhandlungen ging es jetzt um den dritten Entgeltpunkt – das dritte Jahr Kindererziehungszeit für vor 1992 geborene Kinder bzw. den Zuschlag für Bestandsrenten (sogenannte Mütterrente). Darin, dass dieser Schritt für ältere Mütter wichtig und nötig ist, waren sich die Verhandlungspartner in den Sondierungs- und Koalitionsgesprächen einig.

Wieder stand die Frage der Finanzierung zur Diskussion – und wieder war für die SPD klar, dass eine Steuerfinanzierung sachgerecht wäre und die komplette Finanzierung aus Beitragsmitteln der gesetzlichen Rentenversicherung nicht zu leisten wäre. Die Gewährung eines weiteren Jahres und damit eine vollständige Angleichung hätte mehr als die Hälfte der zur Verfügung stehenden Finanzressourcen – nicht nur im Bereich Soziales – bedeutet. Die CDU/CSU bestand jedoch auf einer Finanzierung aus Beitragsmitteln. Allein aus diesem Grund hat sich die SPD auf den Vorschlag der CSU eingelassen, diesen dritten Entgeltpunkt nur für die Mütter zu gewähren, die drei Kinder erzogen haben.

Die Mehrausgaben für die sogenannte Mütterrente – also die Anhebung der Kindererziehungszeiten - beliefen sich auf 6,7 Milliarden Euro im Jahr 2014. Auch Rentner tragen zur Finanzierung bei. Durch den Verzicht auf Beitragssenkungen und die höheren Rentenausgaben fallen die jährlichen Rentenerhöhungen niedriger aus. Durch die Finanzierung der nochmaligen Anhebung aus Beitragsmitteln der gesetzlichen Rentenversicherung wird sich diese Entwicklung fortsetzen. Erst wenn der Beitragssatz über das im Koalitionsvertrag definierte Niveau zu steigen droht, erfolgt eine Erhöhung des Bundeszuschusses (Steuermittel).

Uns ist klar, dass dies für Mütter mit weniger Kindern schwer vermittelbar ist, und für sie eine Benachteiligung darstellt. Hier werden Gefühle verletzt und das Wort Gerechtigkeit steht zur Diskussion. Wir bedauern diese Entwicklung und sind dennoch davon überzeugt, dass die Richtung stimmt. Mütter mit mehreren Kindern haben bisher höhere Renteneinbußen hinnehmen müssen als Mütter mit einem oder zwei Kindern. Die Statistiken belegen dies sehr deutlich.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Erklärungen zumindest die Situation erklären konnte, wenn ich Ihnen auch keine kurzfristige Verbesserung der Gesetzeslage in Aussicht stellen kann.

Wir werden Ihre Anfrage in unsere weitere Arbeit einbeziehen. Derzeit wenden sich sehr viele Menschen an die SPD. Für die etwas längere Bearbeitungszeit bitte ich Sie um Verständnis.

Mit freundlichen Grüßen
Andrea Timm
SPD Bundestagsfraktion
AG Arbeit und Soziales

Link: Zur Finanzierung der eventuell steigenden Mütterrente
Quelle: Mail an die Redaktion